Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. (Archivbild) Foto: dpa/Marijan Murat

Nach einigen umstrittenen Äußerungen trat Boris Palmer bei den Grünen aus und kündigte an, im Juni eine Auszeit zu nehmen. Diese beginnt am Donnerstag. Was hat Tübingens Oberbürgermeister geplant?

Ab Donnerstag dürfte die Tür zum Büro des Oberbürgermeisters im Tübinger Rathaus für einige Wochen geschlossen bleiben. Amtsinhaber Boris Palmer (51) verabschiedet sich für den gesamten Juni in eine Auszeit - um den Eklat wegen seinen Äußerungen am Rande einer Migrationskonferenz Ende April in Frankfurt am Main für sich aufzuarbeiten. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Palmers Auszeit:

Wie soll die Auszeit ablaufen?

Dazu hält sich Palmer bedeckt, will Fragen zu Details nicht beantworten. „Zweck der Auszeit ist, dass ich mich nicht mehr für mein Handeln öffentlich erklären muss“, sagte Palmer der Deutschen Presse-Agentur vor Beginn der Auszeit. Auch ob er während des Monats in Tübingen bleiben werde, wollte Palmer nicht sagen. Nur so viel: Sicher sei, dass die Auszeit bis Ende Juni gehen werde.

Was hat Palmer genau vor?

„Ich sehe den Monat als Aufgabe“, sagte der Tübinger OB - und verwies auf eine persönliche Erklärung, die er Anfang Mai veröffentlicht hatte. Darin schreibt Palmer, er werde während der Auszeit „den Versuch machen, meinen Anteil an diesen zunehmend zerstörerischen Verstrickungen aufzuarbeiten“. Da er weiter Angriffen wie jenen in Frankfurt am Main ausgesetzt sein werde, bleibe nichts anderes übrig, als zu versuchen, sich selbst zu ändern. „Solange ich nicht sicher bin, neue Mechanismen der Selbstkontrolle zu beherrschen, die mich vor Wiederholungen sichern, werde ich alle Konfrontationen mit ersichtlichem Eskalationspotenzial durch Abstinenz vermeiden“, schrieb Palmer weiter.

Er habe sich für die Auszeit und die Aufarbeitung professionelle Hilfe geholt. „Es gibt jemanden, mit dem ich das professionell aufarbeite“, sagte Palmer. Inhaltlich dürfte auch seine Social-Media-Präsenz eine Rolle spielen. In einem Live-Video auf Facebook zur Eröffnung einer Fahrradbrücke in Tübingen sagte Palmer vor wenigen Tagen: „Ob ich mich wieder melde, überlege ich mir im Juni.“ Vor allem auf Facebook war er in der Vergangenheit sehr aktiv und fiel immer wieder mit provokanten Äußerungen auf.

Braucht es für die Auszeit eine Sonderregelung für Palmer?

Nach Angaben der Stadtverwaltung nimmt Palmer während seiner Auszeit bezahlten Urlaub. Er selbst betonte auf Nachfrage: „Es gibt keine Sonderregelung. Alles läuft über ganz normale Rechte eines Arbeitnehmers.“ Laut einer Landesverordnung haben Beamte in Baden-Württemberg - zu denen auch Bürgermeister zählen - Anspruch auf 30 Tage bezahlten Urlaub. Eine Sprecherin der Stadt Tübingen hatte Anfang Mai erklärt, dass Palmers Urlaubskonto genug Tage aufweise, um die Auszeit im Juni zu nehmen.

Wer vertritt den Oberbürgermeister während seiner Auszeit?

Während seiner Auszeit übernehmen nach Angaben der Stadtverwaltung der Erste Bürgermeister Cord Soehlke und die Sozialbürgermeisterin Daniela Harsch gemeinsam die Vertretung für Oberbürgermeister Palmer. Soehlke ist seit 2018 ständiger Vertreter Palmers. Es werde zu „keinerlei Beeinträchtigung der Verwaltungstätigkeit“ kommen, teilte die Stadt mit. Im Juni stünden zwei Sitzungen des Verwaltungsausschusses der Stadt sowie eine Sitzung des Gemeinderates an. Diese würden dann von Soehlke geleitet.

Im Notfall ist der Oberbürgermeister für seinen Stellvertreter und seine Stellvertreterin aber erreichbar. „Ich gehe aber nicht davon aus, dass etwas passiert und diese Notfallregelung benötigt wird“, sagte Palmer.

Wie sehen die Menschen die Auszeit?

Einer Yougov-Umfrage zufolge halten nur neun Prozent der Bundesbürger Palmers einmonatige Auszeit für die richtige Reaktion auf den jüngsten Eklat. Knapp ein Drittel der Befragten hätte dagegen einen endgültigen Rückzug Palmers aus der Politik für die richtige Entscheidung gehalten, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab. Knapp ein Fünftel der Befragten fände die Fortführung seiner Ämter ohne Unterbrechung richtig.

Was war der Auslöser für die Auszeit?

Der Tübinger Rathauschef hatte Ende April eine verbale Auseinandersetzung mit einer Protestgruppe über seine Verwendung des „N-Wortes“. Die Protestierenden konfrontierten ihn mit „Nazis raus“-Rufen. Daraufhin sagte er: „Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für euch ein Nazi.“ Mit dem „N-Wort“ wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben.

Auch Weggefährten hatten Palmer wegen der Wortwahl in Frankfurt am Main scharf kritisiert. Nach der Eskalation war er am 1. Mai bei den Grünen ausgetreten. Davor hatte seine Mitgliedschaft in der Partei wegen eines anderen Skandals geruht.