EsslingenIn den „Batman“-Comics ist er einer der Gegenspieler des Superhelden im Fledermauskostüm. Dennoch musste der Joker lange warten, ehe ihn Hollywood selbst zum Titelhelden machte. Ein klassisches Spin-off ist Todd Phillips‘ „Joker“ trotzdem nicht, denn der Regisseur hatte etwas Anderes im Sinn: „Ich liebe Jokers Komplexität und hatte das Gefühl, dass es interessant wäre, seine Herkunft in einem Film zu erkunden. Denn das hat noch keiner getan. Deshalb haben Scott Silver und ich das Bild eines komplexen und komplizierten Charakters gezeichnet und gezeigt. Das hat mich interessiert und nicht irgendeine weitere Joker-Geschichte, sondern die Geschichte, wie jemand zum Joker wurde.“ Dass Todd Phillips Film eher Erinnerungen an zwei andere Klassiker als an „Batman“ weckt, war kein Zufall, sondern Teil des Konzepts.
Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) will einfach nur dazugehören, doch in der düsteren Mega-Metropole Gotham City, in der das Gegeneinander mehr zählt als das Miteinander, ist er zum Außenseiter verdammt. Zuhause pflegt er seine kranke Mutter Penny (Frances Conroy), die ihn „Happy“ nennt und ihm rät, immer zu lächeln, auch wenn es knüppeldick kommt. Sein kärgliches Auskommen sichert er sich als Werbeclown. Wer Arthur begegnet, spürt sofort, dass er der geborene Loser ist. Als er wieder mal in einer finsteren Gasse von einer Jugendbande verprügelt wird, ist Arthur vollends am Boden – nur mit einem abenteuerlichen Psychopharmaka-Cocktail kann er sich aufrecht halten. Und die Hoffnung, dass sich sein Traum von einer Karriere als Stand-Up-Comedian jemals erfüllen wird, kann er sich ohnehin abschminken. Doch dann schenkt ihm sein Kollege Randall (Glenn Fleshler) eine Knarre, die Arthur ganz neue Möglichkeiten beschert, sich gegen die ständigen Demütigungen, die ihm auf Schritt und Tritt begegnen, zur Wehr zu setzen. Als er wieder mal im Clowns-Kostüm unterwegs ist und von ein paar Yuppies in der U-Bahn blöde angemacht wird, zieht er die Waffe und zeigt zum ersten, aber noch lange nicht zum letzten Mal, dass er nicht länger gewillt ist, sich alles bieten zu lassen. Als der respektlose Late-Night-Moderator Murray Franklin (Robert De Niro) auf ihn aufmerksam wird und Arthur als unlustigsten Komiker aller Zeiten der Lächerlichkeit preisgibt, nimmt das Unheil vollends seinen Lauf – und der Killer-Clown mit dem verstörend verzerrten Lachen bleibt nicht der Einzige, der „denen da oben“ zeigt, dass sie nicht alles mit ihm machen können …
Das Gotham City, durch das Todd Phillips seinen Titelhelden auf der Suche nach Zuneigung und Anerkennung taumeln lässt, ist mit viel Gespür fürs optische Detail inszeniert. Und mit Joaquin Phoenix hat der Regisseur einen Hauptdarsteller gefunden, der perfekt in die Rolle des traurigen Clowns passt, der seinen Gegenspielern das Lachen gefrieren lässt. Wenn Arthur Fleck nach unzähligen Demütigungen die Faxen dicke hat und sich blutig für alle Pein rächt, die man ihm zeitlebens zugefügt hat, fühlt man sich unwillkürlich an Filme wie „Taxi Driver“ oder „The King of Comedy“ erinnert. Dass Robert DeNiro in beiden die Hauptrolle gespielt hat, brachte ihm nun auch in „Joker“ eine Hauptrolle ein. Ob sich Todd Phillips jedoch einen Gefallen damit getan hat, sich bei zwei Klassikern dieses Kalibers zu bedienen, steht auf einem anderen Blatt. Denn deren eindringliche Wirkung vermag „Joker“ nie zu entfalten, weil vieles in diesem Film allzu abgekupfert wirkt.
Als Batman-Gegenspieler ist Joker eine feste Größe – nun verhilft ihm Regisseur Todd Phillips selbst zu Titel-Ehren. Doch so sehr sich Joaquin Phoenix in der Titelrolle auch müht – der Funke mag nicht so richtig überspringen. Das liegt auch an den allzu offensichtlichen Anspielungen auf zwei Kino-Klassiker, die vieles schon mal entschieden besser erzählt haben.