Berber Harry Neumann und Pflegehund Gonzo. Foto: Sabine Försterling - Sabine Försterling

Weil in den meisten Obdachlosenunterkünften Hunde nicht erlaubt sind, schlafen viele Berber selbst bei Eiskälte lieber draußen. Der Esslinger Tierschutzverein setzt sich dafür ein, dass in mehr Einrichtungen Tiere erlaubt sind.

EsslingenEin Hund lässt einen nie im Stich“. Und der Vierbeiner passte auch auf Harry Neumann und dessen geringfügiges Hab und Gut auf. Über 17 Jahre hatte der heute 53-Jährige auf der Straße gelebt, bis er Unterschlupf im Esslinger Berberdorf gefunden hat. Für die Fellnasen nehmen die Obdachlosen alles in Kauf, weiß Elfriede Cziesla, Vorsitzende des Vereins Bürger für Berber. Ein Hund ist bei der heute praktisch aussichtslosen Wohnungssuche aber nicht nur ein zusätzliches Hemmnis. Da es in den meisten Unterkünften verboten ist, ein Tier mitzubringen, übernachten die Obdachlosen oftmals auch bei klirrender Kälte draußen. Davon kann Harry Neumann ein Lied singen. Der 53-Jährige hatte schon immer Hunde und ist mit den treuen Gefährten durch ganz Deutschland gezogen. Er kenne nur in ein paar Städten wie zum Beispiel in Husum oder Schwäbisch Hall Übernachtungsmöglichkeiten, bei denen Vierbeiner willkommen sind. Dabei hätten fast alle Berber einen Hund. Neumann stellt übrigens eines klar: Er sei Berber und keine Stadtratte. So werden in der Szene nämlich Alkohol- oder Drogenabhängige bezeichnet, die sich ausschließlich im Dunstkreis einer Stadt aufhalten.

Betteln für den Tierarzt

Vor sieben Jahren hatte der 53-Jährige mit „Gero“, einem Collie-Husky-Mischling, Obdach im Esslinger Berberdorf gefunden. Dort dürfen nur drei Obdachlose mit ihren vierbeinigen Begleitern in die rund 20 Plätze umfassende Hütten einziehen, und Neuanschaffungen eines Hundes sind verboten. Aus gesundheitlichen Gründen konnte Neumann jedoch in letzter Zeit den ausgiebigen Bewegungsdrang seines Gefährten nicht mehr nachkommen und gab ihn in gute Hände ab.

Ohne Fellnase konnte der Berber aber nicht sein und hütet daher nun häufig „Gonzo“, den fünfjährigen, äußerst gelassenen und gutmütigen Cane Corso eines guten Bekannten. „Hunde sind die besten Kumpel und bedeuten alles“, schwärmt Neumann: Sie sind Ansprechpartner, spenden Wärme und geben Halt. Und die Vierbeiner passen nachts auf Herrchen und tagsüber auch mal nur auf die Habseligkeiten auf. In der Berberszene weiß man auch immer, wo es wieder Welpen gegeben hat, und sei es auf einem Bauernhof. Für Futter und Tierarztkosten werden laut Neumann „Sitzungen“ abgehalten. Sprich, auf der Straße gebettelt. In Esslingen muss das nicht sein. Der Verein Bürger für Berber gibt für Bedürftige Berechtigungsscheine aus, mit denen man mit seinem Tier zum Tierarzt gehen kann. Und das Tierheim ruft immer wieder wie jüngst zu Spenden für Obdachlose nebst ihren Hunden auf. „Wir waren von der großen Resonanz regelrecht überwältigt“, erzählt Manuela Eberspächer, Vorstandsmitglied des Tierschutzvereins. Neben Hundefutter gab es auch Schlafsäcke, Schals, Mützen, Pullis und Schuhe bis hin zu Kosmetikartikeln und Süßigkeiten. Die Spenden wurden an den bekannten Treffpunkten der Obdachlosen in der Stadt, im Berberdorf, im Verein Bürger für Berber und von der Tierrettung Mittlerer Neckar verteilt. Diese verteilt übrigens Tierfutter auch seit Sonntag vor der Vesperkirche in Nürtingen sowie im März vor der Vesperkirche in Esslingen und das ganze Jahr über ein Mal im Monat vor den Unterkünften.

Aufwärmen bei Bürger für Berber

„Wir fühlen uns Mensch und Tier auf der Straße verpflichtet“, sagt Manuela Eberspächer und fordert gemeinsam mit Elfriede Cziesla, dass Obdachlose auch ihre Hunde zum Übernachten mitnehmen können. Bei der Bahnhofsmission in Husum gab es Hundezwinger auf dem Hof, erzählt Neumann. Beim Verein Bürger für Berber können sich die Obdachlosen tagsüber in einer gemütlich eingerichteten Stube des Vereinshauses nicht nur aufwärmen und eine Mahlzeit zubereiten, sondern für die Hunde steht stets ein gefüllter Futter- und Wassernapf parat. Außerdem kann sich Herrchen wie Harry Neumann in der „Klamottenkiste“ von Kopf bis Fuß einkleiden. Die gut erhaltene Kleidung auch für Kinder kann übrigens jeder zu äußerst günstigen Preisen erwerben.

Harry Neumann wünscht sich sehnlichst, dass er endlich eine Wohnung findet, und verteilt überall Flyer. Ein fast aussichtsloses Unterfangen – auch wenn es inzwischen keinen eigenen Hund mehr gibt.

Kontakt: Verein Bürger für Berber, Eberspächerstraße 31, Telefonnummer: 0711/35 90 16