Vor 25 Jahren wurde die Projektidee für Stuttgart 21 präsentiert. Die Entscheider von damals haben nun die Baustelle besucht und sich selbst gelobt.
StuttgartDie Deutsche Bahn will beim Projekt Stuttgart 21 und dem Streckenbau zwischen Wendlingen und Ulm bis Herbst zwei Meilensteine erreichen. Projektchef Manfred Leger kündigte am Mittwoch auf der Tiefbahnhof-Baustelle in illustrer Runde an, dass die Rohbauarbeiten sowohl für den Fildertunnel zwischen der Innenstadt und der A 8 als auch für den Albvorlandtunnel bei Wendlingen bald abgeschlossen werden. Die 9,4 und 8,4 Kilometer langen Abschnitte lässt die Bahn mit Tunnelbohrmaschinen graben.
Die Runde um Leger hörte die Botschaft gern. Zur Baustellen-Besichtigung hatten sich, umgeben von einer Entourage der heute für das Projekt Zuständigen, jene Entscheider eingefunden, die vor 25 Jahren die Idee verantworteten: Der damalige Bahnchef Heinz Dürr, Ministerpräsident Erwin Teufel, Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann, und auch Landes-Verkehrsminister Hermann Schaufler (alle CDU).
Am 18. April 1994 hatten sie dem staunenden Publikum im Landtag erklärt, dass sie den Stuttgarter Kopf- zum Durchgangsbahnhof wandeln und dabei ein Stück tiefer legen würden. Bis zur Finanzierungsvereinbarung dauerte es dann allerdings 15 Jahre. Die Bedeutung eines Vertragsdetails ist heute strittig, so dass die Bahn wegen der von 4,5 auf 8,2 Milliarden Euro explodierten Kosten das Land auf weitere Zahlung eines 60-Prozent-Anteils verklagt hat. Die Bahn hat dazu die Kanzlei Wilmer Hale (Washington D.C./Berlin) gewählt, in der Wissmann (70) als leitender internationaler Anwalt tätig ist.
Zur Bahnreform vor 25 Jahren „wollten wir alles tun, um die Bahn zu stärken“, sagte Wissmann. Am meisten sei das im Nahverkehr gelungen, am wenigsten habe es bei Güterverkehr funktioniert. Damals „waren wir entschlossen, ein paar Leuchtturmprojekte zu realisieren, den Hauptbahnhof Berlin und Stuttgart 21“, beschwor Wissmann die Aufbruchstimmung zu Anfang der 90er-Jahre. Kostentreiber in Stuttgart sei die lange Laufzeit des Projekts und die dadurch „natürlichen Baukostensteigerungen“. Es gebe wenige Großprojekte „die im Rahmen bleiben“, relativiere der frühere Minister die Milliarden-Misere.
„Warten wir wenige Jahre ab, dann will keiner mehr dagegen gewesen sein. Das Projekt hat eine Mehrheit gefunden in der Bürgerschaft“, sagte Erwin Teufel. Vor S 21 war er mit Plänen der damaligen Bundesbahn konfrontiert worden, die einen Fernbahnhof in Bad Cannstatt vorsah. Auch Mannheim sollte abgehängt werden. Dass der Familienunternehmer Heinz Dürr dann Bahnchef wurde, sei „außerordentlich hilfreich“ gewesen, sagte Teufel (79). „Es war eine reine Freude, die Idee zu präsentieren. Stuttgart wird angeschlossen an die großen Verkehrslinien in Deutschland und Europa“, wirbt Teufel noch heute für das Projekt. Den Anschluss gibt es allerdings schon.
Unerwähnt ließ Teufel beim Treffen, dass er sich deutlich und grundsätzlich gegen eine Mitfinanzierung des Landes gewandt hatte. Sie widerspricht der im Grundgesetz festgeschriebenen Systematik der Schienenfinanzierung. Der damalige Regierungschef wollte dem Schienenkonzern die Bauentscheidung für S 21 durch einen Zinszuschuss für dessen Vorfinanzierung schmackhaft machen. „Bald werden wir mit hoher Anerkennung über alle sprechen, die für diesen Bahnhof gearbeitet haben“, so Teufel.
„Die Bahnreform war der Schlüssel zum Projekt“, so Heinz Dürr (85). Er habe damals festgestellt, dass die Bahn der größte Grundstücksbesitzer in Deutschland gewesen sei. „Da gab es Flächen, die wir gar nicht mehr brauchten“, stellte Dürr fest. Beim Hubschrauberflug über Stuttgart wurde er der riesigen Gleisanlagen gewahr, die für die Stadtentwicklung genutzt werden konnten. Davon ließ sich OB Manfred Rommel überzeugen.
Nicht so kompliziert gesehen
Der Entwurf des Düsseldorfer Architekten Christoph Ingenhoven für die Halle sei intern sehr umstritten gewesen, sagt Dürr: „Die alten Bahner wollten einen klassischen Bahnhof.“ Die Hindernisse bei der Finanzierung – sein Nachfolger Johannes Ludewig legte S 21 deswegen auf Eis –, bei Planung und Bau seien unterschätzt worden. „Ich muss zugeben, ich habe das damals nicht so kompliziert gesehen. Man würde heute mit mehr Sorgfalt und früher planen“, so Dürr. Er widersprach damit der Behauptung seiner Nachfolger, die S 21 gegen jede Kritik lange als das „bestgeplanteste Projekt“ bezeichnet hatten. „Wird man mit 90 noch mal eingeladen?“, frage Dürr am Ende. „Ja, wenn Sie mit der Bahn kommen“, sprach Georg Brunnhuber, der Vorsitzende des S-21-Projektvereins, die Einladung zur Eröffnung Ende 2025 aus.