In einem Interview zeichnet die Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller trotz guter Umsatzzahlen ein düsteres Bild der Lage in Wirtschaft und Gesellschaft. Die Probleme beschreibt sie unter anderem mit einem Beispiel aus Stuttgart.
Der Ditzinger Laser- und Maschinenbau-Spezialist Trumpf hat im abgelaufenen Geschäftsjahr lediglich etwas weniger Umsatz gemacht als im Rekordjahr zuvor. Das neue Geschäftsjahr aber bezeichnet die Konzernchefin Nicola Leibinger-Kammüller jetzt in einem „Spiegel“-Interview als „wirklich herausfordernd“. „Noch nie habe ich in all den Jahren ein derartiges Gefühl der Beklemmung empfunden“, sagt Leibinger-Kammüller. Dazu trügen auch Probleme der inneren Sicherheit bei, die sie am Beispiel Stuttgart benennt.
Die 64-Jährige, die Trumpf als Nachfolgerin ihres Vaters seit 2005 führt, beteuert in dem Interview zwar, sie bleibe „positiv und entschlossen“. Zugleich aber beschreibt sie eine tiefgehende gesellschaftliche Krise: „Die Weltlage ist beängstigend, wir haben eine schwierige ökonomische Situation im Land und eine Bevölkerung, die sich von der Politik entfremdet hat und sich nicht mehr vertreten fühlt.“ Dabei reagiere Deutschland auf die Probleme „viel zu langsam“.
Der Wahlerfolg der AfD in Baden-Württemberg: „Unfassbar, oder?“
Die aus ihrer Sicht größten Probleme seien eine Neuausrichtung der Weltmächte („Wir erkennen zu wenig, wie mächtig China geworden ist, während sich die USA immer stärker von Europa weg orientieren“) sowie im Inland die Vernachlässigung von Infrastruktur und Bildungswesen. Den Europawahlerfolg der AfD in Baden-Württemberg, gegen deren Positionen sie schon seit Jahren wie nur wenige andere Unternehmer Stellung bezogen hat, nennt Leibinger-Kammüller „unfassbar“.
Die Trumpf-Chefin hält den Erfolg der AfD aber für erklärbar. Umfragen zeigten die Gründe: eine als ungeregelt empfundene Einwanderung, die Angst um die Industriearbeitsplätze und Probleme mit der inneren Sicherheit: „Selbst meine Söhne, die sind zwei Meter groß, fühlen sich mitten in Stuttgart in der Königstraße nicht mehr wohl“, sagt sie im „Spiegel“-Gespräch. Ihre Folgerung: „Der Verlust des Vertrauens in die öffentliche Ordnung ist eklatant“.
Anstatt denjenigen das Feld zu überlassen, die simple Lösungen versprechen, müssten sich die Parteien der Mitte stärker auf die wichtigsten Probleme konzentrieren, so ihre Auffassung. „Wir haben als Land noch immer alle nötigen Zutaten für den Erfolg. Es mangelt jedoch an der Entschlossenheit des Tuns“, sagt die Unternehmerin.
Umsatz sinkt leicht auf 5,2 Milliarden Euro
Trumpf hat im Geschäftsjahr 2023/24, das am 30. Juni abgelaufen ist, nach vorläufigen Berechnungen einen Umsatz von 5,2 Milliarden Euro gemacht. Im Jahr zuvor waren es 5,4 Milliarden, der bisher höchste Wert in der 101-jährigen Firmengeschichte. Der Gewinn betrug damals 615 Millionen Euro, was sich für die Mitarbeiter in der Rekordprämie von 3750 Euro niederschlug. Die Gewinnzahlen für 2023/24 veröffentlicht Trumpf in der Regel im Oktober.