Kriminaltechniker vor der Ort des dringend Tatverdächtigen Foto: dpa/Thumilan Selvakumaran

Nach dem gewaltsamen Tod zweier Seniorinnen im Kreis Schwäbisch Hall nehmen Ermittler einen 31-jährigen Mann fest. Steht er auch noch mit anderen Verbrechen in Verbindung?

Mord, Totschlag und versuchter Raub: Das sind die Tatvorwürfe gegen einen 31 Jahre alten Serben, den rund ein Dutzend Spezialeinsatzkräfte am Dienstagvormittag im Schwäbisch Haller Stadtteil Tullauer Höhe festgenommen haben. Der Mann stehe in dringendem Verdacht, vergangene Woche eine 89-Jährige in Michelbach an der Bilz (Landkreis Schwäbisch Hall) sowie im vergangenen Dezember eine 77-Jährige im nur wenige Kilometer entfernten Schwäbisch Hall getötet zu haben. Mitte Januar dieses Jahres soll er außerdem im nahe gelegenen Ilshofen einen 83 Jahre alten Mann an seiner Wohnung überfallen, mit einer Waffe bedroht und Geld gefordert haben. Am Mittwochmorgen wurde der Beschuldigte dem Haftrichter vorgeführt und in eine Justizvollzugsanstalt eingeliefert.

Staatsanwaltschaft Heilbronn und Polizeipräsidium Aalen luden nach dem Fahndungserfolg eilends zur Pressekonferenz. Nach der Serie von Tötungsdelikten an drei älteren Frauen war der Druck auf die Ermittler immens geworden. Alleinstehende Seniorinnen, von denen in der Wohnsiedlung Tullauer Höhe aus den 1970er Jahren viele leben, hatten Angst, am Abend auf die Straße zu gehen.

Phantombild verhalf Ermittlern zum Erfolg

„Nach mehreren Wochen der Ungewissheit und der Verunsicherung in der Bevölkerung“, eröffnet der Aalener Polizeipräsident Reiner Möller die Pressekonferenz mit der „wichtigen und erfreulichen Nachricht“ der Festnahme. Der 31-Jährige soll kurz vor Weihnachten 2022 eine 77-Jährige in ihrer Wohnung im Haller Wohngebiet Tullauer Höhe getötet haben. Als am 25. Januar eine 89-jährige Seniorin im Nachbarort Michelbach an der Bilz (Kreis Schwäbisch Hall) umgebracht wurde, betraute das Polizeipräsidium Aalen die im Haller Fall eingesetzte Soko „Höhe“ auch mit diesen Ermittlungen und stockte sie von 50 auf 75 Beamte auf. Als wichtiges Puzzlestück bei der Fahndung entpuppte sich das Phantombild, das nach den Beschreibungen eines Raubopfers aus Ilshofen (Kreis Schwäbisch Hall) erstellt wurde: Dort soll der Beschuldigte am 25. Januar einen 83-jährigen Mann an dessen Haustüre überfallen, ihn mit einer Schusswaffe bedroht und Bargeld gefordert haben. Als das Opfer um Hilfe rief, ließ der Täter von ihm ab und flüchtete. Die Fahndung mit einem Polizeihubschrauber blieb damals ergebnislos.

„Die Soko hat rund um die Uhr ermittelt“, versichert Polizeipräsident Möller. 350 Spuren und Hinweise seien eingegangen und, das darf aus seinen Worten gefolgert werden, alle ermittlungstechnischen Register gezogen worden. Das Landeskriminalamt sei mit allen Fachrichtungen und Spezialisten des kriminaltechnischen Instituts eingebunden gewesen. Lob kommt vom baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl (CDU). Unter hohem Druck habe die Soko herausragende Arbeit geleistet. „Insbesondere das Zusammenspiel sorgfältiger Ermittlungsführung und modernster Kriminaltechnik war der Schlüssel zum Erfolg.“

Laut Soko-Leiter Jörg Meinhardt habe man in Michelbach an der Bilz Beweismittel und eine Tatwaffe mit männlicher DNA sichergestellt: „Diese konnte dem Tatverdächtigen zugeordnet werden.“ Auf die Frage, ob der Kauf des Tatwerkzeugs zur Identifizierung geführt habe, sagt Meinhardt: „Da würde ich nicht widersprechen.“ Worum es sich bei dem Tatwerkzeug handelt, verriet die Polizei am Mittwoch nicht.

