Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg übte scharfe Kritik am russischen Beschluss zur Schließung der Verbindungsbüros in Brüssel. Foto: AFP/JOHN THYS

Beim Gipfel der Verteidigungsminister in Brüssel soll den neuen Bedrohungsanalysen Rechnung getragen werden. Vor allem China rückt ins Visier des Bündnisses.

Brüssel - Die Nato arbeitet an ihrer Zukunft. In den nächsten Jahren soll das Verteidigungsbündnis für die kommenden Aufgaben fit gemacht werden. Zu diesem Zweck treffen sich die Staaten des Bündnisses Donnerstag und Freitag im Hauptquartier in Brüssel. Die Vergangenheit werde bei diesem Prozess nicht vergessen, heißt es aus Nato-Kreisen. Auch wenn viele Verantwortliche die schwierige Periode der Zusammenarbeit mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump gerne aus ihrem Gedächtnis streichen möchten.

Die USA gehen weiter eigene Wege

Dass auch der neue Präsidenten Joe Biden nicht davor zurückschreckt, eigene Wege zu gehen, beweist der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan. Da gebe es einigen Gesprächsbedarf, heißt es bei den Verantwortlichen, doch man hoffe, aus dem Verlauf des gesamten Einsatzes für die Zukunft zu lernen. Eine zentrale Erkenntnis habe sich allerdings sehr deutlich gezeigt: Ohne die militärische Unterstützung der USA in allen wichtigen Bereichen, gehe in der Nato praktisch nichts.

Für eine unliebsame Überraschung sorgte kurz vor Beginn der Tagung noch Russland. Im Streit um entzogene Akkreditierungen für russische Diplomaten stellt Moskau ab Anfang November die Arbeit seiner ständigen Vertretung bei der Nato in Brüssel ein. Zuvor hatte das westliche Bündnis acht Mitgliedern der russischen Vertretung ihre Akkreditierungen entzogen. Die Begründung: Die Diplomaten sollen auch für den Geheimdienst gearbeitet haben. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg übte scharfe Kritik am russischen Beschluss zur Schließung der Verbindungsbüros. Die Entscheidung fördere weder den Dialog noch das gegenseitige Verständnis, sagte Stoltenberg am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Brüssel. Das Bündnis werde aber weiter offen für einen Austausch bleiben - auch über den Nato-Russland-Rat.

Der Blick ist in Zukunft auf China gerichtet

Ein wesentlich größeres Augenmerk richtet das Bündnis in Zukunft allerdings auf China. Noch vor zehn Jahren habe man das Land praktisch nicht auf dem Radar gehabt, heißt es aus Nato-Kreisen. Das habe ich inzwischen grundlegend geändert, auch weil die USA hier sehr viel Druck machen. So heißt es in der nationalen Sicherheitsstrategie von US-Präsident Biden, China sei „der einzige Konkurrent, der potenziell in der Lage ist, seine wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht zu kombinieren, um eine nachhaltige Herausforderung für ein stabiles und offenes internationales System darzustellen“. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte zuletzt immer wieder, China verfüge bereits heute über die größte Marine und über den zweitgrößten Verteidigungshaushalt der Welt.

Eine große Herausforderung der Zukunft ist nach Worten von Stoltenberg auch die Abwehr von Cyberangriffen. Bislang konnten sich die Verantwortlichen für solche Attacken relativ sicher sein, dass sie es nach einer folgenschweren, aber nicht verheerenden Attacke nicht mit der Nato zu tun bekommen. Diskutiert wird, dass künftig auch dann der Bündnisfall ausgelöst werden könnte, wenn sich herausstellt, dass ein Angreifer eine ganze Serie von Cyberangriffen zu verantworten hat. Vor allem Russland waren zuletzt immer wieder Hackerangriffe auf Nato-Staaten vorgeworfen worden.

Warten auf die Regierung in Deutschland

Eine große Ungekannte gibt es noch in der Kalkulation der Nato: Deutschland. In Brüssel blickt man abwartend in Richtung Berlin, wo im Moment Koalitionsverhandlungen stattfinden. Was bisher über den Stand der Gespräche bekannt ist, ist zu wenig, um sich ein genaues Bild vom zukünftigen Engagement Deutschlands zu machen. Klar ist nur: die Ampel-Partner bekennen sich klar zur Nato. Die Ausrüstung der Bundeswehr soll verbessert werden, das Nato-Ziel eines BIP-Anteils von zwei Prozent für die Verteidigungsausgaben wird aber nicht genannt. Es soll eine abrüstungspolitische Offensive geben, Rüstungsexporte sollen restriktiv gehandhabt werden. Es wird noch einige Zeit dauern, bis sich Berlin in Sachen Verteidigung klar positioniert hat. Die Signale aus Brüssel sind allerdings deutlich, dass die Erwartungen der Nato an Deutschland hoch sind.