Zum Finale überrascht Georg Preuße alias Mary auf der Bühne. Wommy Wonder wusste nicht, dass die Travestie-Legende kommt und ist zu Tränen gerührt. Mit weiteren Prominenten feiert sie den 40. Geburtstag ihrer Kunstfigur bei einer berührenden Gala.
Wommy ist eine Größe der heimischen Kleinkunst – nicht nur, weil sie mit Perücke und High Heels auf 2,14 Meter kommt und damit alle überragt. Das Fräulein mit dem Kirschkernkissenbusen steht seit 40 Jahren auf der Bühne. Wie fest der 57-jährige Michael Panzer, ein studierter Theologe, mit seinen beiden Kunstfiguren Wommy Wonder und Elfriede Schäufele in der Stuttgarter Kulturszene verankert ist, zeigt sich am Dienstagabend im Theaterhaus sowohl im Publikum als auch beim Großaufgebot der prominenten Gratulanten auf der Bühne.
Georg Preuße wird heimlich in den Saal geschleust
Bei der „40-Jahre-Wommy-Gala“, die unter dem Motto „Bis hierher ... und noch weiter“ steht, ist der große Saal T 1 ausverkauft. Das Publikum flippt aus vor Lachen. Und oben treten mehr Prominente ins Scheinwerferlicht als angekündigt. Ein Mitarbeiter aus dem Wonder-Team hat in einer Geheimaktion Georg Preuße alias Mary aus der Schweiz nach Stuttgart geholt – der Chefin wurde nichts davon gesagt. Über einen Seiteneingang wird am Geburtstagsabend der erste große Travestiestar von Deutschland ins Theaterhaus geschleust, nicht übers Foyer. Die Überraschung sollte sitzen – und wie sie sitzt!
Zu einer Zeit, als noch der Paragraf 175 galt und Homosexualität teilweise unter Strafe stellte, eroberte Preuße als glamouröse Mary die Primetime des deutschen Fernsehens: Nur noch selten kehrt der 74-Jährige, ein Vorkämpfer für Diversität, auf die Bühne zurück. Der Entertainer Wolfgang Selje, einer der wenigen, der in den Geheimbesuch eingeweiht ist, holt den Wahl-Schweizer zu sich hoch. Der Applaus ist stürmisch, es fließen Tränen der Rührung. Georg Preuße schenkt Wommy ein Bild aus seiner Karriere zu dem Lied „Es ist nicht leicht, ein Clown zu sein“.
Viva la Diva! Und alles gratuliert mit kurzen Darbietungen: Von dem eleganten, stimmgewaltigen Musicalstar Kevin Tarte bis zum derben, treffsicheren Schwabenludr Elsbeth Gscheidle, vom lustig-verblüffenden Magier Thorsten Strotmann bis zum US-amerikanischen Ausnahmeclown Peter Shub – der lange Abend ist eine Gala der Überraschungen, der großen Gefühle und der Tränen, ob diese nun vor Lachen oder aus Rührung fließen. Was Michael Panzer von der Schwäbischen Alb vor 40 Jahren als Scherz beim Schülerfasching im Frauenfummel begonnen hat, ist zu einer Institution geworden, die zu Stuttgart gehört wie der Fernsehturm oder Äffle & Pferdle.
„Fleisch nur, wenn ein Kerl dranhängt“, sagt Wommy, die Vegetarierin
„Wir feiern das Leben“, ruft Wommy gleich zu Beginn der Show aus und lässt, wie gewohnt, tief blicken. Seit sieben Jahren sei sie Veganerin, erklärt die Diva, bei ihr gebe es nur noch Fleisch, „wenn ein Kerl dranhängt“. Die Gala sei ihr Geschenk ans Publikum, „dass ihr mich 40 Jahre ertragen habt“.
Auf der Herfahrt, plaudert das Fräulein, sei die Ampel ausgefallen. „Das gelbe Licht funktioniert nicht mehr.“ Deshalb heiße es, wachsam zu sein, denn ohne Ampel gelte „rechts vor links“. Dann erklärt die Travestie-Lady, warum sie immer ein Kinderticket fürs Bahnfahren löst. Wenn der Schaffner sie dann kontrolliere, sage sie, „jetzt sehen Sie mal, wie lange ich auf den Zug gewartet habe“. Wer ihr Steine in den Weg lege, dem werfe sie Blumen zurück. Sie lasse aber den Topf dran. Als ein Date dem ewigen Single Wommy sagte, er suche nicht Festes, entgegnete das Fräulein: „Dann bist du bei meinen Oberschenkeln genau richtig.“
Mit dabei: Comiczeichner Ralf König, ein Held der queeren Community
Es geht Schlag auf Schlag – „sensationell“, wie das Publikum danach jubelt. Zu den Höhepunkten des Abends zählt der Comiczeichner Ralf König, seit Jahrzehnten ein Star der queeren Community, der einst die Vorlage für den Film „Der bewegte Mann“ lieferte. Seine Geschichte über das Männerpaar Plüsch und Plum, die er mit Zeichnungen und Text präsentiert, hat geradezu Loriot-Format. Das Theaterhaus bebt.
Außerdem dabei: Schwester Bärbel, der Pianist Tobias Becker (mit Wommy legt er ein atemberaubendes Comeback als Sissi und Franz hin), der Bauchredner Sebastian Reich samt Nilpferddame Amanda sowie das Comedy-Duo Irrtum & Daneben. Zum Finale kommen alle noch mal auf die Bühne, die wegen Überfüllung fast geschlossen werden muss. Es gibt lautstarke Standing Ovations – und für das Fräulein ist „Weihnachten, Ostern und Geburtstag zugleich“, vor allem auch, weil sein großes Vorbild Mary gekommen ist.
Georg Preuße hat „wichtige Vorarbeit“ geleistet
Beim Rückblick auf die schwierigen Anfänge der Travestiekunst, als Bürgermeister kleiner Gemeinden schon mal sagten, „so ein Schund“ käme nicht in ihre Halle, spürt Georg Preuße immer wieder, wie dankbar ihm viele Menschen sind für die „Vorarbeit“ für die Rechte queerer Menschen.
In dem Lied „Es ist nicht leicht, ein Clown zu sein“ von Georg Preuße heißt es: „Wer immer lacht,/ dem glaubt man nicht,/dass er auch weinen kann,/und wenn ihm fast das Herz zerbricht,/man sieht es ihm nicht an,/dass mich heut’ die Welt nicht freut/Könnt ihr mir das verzeih’n?“ Diese Gala geht unter die Haut – ein Stück Stadtgeschichte mit vielen Emotionen und großartigen Gratulanten.