Der Tod eines psychisch kranken Mannes bei einem Polizeieinsatz hat in Mannheim starke Proteste ausgelöst. Der Mann hatte Migrationshintergrund. Foto: dpa/René Priebe

Was ist schief gelaufen bei dem tödlichen Polizeieinsatz Anfang Mai in Mannheim? Dieser Frage geht jetzt auch der Landtagsinnenausschuss nach. Viele Fragen sind aber noch offen.

Fast fünf Monate nach einem tödlichen Polizeieinsatz in der Mannheimer Innenstadt ist ein Ende der Ermittlungen noch nicht in Sicht. Bisher hätten sich die beiden an dem Einsatz beteiligten Polizisten gegenüber den Ermittlern nicht geäußert, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Romeo Schüssler bei einer Sitzung des Innenausschusses des Landtags. Allerdings hätten ihre Rechtsanwälte bis zum Ende des Monats Einlassungen angekündigt. Beide Beamte sind gegenwärtig suspendiert. Ihre Bezüge wurden allerdings nicht gekürzt. Er habe eine Vorverurteilung vermeiden wollen, sagte der Polizeipräsident Siegfried Kollmar.

Am 2. Mai war ein psychisch kranker Mann in der Mannheimer Innenstadt zusammengebrochen, als er von den Polizeibeamten gewaltsam in Handschellen gelegt wurde. Einem vor kurzem veröffentlichten Gutachten zufolge starb der 47-Jährige an einer „lage- und fixationsbedingen Atembehinderung mit Einblutung der Atemwege“. „Wir wissen jetzt, dass der Mann nicht bei, sondern wahrscheinlich durch einen Polizeieinsatz zu Tode kam“, sagte der grüne Landtagsabgeordnete Oliver Hildenbrand.

War der Mann schon im Revier?

Vieles andere liegt noch im Dunkeln. So geht die Mannheimer Staatsanwaltschaft davon aus, dass der Mann sich zunächst an das Zentralinstitut für Psychiatrie gewendet hatte, wo er in Behandlung war. Dort verschwand er aber wieder, um „bei der Polizei etwas zu klären“. Sein Arzt sei ihm daraufhin bis zum Innenstadtrevier gefolgt. Während der Mediziner die Polizei bat, den Mann wegen akuter Selbstgefährdung vorsorglich festzunehmen, sei dieser erneut getürmt. Unklar ist, ob er sich zuvor schon im Revier befunden hatte. „Auf diese Frage erwarte ich eine Antwort“, sagte der Mannheimer SPD-Abgeordnete Boris Weirauch.

In dem Fall habe das mit den Ermittlungen betraute Landeskriminalamt 70 Zeugen vernommen und 120 Videos gesichtet, sagte der Innenminister Thomas Strobl (CDU). „Wir haben die Videos zu einem Film über fast den kompletten Ablauf zusammenschneiden können“, sagte Schüssler. Gleichwohl bedauerte er, dass keine Videos aus den Bodycams der beteiligten Polizisten ausgewertet werden konnten. Die Geräte seien zwar mitgeführt, aber nicht eingeschaltet worden, sagte Schüssler. Der Grund ist unklar.

Immer mehr Einsätze mit psychisch Kranken

Strobl sicherte zu, dass die Polizei „als lernende Organisation“ ihre Schlüsse aus dem Fall ziehe. Der Umgang mit psychisch Kranken in Ausnahmesituationen sei schon lange Schwerpunkt in der Polizeiausbildung. In der Regel werde die Polizei aber erst gerufen, wenn sich die Menschen in einer Ausnahmesituation befänden. Die Beamten müssten ohne Kenntnis des Krankheitsbildes eingreifen.

Auch in Mannheim sind solche Fälle an der Tagesordnung. Allein in diesem Jahr hätten es die Beamten des Innenstadtreviers 737 Mal mit psychisch Kranken zu tun gehabt. 38 Mal war die Anwendung unmittelbaren Zwangs notwendig, neunmal auf offener Straße. „Die Zahlen haben sich gegenüber früher verdoppelt“, sagte Kollmar.