Das Chörle unter der Leitung von Sabine Ostmann (2. v. r.) Foto: privat

Erstmals findet eine ökumenische Trauerfeier für die unbedacht Verstorbenen in Stuttgart statt. Das Stuttgarter Chörle unter der Leitung von Sabine Ostmann in der großen Feierhalle im Waldfriedhof .

Stuttgart - Es ist schon eine knifflige Aufgabe, Tote in einer Trauerfeier zu ehren, die vereinsamt gestorben sind, um die sich zuletzt bis zum letzten Gang niemand gekümmert hat. Da war schon viel Vorarbeit bei den Ämtern und der Kirchenverwaltung nötig, dass Anfang dieser Woche wieder solche eine Trauerfeier für die unbedachten Toten stattfinden konnte. Das sind jene, von denen teils nicht mal der Namen ermittelt werden konnte. Oder jene, die keine Nachkommen haben. Oder deren Nachkommen sich nicht meldeten nach Recherchen der Stadt.

Doch da gibt es das Stuttgarter Chörle, das es sich seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht hat, gerade diesen das letzte Geleit zu geben, bei denen sonst absehbar nur der Pfarrer bei deren Beerdigung anwesend ist. Aus Corona-Gründen hat dies in der großen Feierhalle des Waldfriedhofs stattgefunden. Denn für die knapp 20 Chormitglieder ist ein Raum dieser Größe erforderlich.

Bei Gott sind die Namen nicht vergessen

Doch was sind die richtigen und angemessenen Worte bei solch einem Anlass? – Anton Seeberger von der katholischen Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Mitte und Eva Deimling, persönliche Referentin des Stadtdekans, haben diese ökumenische Trauerfeier entwickelt und gestaltet. Wechselnd machen sie darauf aufmerksam, dass Gott keine Namen vergisst, dass er alle Namen kennt. Und der jeweilige Name des Einzelnen ist so ziemlich das Engste, das mit der jeweiligen Person verbunden ist. „Jemand hat uns unsere Namen gegeben“, so Seeberger, „und mit unseren Namen werden wir angesprochen. Sie sind uns also aufs Engste vertraut. Gott hat sie in der Taufe beim Namen genannt. Bei Gott sind sie nicht vergessen.“

Deshalb haben beide Geistliche die zwölf Namen jener noch einmal ausgesprochen, denen diese Trauerfeier gewidmet war. Parallel zur Namensnennung wurden zwölf Kerzen angezündet deren Urnen. Deimling: „Die Getauften bleiben über den Tod hinaus miteinander verbunden, weil sie zu Christus gehören, auf dessen Tod und Auferstehung sie getauft sind. Sie sind nun Gott anvertraut“. Zumal alle zwölf Verstorbenen Mitglieder der christlichen Gemeinden in Stuttgart waren. Denn darauf legen Deimling und Seeberger Wert: „Es sind die sterblichen Überreste von Menschen, die für ihre eigene Bestattung nicht vorsorgen konnten oder wollten und die keine Angehörigen hatten, die sich darum kümmerten. Sie sind getauft und haben bis zu ihrem Lebensende einer Kirche angehört“.

Die nächste Trauerfeier ist am 6. Oktober

An diesem Dienstag Vormittag waren dies konkret in Stuttgart Verstorbene, die zwischen 50 und 100 Jahre alt geworden sind und zwischen November 2019 und dem 20. Mai verstorben sind. Sie sind nur ein Teil von jenen, die jährlich anonym in Urnen bestattet werden ohne jegliches Zeremoniell. In Stuttgart waren dies 2018 insgesamt 412 Personen, 2019 waren es 425 und 2020 bis jetzt 246. Der Anonymität entsprechend gibt es dazu keine öffentlich genannten Termine und keinerlei religiöse Begleitung. Für die Gemeindemitglieder christlicher Kirchen, die unbedacht verstorben sind, soll es immerhin künftig jährlich vier solche Trauerfeiern geben, die nächste am 6. Oktober.

Viel Solidarität mit den Unbedachten

Da wird dann auch wieder das Stuttgarter Chörle dabei sein, das seit vielen Jahren jene Menschen auf ihrem letzten Gang begleitet, an die sich niemand erinnert. Entsprechende Hinweise von unbekannten Verstorbenen oder von jenen, deren Nachkommen sich nicht melden, bekommt sie von den Kirchen und der Stadt. 2010 hat die Kirchenmusikerin Sabine Ostmann dieses Ensemble ins Leben gerufen, 2019 bekam das Chörle für dieses Engagement den Stuttgarter Bürgerpreis. Nach 43 Berufsjahren im Stuttgarter Kirchenwesen empfindet Ostmann viel Solidarität mit den Unbedachten, beschreibt sie als Triebfeder ihres Engagements und das der etwa 50 Chormitglieder, die in wechselnder Gesangsstärke zu diesen Anlässen zusammenkommen. Allerdings klagt Ostmann auch, dass seit Juli 2018 der Chor nicht mehr für solche Anlässe kontaktiert worden sei.

Jetzt im Waldfriedhof hat das Chörle mit drei Beiträgen aus dem Taizé-Liederschatz für einen sehr feierlichen Rahmen gesorgt, begleitet von Ostmann an der Orgel. Vielleicht ist das ja ein guter Auftakt für eine neue gemeinsame Form des Trauerns. Ostmann hat jedenfalls noch viele Ideen, wie solch ein ökumenischer Anlass noch differenzierter gestaltet werden könnte.