Wissen nicht, wohin mit sich selbst: Daisy Edgar-Jones als Marianne und Paul Mescal als Connell in „Normal People“ Foto: Hulu/Starzplay

Die Serienfassung von Sally Rooneys Romans „Normal People“ ist jetzt endlich bei ZDF Neo zu sehen. Daisy Edgar-Jones und Pauls Mescal spielen ein ganz normales und doch kein bisschen langweiliges Paar.

Stuttgart/London - Sally Rooneys Roman „Normal People“ erzählt von der komplizierten Freundschaft und Liebe, die die schroffe Marianne und den smarten Connell verbindet. Sie lernen sich in der irischen Provinz kennen, gehen nachher gemeinsam aufs Trinity College in Dublin. Trotz der unspektakulären Story gilt der Roman aus dem Jahr 2018 als Kultbuch. Und auch die Serienfassung feiern Fans und Kritiker überschwänglich. An diesem  Freitag, 4. August, feiert die Serie ihre Free-TV-Premiere um 21.50 Uhr bei ZDF Neo. Wir haben die Hauptdarsteller Daisy Edgar-Jones und Paul Mescal zu einem Zoom-Videointerview getroffen.

Ms. Edgar-Jones, Mr. Mescal, warum begeistern sich Menschen für ein Buch und eine Serie, die eine eigentlich ganz normale, alltägliche Geschichte von zwei nicht wirklich ungewöhnlichen Menschen erzählen?

Paul Mescal Das ist vielleicht die langweiligste aller Antworten, aber die Wahrheit: weil Marianne und Connell genauso sind wie wir. Sally Rooney schreibt über Menschen, nicht über Figuren, über Menschen, die sie liebt. Menschen, die in einer Sache gut und in einer anderen schlecht sein dürfen. Dem Publikum gefällt, dass Marianne und Connell Menschen wie du und ich sind und nicht als Superhelden taugen. Viele Bücher, Filme und Serien sind mit Charakteren bevölkert, die zu perfekt sind, in denen man sich und die eigenen Stärken, Schwächen und Empfindlichkeiten nicht wiedererkennt.

Haben Sie Sally Rooneys Roman gelesen, bevor Sie die Serie drehten?

Daisy Edgar-Jones Ich hätte die Rolle gar nicht spielen können, wenn ich das Buch nicht gelesen hätte. Dieses Buch ist alles für mich. Es ist das Werkzeug, das mir hilft, Zugang zu Marianne, die ich spiele, zu finden. Sally Rooney schreibt so unglaublich detailliert und schön. Auch wenn es darum geht, wie Marianne und Connell miteinander reden: Sie beschreibt die Kommunikation der beiden, indem sie sie mit Eistänzern vergleicht. Sie kreisen auf Schlittschuhen umeinander, werfen sich gegenseitig in die Luft und fangen sich wieder auf.

Was mögen Sie an den Charakteren, die Sie darstellen?

Mescal Ich liebe das Dilemma, in dem Connell steckt. Er ist so etwas wie ein Sportstar, ziemlich beliebt, und er genießt das auch, gleichzeitig kann er aber auch ziemlich in sich gekehrt sein, interessiert sich für Kultur, liest viel und schreibt. Das passt nicht so richtig zusammen.

Jones Was wirklich wunderbar an Marianne ist, dass sie eine hochkomplexe Frau ist. Das ist etwas, das man nur selten im Theater, im Fernsehen oder im Kino erlebt. Sie hat jede Menge Fehler, kann sehr lustig, aber auch sehr abweisend sein. In ihr steckt all das, was ich im wirklichen Leben bei anderen Frauen entdecke. Auch bei mir selbst.

