Überführung B10 bei Deizisau Foto: TransportTechnologieConsult - TransportTechnologieConsult

Für den Radschnellweg von Reichenbach nach Stuttgart gibt es nun eine empfohlene Trasse. Fünf Brücken sind nötig. Die Kosten werden auf 60 Millionen Euro geschätzt.

Kreis EsslingenDie Idee eines Radschnellwegs von Reichenbach nach Stuttgart ist ihrer Realisierung einen großen Schritt näher gekommen. Landrat Heinz Eininger hat am Freitag die Empfehlungsvariante vorgestellt. Sie ist das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie, die das Kreis-Straßenbauamt und ein Frankfurter Fachbüro in Zusammenarbeit mit den Kommunen erstellt haben, auch Stuttgart und der Kreis Göppingen wurden gehört. Die Studie empfiehlt eine Trasse mit fünf neuen Brücken und zwei Unterführungen. In Esslingen teilt sich der Radschnellweg in zwei Äste auf: einer führt durch die Hindenburgstraße, der andere am Neckar entlang. Eine erste Kostenschätzung geht von 60 Millionen Euro für die etwa 20 Kilometer lange Strecke aus. Prinzipiell hat sich das Land bereit erklärt, für dieses Pilotprojekt die Baulast zu übernehmen.

Radanteil verdoppeln

In einer Region, die unter ihrer Verkehrslast stöhnt, könnte der Radschnellweg eine Alternative zu bestehenden Verkehrsformen sein, glaubt Landrat Eininger: „Wir hoffen, gerade in Verbindung mit Elektrofahrrädern, viele Menschen zum Umstieg motivieren zu können.“ Der Radweg soll insbesondere für Berufspendler interessant sein, aber keine Rad-Autobahn werden, betont Thorsten König, Leiter des Straßenbauamtes. Der Vorzug des Schnellwegs sei nicht das hohe Tempo auf der Strecke, sondern eine gute Durchschnittsgeschwindigkeit, weil der Weg weitgehend höhenfrei sein soll und der Radfahrer nicht an jeder Ampel warten muss, sondern bevorrechtigt ist. Hindernisse zu beseitigen, kostet Geld. Bei den Bewertungskriterien spielten die Kosten für die Gutachter jedoch eine untergeordnete Rolle: Sie wurden nur zu zehn Prozent gewichtet. Entscheidend war laut Eininger das Verlagerungspotenzial. Von der Empfehlungsvariante erwartet man, dass sie den Anteil der Radler am Verkehr von sechs auf elf bis zwölf Prozent erhöht, also fast verdoppelt.

Die vier Hauptvarianten, die auf dem Tisch lagen, führten entweder durch die Ortschaften durch oder lagen an Neckar und Fils. Nun wird eine Kombination favorisiert, für Esslingen sogar eine sechs Kilometer lange doppelte Führung empfohlen. Die Route durch die Innenstadt sei von der Stadt gewünscht worden, berichtet Paul Fremer, Chef des Fachbüros RV-K. Der Landkreis wollte die Strecke entlang des Neckars. Gegen diese hat man in Esslingen aber Bedenken, weil sie durch den geplanten Neckarpark führt. Das wurde Anfang der Woche im Technischen Ausschuss des Gemeinderats deutlich artikuliert. Eininger kommentierte das relativ gelassen: „Diese Bewertung kann nur der Gemeinderat machen.“ Es werde aber eine echte Herausforderung, wenn beispielsweise in der Kiesstraße den Autos eine Spur genommen und diese für Busse und Radler reserviert werde.

Von Fußgängern getrennt

Einen „moderaten Ausbau“ des Radwegs am Esslinger Neckar hält Thorsten König als Zweitstrecke für nötig. Die Reaktionen auf der Radschnellweg-Homepage zeigten, dass viele Radfahrer nicht in die Stadt hinein wollten. Auf dieser Strecke seien jetzt schon 2000 bis 3000 täglich unterwegs. Man müsse im Neckarpark aber Radverkehr und Fußgänger trennen, weil die Naherholung dort wichtig sei.

Komplexe Situationen und Interessenkonflikte gibt es nicht nur in Esslingen. In Reichenbach, wo der Radschnellweg beginnt, scheint man sich einer Lösung genähert zu haben. Von Ebersbach her radelt man entlang der Landesstraße in den Ort hinein. Die Radfahrer sollen sich die Ortsdurchfahrt, die alte B 10, gleichberechtigt mit den Autofahrern teilen. „Das erfordert ein Umdenken“, sagt König, aber in Reichenbach biete sich das an, weil Autofahrer eine leistungsfähige Umgehung hätten.

Elegant über den Neckar

Am Plochinger Dreieck macht der Radweg einen kurzen Schwenk neckaraufwärts. Damit gehen die Gutachter auf den Wunsch Plochingens ein, den Schnellweg nicht durch den Bruckenwasen zu führen. Andererseits erleichtert dieses Eck den Einstieg aus Richtung Wernau auf den Radschnellweg.

Das erste größere Bauwerk ist eine Überführung auf Höhe des Coca-Cola-Werks, die über die B 10 hinweg zum Rheinkai führt. Kurz darauf, auf Höhe des Deizisauer Freibads, könnte das Vorzeigeobjekt des Schnellwegs entstehen: eine elegante Schwanenhals-Brücke über den Neckar, die auch Fußgängern den Weg zum Altbacher S-Bahnhof erleichtert. Auf fünf Millionen Euro wird allein diese Brücke geschätzt. Grundsätzlich habe man aber nur funktionale Bauwerke geplant, betont König.

Der Weg führt am Kraftwerk vorbei durchs Altbacher Industriegebiet. Die Gutachter empfehlen dann – im Naturschutzgebiet – eine neue Brücke über den Altneckar zu bauen, um den gefährlichen Weg durch die Recyclinganlage zu umgehen. Erste Gespräche mit den Naturschützern haben stattgefunden. Hinter der Brücke kommt die Esslinger Gabel. Der neue Weg führt Richtung Bahngleis und quert dieses am Ortsende von Zell, um die Hindenburg-Fahrradstraße anzusteuern. Die zweite Strecke entlang des Neckars ist erst kürzlich saniert worden und soll vorerst so bleiben.

Als Zeithorizont hatte die Landesregierung mal das Jahr 2015 genannt. Man müsse den Radschnellweg nicht auf einen Rutsch bauen, sagt Landrat Eininger. Er rechnet damit, dass zunächst von Stuttgart her begonnen wird, weil dort das erschließbare Potenzial höher ist. Der erste Abschnitt könne beispielsweise mit der Deizisauer Brücke enden.

Hier finden Sie Routen und geplante Bauwerke.