Mit Kaffee und einem Grinsen: Jamal Musiala am Dienstag in Frankfurt. Foto: imago//Gerhard Schultheiß

Edeltechniker Jamal Musiala hat eine Botschaft: Vor den letzten Länderspielen des Jahres fordert der Offensivmann des FC Bayern mehr Unterstützung durch die Schiedsrichter ein.

Jamal Musiala (21) kommt mit einem Kaffeebecher in der Hand und einer Botschaft im Kopf auf das Pressepodium. Alles scheint gerade gut zu laufen beim Juwel des deutschen Fußballs. Der Offensivmann des FC Bayern trifft inzwischen sogar mit dem Kopf, er schießt Tore satt. Sein Marktwert liegt bei knapp 130 Millionen Euro, dem jungen Mann steht die Welt offen. Verlängerung des bis 2026 laufenden Vertrags beim FC Bayern oder der Wechsel zu einem anderen großen Club? Das ist die große Frage und die luxuriöse Ausgangssituation für eines der größten Versprechen des Weltfußballs – das aber ein kleines Problem hat.

So berichtet Musiala am Dienstag in den Räumlichkeiten des DFB-Campus in Frankfurt davon, dass er sich mehr Schutz durch die Schiedsrichter wünsche. „Wenn die Mannschaften drei, vier Mal hart reingehen können, bevor sie eine Gelbe Karte sehen, wird das jeder machen“, sagt der Jungstar der Nationalelf vor den Partien in der Nations League am Samstag (20.45 Uhr/RTL) in Freiburg gegen Bosnien-Herzegowina und drei Tage später in Budapest gegen Ungarn (20.45 Uhr/ZDF).

Fakt ist: Musiala gehört zu den zehn meistgefoulten Spielern der Bundesliga und wird auch international oft hart angegangen. Er rede darüber auf dem Platz mit den Unparteiischen, so sagt das Musiala nun: „Die versuchen, ihr Bestes zu geben, aber wenn ich zu viele Fouls bekomme, sage ich das.“

Der schmale Grat

Es ist ein sensibles, ein heikles Thema. Musiala ist sich des schmalen Grats, auf den er sich da begibt, bewusst. Denn als Jammerlappen will er im Fußballsprech und auf dem Platz nicht durchgehen – das würde so manchen Gegenspieler nur dazu animieren, ihn noch härter anzugehen. Also sagt Musiala in der Debatte in eigener Sache auch, dass er grundsätzlich nicht zu viel rummeckern wolle, „auch wenn es ein bisschen Spaß macht manchmal. Das ist Teil des Spiels, da muss man durchkommen.“ Wenn er merke, dass die Unterredungen mit den Referees nicht fruchten, gehe er auch mal „anders in die Zweikämpfe, da muss man cleverer sein und andere Lösungen finden“.

Der Edeltechniker Musiala, der junge Mann, der wie kein Zweiter Tempo auf engstem Raum aufnehmen und seine Gegner mit vielen Wacklern aussteigen lassen kann, gibt also den nüchternen Pragmatiker: Er will den Schutz durch die Schiedsrichter – wenn der aber nicht kommt, dann muss er eben anders in die nächsten Aktionen gehen und sich so durchkämpfen. Diese erwachsene Haltung ist es wohl, mit der der Jungstar Musiala in dieser Saison seine nächsten großen Schritte in seiner Karriere macht: Womöglich sind es sogar die entscheidenden.

Denn der neue Pragmatismus und die neue Reife sind nicht nur beim Umgang mit harten Gegnern zu beobachten, sondern auch bei Musialas Kerngeschäft: dem Entwickeln von Torgefahr. Die kreiert er einerseits durch Vorlagen – und in diesen Monaten auch immer mehr durch eigene Treffer.

Starke Bilanz

Auf neun Tore in 14 Pflichtspielen kommt der gebürtige Stuttgarter in dieser Saison. Was auch an den Tipps von Bayern-Trainer Vincent Kompany liegt. In seinen Gesprächen mit seinem Coach, so sagt es Musiala nun, sei dessen größter Punkt gewesen: „In die Box gehen für eine gute Position, für die einfachen Tore.“ Man müsse immer da sein, „wenn die Möglichkeit besteht, dass der Ball runterfällt“, ergänzt Musiala, „das hat Vini immer gesagt“.

Der Edeltechniker zieht also vermehrt in den Strafraum, er spekuliert. Und wenn er dann aus drei Metern den Ball über die Linie drückt, dann zählt das am Ende so viel wie ein Solo an fünf Gegnern vorbei oder ein Schuss aus 20 Metern in den Winkel. Dem Zauberer Musiala war so ein zielführender Realismus lange eher fremd, womöglich war er ihm sogar suspekt. Jetzt gehört er fix zu seinem Spiel. Weshalb der Zauberer sich längst auch zu einem Torjäger entwickelt hat. Musiala hat damit nicht weniger als ein Komplettpaket in eigener Sache geschnürt.

Diesen großen Entwicklungsschritt hat auch Julian Nagelsmann genau beobachtet. Früher leitete er Musiala noch beim FC Bayern an, heute tut er es bei der DFB-Elf. Der Bundestrainer betont nun, dass sein Schützling eine sehr große Bedeutung für seinen Club habe: „Das, was ich oft gesagt habe, dass er die absolute Gier, Tore zu erzielen, noch ein bisschen mehr hinkriegen könnte – das macht Jamal jetzt herausragend.“ Was für ein Potenzial Musiala habe, so Nagelsmann weiter, sei immer bekannt gewesen: „Jetzt kommt noch eine gute Seriosität und Geradlinigkeit dazu“.

Der kommende Weltfußballer?

Nicht verwunderlich ist es daher, dass der FC Bayern den Vertrag schnellstmöglich verlängern will. Dafür müssten die Münchner tief in die Tasche greifen und Musialas Gehalt vermutlich verdoppeln. Derzeit kassiert er rund acht bis neun Millionen Euro pro Saison. Doch egal, wo Musiala künftig spielt, ob beim FC Bayern oder bei einem anderen europäischen Topclub – viele Experten inklusive des Bundestrainers trauen es ihm zu, irgendwann Weltfußballer zu werden.

Der Gepriesene selbst geht mit diesen Vorschusslorbeeren gelassen um. Er umdribbelt sie elegant, wie die meisten seiner Gegenspieler. Musiala sagt, dass er generell versuche, nicht zu viel über sich zu lesen: „Ich mache mir darüber keinen Kopf.“

Das tut er derzeit höchstens über ein paar Grätschen der Gegner zu viel.