Mescal Auch die Liebe zwischen den beiden ist nicht perfekt. Marianne und Connell haben die gleichen Kommunikationsprobleme, die auch wir kennen. Oft weiß man gar nicht genau, was da gerade schief gegangen ist. Ich glaube, das ist das Tolle an dem Buch: dass Sally Rooney nicht zu viel erklärt, dass sie uns zeigt, dass die beiden zwar eine tiefe Verbindung haben, dass es aber auch einige Unvereinbarkeiten gibt. Unvereinbarkeiten aber, die durch die Gefühle füreinander immer wieder übertroffen werden.

Es gibt in der Serie auch einige ziemlich gewagte Liebesszenen. Stimmt es, dass Ihnen bei den Dreharbeiten eine sogenannte Intimitätskoordinatorin geholfen hat?

Edgar-Jones Die Intimität zwischen Marianne und Connell spielt im Buch ein große Rolle. Wie das Rooney beschreibt, ist grandios. Es war wichtig, auch da der Vorlage gerecht zu werden. Die Koordinatorin hat beim Dreh eine Atmosphäre geschaffen, in der wir uns sicher fühlen und ehrlich darüber sprechen konnten, wie die Szenen ablaufen sollten. Damit wurde verhindert, dass Grenzen überschritten wurden oder sich einer von uns unwohl fühlen müsste. So jemand bei intimen Szenen am Set zu haben, sollte künftig unbedingt der Standard sein, finde ich.

Sally Rooney ist auch Co-Autorin und Produzentin der Serie. Sie hat zugelassen, dass der Ton der Geschichte etwas abgemildert wurde. Marianne zum Beispiel wirkt nicht ganz so schroff wie im Roman. Sehen Sie das auch so?

Edgar-Jones Das stimmt. Doch die Serie erzählt auch aus einer ganz anderen Perspektive: Was das Buch so großartig macht, ist, ganz aus der Innensicht zu erzählen, es nimmt die Perspektive von Marianne und Connell ein. Das hat zur Folge, dass der Blick auf alle anderen Charaktere alles andere als unvoreingenommen ist. Die Serie macht es jetzt möglich, dass den anderen Figuren vielleicht ein bisschen mehr Gerechtigkeit widerfährt, dass wir eine Ahnung davon bekommen, was ihre Beweggründe sind.

Und was halten Sie davon, dass einige Kritiker finden, dass Sie viel zu gut aussehend sind, um Marianne zu spielen?

Edgar-Jones Das finde ich seltsam. Wenn man das Buch liest, weiß man nicht, wie Marianne aussieht, weil es sich nicht wirklich mit solchen Äußerlichkeiten beschäftigt. Man erfährt, dass Marianne ziemlich schlau, überheblich und schroff ist. Nicht aber, wie sie aussieht. Ich glaube, ihre Schulkameraden finden sie nur deswegen so abstoßend, weil sie nicht deren soziale Spielregeln befolgt. Ihr ist einfach egal, ob sie dazu gehört oder nicht.

Sally Rooneys „Normal People“ als Roman und TV-Serie

Vorlage Die Irin Sally Rooney (29) wurde durch ihren ersten Roman „Gespräche mit Freunden“ berühmt. Ihr zweites Buch „Normal People“ ist im Jahr 2018 auf Englisch erschienen. Auf Deutsch erschien er unter dem Titel „Normale Menschen“ (Luchterhand Literaturverlag, 320 Seiten, 20 Euro).

Serie Für die zwölfteilige TV-Fassung – eine Koproduktion der britischen BBC mit dem US-Streamingdienst Hulu – hat Sally Rooney mit zwei weiteren Autoren das Drehbuch geschrieben. Die Erstausstrahlung des Seriendramas in Deutschland fand auf der Streamingplattform Starzplay statt.

Darsteller Die Engländerin Daisy Edgar-Jones (22) hatte ihre erste Hauptrolle an der Seite von Gabriel Byrne und Elizabeth McGovern 2019 in der Science-Fiction-Serie „War of the Worlds“. Der Ire Paul Mescal (24) hat bisher vor allem an verschiedenen Bühnen in Dublin Theater gespielt.