Wout Van Aert feiert seinen Etappensieg. Foto: AFP/PHILIPPE LOPEZ

Auf der 11. Etappe der Tour de France hat sich am Mittwoch der Belgier Wout Van Aert den Tagessieg geholt. Tadej Pogacar verteidigte derweil sein Gelbes Trikot.

Malaucene - Tadej Pogacar hat auch in der Mondlandschaft des mythischen Mont Ventoux die Konkurrenz beherrscht und den nächsten großen Schritt zum erneuten Tour-Sieg gemacht. Beim beeindruckenden Sieg von „Schwergewicht“ Wout Van Aert auf der brutalen doppelten Kletterpartie am kahlen Riesen der Provence baute der 22 Jahre alte Titelverteidiger seinen Vorsprung in der Gesamtwertung deutlich aus - musste allerdings erstmals einen Rivalen am Berg ziehen lassen.

„Mir fehlen die Worte. Ich hätte nicht erwartet, dass ich diese Etappe gewinnen kann, da hätte ich vor der Tour nicht drauf gesetzt“, sagte Van Aert bei Eurosport: „Das ist ein so ikonischer Anstieg. Vielleicht ist das mein bester Sieg überhaupt.“

Alleskönner Van Aert

Der Slowene Pogacar erreichte nach der rasenden Abfahrt vom berüchtigten 1910 m hohen Gipfel mit einem Rückstand von 1:38 Minuten auf den Sieger das Ziel der elften Etappe der 108. Tour de France. Und dieser war nach 198,9 km in Malaucene ein ganz bemerkenswerter.

Der belgische Alleskönner Van Aert (Jumbo-Visma), der mit 1:14 Minuten Vorsprung auf den Franzosen Kenny Elissonde gewann, hatte sich am Vortag im Sprint von Valence als Zweiter nur knapp dem britischen Blitz Mark Cavendish geschlagen geben müssen. Nun düpierte er mit seinen rund 80 kg alle Kletter-Asse.

Pogacar führt unangefochten

In der Gesamtwertung führt Pogacar mit 5:18 Minuten auf den Kolumbianer Rigoberto Uran. Dritter ist der junge Däne Jonas Vingegaard (5:32). Der Teamkollege Van Aerts hatte mit dem Mann im Gelben Trikot kurz vor der zweiten Gipfelpassage am Ventoux attackiert und sich schließlich von Pogacar abgesetzt - auf der Abfahrt fuhr dieser aber wieder heran. Der bisherige Zweite Ben O’Connor (Australien) fiel deutlich zurück.

Nur noch ein Sturz oder ein kapitaler Einbruch in den Pyrenäen kann Wunderkind Pogacar wohl davon abhalten, jüngster Doppelchampion der Tour-Geschichte zu werden. Zumindest letzteres scheint nach den bisherigen Auftritten des UAE-Kapitäns unwahrscheinlich.

Außergewöhnliche Strecke

Mit der Etappe hatten die Organisatoren für ein Novum in 118 Jahren Tour-Geschichte gesorgt. Erstmals wurde der Ventoux gleich zweimal über unterschiedliche Routen überquert. Auch wenn das Ziel nicht auf dem Gipfel, sondern im Talort Malaucene lag, war es eine außergewöhnliche Schinderei.

„Ob wir jetzt vorher einen anderen Berg hochfahren oder zweimal den Ventoux, macht im Endeffekt keinen Unterschied - für die Fans ist es spektakulär“, sagte der deutsche Kletterer Emanuel Buchmann, der erneut auf einen Angriff verzichtete und Bora-Kapitän Wilco Kelderman unterstütze: „Ich fühle mich nach den Regenetappen der Alpen noch nicht so gut.“

Tony Martin gibt auf

Pogacar war vor der Schlüsseletappe erneut mit der Frage konfrontiert worden, ob und wie ein Radprofi seines Alters derartige Leistungen sauber vollbringen können. „Ich habe sie beantwortet und auch Fakten geliefert“, sagte Pogacar mehr treuherzig als genervt: „Ich weiß nicht, was ich sonst noch tun kann, um meine Unschuld zu beweisen.“.

Für Tony Martin fand indes eine völlig verkorkste Tour der Leiden ein jähes Ende. Der viermalige Zeitfahrweltmeister, 2009 Etappenzweiter am Ventoux, kam nach rund 30 km auf gerade Strecke zu Fall. Der 36-Jährige saß mit blutüberströmten Beinen im Straßengraben und kletterte schließlich in einen Krankenwagen. „Das war wirklich ein schlimmer Start für uns. Ich glaube, Tony hat ein paar Zähne verloren“, sagte Frans Maassen, Sportlicher Leiter beim Team Jumbo-Visma.

Martin war schon auf der ersten Etappe schwer gestürzt, als er mit dem Pappschild einer Zuschauerin kollidierte, was einen Massencrash auslöste - der starke Auftritt seines Jumbo-Teams entschädigte nun wenigstens etwas.