Im Fall der im Dezember 2022 in Schwäbisch Hall getöteten Seniorin sei die Beweislage ebenfalls durch DNA-Spuren gesichert, die mit denen in Michelbach identisch sind: „Es gibt übereinstimmende Spurenbilder an den Tatorten.“ Die beiden Taten, das wird klar, stehen in Verbindung. Eine detaillierte Schilderung der Festnahme will Meinhardt „aus ermittlungstechnischen Gründen“ nicht machen. Der mutmaßliche Täter habe aber keinen Widerstand geleistet.

Verdächtiger kam mit Frau und zwei Kindern nach Deutschland

Ebenfalls nur magere Auskünfte gibt Oberstaatsanwalt Harald Lustig zum Festgenommenen. Der 31-Jährige mit serbischer Staatsangehörigkeit habe angegeben, im Dezember 2022 mit Frau und zwei Kindern nach Deutschland eingereist zu sein. „Wie lange er sich in Schwäbisch Hall aufhielt, ist Gegenstand der Ermittlungen.“ Die Frau sei befragt worden und halte sich mit den Kindern derzeit noch in Deutschland auf.

Warum ist der Mann nach Deutschland eingereist? Ist er bereits in seinem Heimatland straffällig geworden? Wusste seine Frau von seinen Taten? Gibt es Erkenntnisse über Kontaktpersonen? Antworten darauf sollen weitere Ermittlungen bringen. Könnte eine kriminelle Bande hinter den Taten stecken? Auf diese Frage wird Lustig deutlich: „Wir gehen von einem Einzeltäter aus.“ Der Beschuldigte habe bisher keine Angaben zu den Tatvorwürfen gemacht. Das Motiv scheint zumindest im Fall der vor Weihnachten 2022 in Schwäbisch Hall getöteten Seniorin klar: „Hier ist das Mordmerkmal Habgier gegeben.“ Der Tatverdächtige habe einen Geldbetrag im „unteren, mittleren dreistelligen Eurobereich“ erbeutet. Gegenstand der Ermittlungen sei nun die Frage, ob auch in Michelbach Geld erbeutet wurde. In diesem Fall würde es sich hier nicht mehr um Totschlag, sondern um Mord handeln.

Ermittler gehen von Einzeltäter aus

Unklar bleibt, ob der Festgenommene auch für den Tod der 94-jährigen Brauereierbin Elfriede Huchler verantwortlich ist, deren Leiche am 14. Oktober 2020 in ihrer Penthouse-Wohnung eines Hochhauses ebenfalls im Haller Stadtteil Tullauer Höhe entdeckt wurde. Auch hier stellte die damals eingesetzte Soko „Ring“ DNA-Spuren sicher. Führen diese zu dem Festgenommenen? „Die Auswertungen liegen noch nicht vor“, antwortet Polizeipräsident Möller ausweichend. Es gebe unterschiedliche Qualitätsstufen bei DNA, je nachdem könne die Auswertung direkt oder aufwendig sein. Zu diesem Zeitpunkt will sich der Festgenommene nach eigener Aussage noch nicht in Deutschland aufgehalten haben.

Erleichterung auf Haller Tullauer Höhe

Dass Angst und Schrecken nun vorüber sind, hoffen die Menschen, die auf der Haller Tullauer Höhe wohnen. Am Mittwoch zur Mittagszeit sind die Straßen wie ausgestorben. Ein Bus ohne Passagiere fährt vorbei. Friederike B., 60, die in direkter Nachbarschaft zur Wohnung des Festgenommenen lebt, verlässt das Haus. Erst mag sie nichts sagen, nimmt die Nachricht über den Fahndungserfolg dann aber mit Erleichterung entgegen: „Ich habe zuletzt immer die Wohnung abgeschlossen, auch wenn ich nur zum Mülleimer rausgegangen bin.“ Sie selbst habe sich nicht bedroht gefühlt, kenne aber viele ältere Frauen, die sich nicht mehr allein zum Spaziergang getraut haben.

„Dass sie ihn haben, darüber sind wir alle froh“, sagt auch Eva K., 61, die auf dem Parkplatz des Supermarkts ihren Wagen belädt und in der Nähe wohnt: „Abends bei Dunkelheit habe ich immer nach hinten geschaut, ob mir jemand folgt.“

Laut Marta B., 86, die um die Ecke zur Täterwohnung lebt, ist die Festnahme seit der Meldung im Radio am Morgen das bestimmende Thema im Wohngebiet: „Das sind ja wirklich gute Nachrichten.“