Eine gigantische Maschine wird sich bis zum Sommer in Backnang durchs Erdreich fressen. Wir erklären, warum das Bauprojekt dringend nötig ist.
Mit einem lauten Knall zerschellte die Sektflasche an der Bohrerspitze – und gab dem Stahlkoloss ihren Namen: „Kerstin“. Unter Applaus hat am Dienstag in Backnang (Rems-Murr-Kreis) ein Bauprojekt begonnen, das einem jahrzehntelangen Engpass ein Ende bereiten soll. Als Tauf- und Namenspatin der Tunnelbohrmaschine fungierte die Backnanger First Lady: Kerstin Friedrich, die Frau des Oberbürgermeisters Maximilian Friedrich.
Der Tunnelbohrer wird bis Juni unterwegs sein
Der Ort des Geschehens war der Rand eines rund zwölf Meter tiefen Lochs nahe der B 14, im Bereich des sogenannten Blechbergele. Hier wird in den kommenden Monaten ein neuer Entlastungskanal für Regenwasser entstehen. Dieser sei dringend nötig, betonte der Oberbürgermeister Maximilian Friedrich: „Seit den späten Siebzigern wissen wir, dass der Kanal am Blechbergele unterdimensioniert ist.“ Eine Lösung des Problems war aber jahrzehntelang verschoben worden.
Warum der neue Kanal in Backnang dringend nötig ist
Während durch den bisherigen Kanal maximal 1000 Liter pro Sekunde fließen können, wären eigentlich 9500 Liter nötig. Immer wieder kam es deshalb nach Starkregen zu Überflutungen – besonders an der Anschlussstelle Backnang-Mitte. Doch der Kanal war lange mit dem Ausbau der B 14 verknüpft – ein Projekt, das sich über Jahrzehnte hingezogen hat. Nun geht es voran.
Die neue, ferngesteuerte Tunnelbohrmaschine vom Typ AVN 1800 wird sich unterirdisch auf 335 Meter Länge ihren Weg durch das Erdreich und teils massiven Fels bahnen – mit einer Geschwindigkeit von rund acht bis neun Metern pro Tag. Die Maschine hat einen Durchmesser von 2,20 Metern und wiegt rund 45 Tonnen. Sie arbeitet im sogenannten Mikrotunneling-Verfahren: ein modernes, grabenloses Bauprinzip, das die Oberfläche schont und den Verkehr nicht zusätzlich belastet.
Der ursprüngliche Plan, die Trasse offen auszuheben, wurde vor Jahren verworfen. Stattdessen wird sich „Kerstin“ nun einen Weg unter Bahnlinien und unter Straßen hindurch sowie über topografische Hürden hinweg bahnen. Geht alles glatt, wird der Bohrer voraussichtlich im Juni in den Etzwiesen ankommen.
„Wir nutzen heute die Technik von morgen, um Versäumnisse von gestern zu beheben“, sagte Friedrich, sichtlich erleichtert, dass das Projekt trotz der vielen Beteiligten – darunter die Bahn, unter deren Gleisanlagen sich die Maschine teilweise durch arbeitet – nun vorankommt. „Unsere Tunnelbohrmaschine bekommt heute nicht nur einen Auftrag, sondern auch eine Identität“, so der OB.
Die kleine Tochter des OB ist mit von der Partie
Kurz darauf zerschellte die Sektflasche an der Spitze des 45 Tonnen schweren Kolosses, auf dem neben dem Namen „Kerstin“ auch die Bergmannsparole „Glück auf!“ prangt. Auch eine aufgestellte Heiligenfigur soll dazu beitragen, dass die Arbeit der Maschine und der Menschen, die sie aus der Ferne bedienen, rasch und unfallfrei vorangeht.
Für den feierlichen Höhepunkt des Tages sorgte Kerstin Friedrich, die Ehefrau des Oberbürgermeisters und nun auch Namenspatin des Tunnelbohrers. Sie hatte einen alten Steigerstock dabei: „So einen Steiger-Pickel hatte mein Opa verwendet, als er in den 1950er Jahren im Kohlebergbau im Aachener Revier unter Tage tätig war“, erzählte sie. Von der Tragweite des Ereignisses eher unbeeindruckt zeigte sich dagegen das Töchterchen der Friedrichs. Die erst Anfang Februar geborene Victoria verschlief die Maschinentaufe selig schlummernd im Kinderwagen.