Mal Feinde, mal Freunde – Erdogan und Putin Foto: dpa/Uncredited

Das Treffen der beiden Präsidenten in Sotschi beleuchtet die Abhängigkeit der Türkei von Russland. Moskau nutzt sie, um Kriegssanktionen auszuhebeln.

Recep Tayyip Erdogan will von Sanktionen gegen Russland nichts wissen, im Gegenteil. „Unsere Tür steht allen offen“, sagte der türkische Präsident nach seinem Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin im russischen Sotschi. Dort sagte er Putin zu, einen Teil der russischen Energielieferungen an die Türkei künftig in Rubel zu bezahlen. Putin versprach Investitionen, die Erdogan wegen der Wirtschaftskrise in der Türkei vor den nächsten Wahlen dringend braucht. Westliche Regierungen befürchten, die Türkei könnte zum Blockadebrecher der Russlandsanktionen werden.

Erdogan vereinbarte mit Putin eine engere Zusammenarbeit vom Energiesektor bis zum Finanzwesen. Die türkische Führung verspricht sich davon Impulse, um die türkische Wirtschaft vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im kommenden Juni wieder flott zu kriegen. Wenn die Türkei für einen Teil der Gasimporte aus Russland mit Rubel zahle, nütze das beiden Seiten, sagte Erdogan auf dem Rückflug.

Ankara zahlt in Rubel, um Dollar zu sparen

Für die Türkei hat der geplante Rubeltransfer den Vorteil, dass sie ihre schwindenden Dollarreserven schonen könnte. Die türkische Zentralbank hat in den vergangenen Monaten Milliardensummen ausgegeben, um den Kurs der türkischen Lira zu stützen. Nach Einschätzung des Wirtschaftsexperten Murat Kubilay braucht die türkische Wirtschaft in den kommenden zwölf Monaten 220 Milliarden Dollar, um Handelsdefizite auszugleichen und Kredite zu bedienen. Derzeit erhalte die Türkei aber kaum Kapital aus dem Ausland, schrieb Kubilay in einer Analyse.

Kurz vor dem Treffen in Sotschi hatte Moskau fünf Milliarden Dollar in die Türkei überwiesen, um einen Teil der Kosten von 20 Milliarden Dollar für den Bau des ersten türkischen Atomkraftwerkes zu bezahlen. Die Finanzierung läuft nach Medienberichten über russische Banken, die westlichen Sanktionen unterliegen. Die „Washington Post“ meldete, Russland wolle die Türkei als Standort für Investitionen im Energie- und Bankensektor nutzen, um die westlichen Sanktionen zu umgehen.

Auch Russlands Touristen sind eine Macht

Die Türkei ist in der Energiepolitik von russischen Öl- und Gaslieferungen und in der Tourismusindustrie von russischen Urlaubern abhängig. Russische Touristen sollen nach Erdogans Worten in der Türkei bald mit einer russischen Bankkarte zahlen können. Sie soll westliche Kreditkarten ersetzen, die in Russland nicht mehr gelten. Erdogan und Putin streben einen Ausbau des bilateralen Handelsvolumens von derzeit 17 auf 100 Milliarden Dollar im Jahr an.

Dass die Türkei ihre Wirtschaft durch eine engere Zusammenarbeit mit Russland retten kann, ist unwahrscheinlich. Russland exportiert viel mehr in die Türkei als andersherum. Zudem ist die türkische Wirtschaft auf westliche Partner ausgerichtet: Das Handelsvolumen der Türkei mit Deutschland ist doppelt so hoch wie das mit Russland.