Die Schmetterlingen im Bauch lassen bei allen nach – aber es gibt Wege, wie man glücklich bleibt. Foto: imago//Vira Simon

Immer öfter suchen Paare eine Therapie auf, obwohl sie noch gar keine Probleme haben. Wie funktioniert das, und tut es den Partnerschaften wirklich gut? Das erklärt der Mannheimer Diplom-Psychologe Alexander Noyon.

Eine Therapiestunde für Paare, denen es eigentlich gut geht – das wird gerade für jüngere Paare mehr und mehr normal. Der Psychotherapeut Alexander Noyon von der Hochschule Mannheim spricht in dem Zusammenhang eher von Seminaren – „von Therapie spricht man nur, wenn man eine Heilung beabsichtigt“. Und: „Es wäre am besten, solche Seminare aufzusuchen, wenn Sie noch keine Probleme haben.“ Warum, erklärt er im Interview.

Herr Noyon, präventive Paartherapie – das klingt ein wenig nach übermäßiger Selbstbespiegelung. Sind diese Therapien wirklich notwendig?

Es ist eine Tatsache, dass die Qualität einer Partnerschaft – die am Anfang noch so erlebten Schmetterlinge im Bauch – in den ersten zehn Jahren einer Partnerschaft kontinuierlich abnimmt. Und Sie können durch keine Vorbereitung der Welt erreichen, dass Sie die Gefühlsintensität, die Sie in den ersten drei Monaten hatten, auch nach zehn Jahren noch haben. Aber Sie können das bremsen und gestalten. Und das gelingt mit präventiven Partnerschaftsseminaren.

Man bringt den Leuten sozusagen bei, dass die Romanze à la Hollywood nicht über Jahre hinweg anhält?

Es geht in diesen Seminaren tatsächlich unter anderem auch darum, zu desillusionieren, ein paar unpopuläre Botschaften loszuwerden. Das ist aber gleichzeitig ein Problem dieser Seminare: Glücklich verheiratete oder frisch verliebte Paare wollen das natürlich nicht hören und häufig auch gar nicht glauben.

Es geht also darum, die Erwartungshaltung anzupassen?

Genau. Und darum, Verantwortung zu übernehmen – das ist ein ganz zentraler Begriff in Partnerschaften. Viele Menschen sind frustriert, wenn es nach den ersten Monaten nicht mehr von alleine so super ist. Wenn man frisch verliebt ist, ist es kein Problem, Geschenke mitzubringen und aufmerksam zu sein. Aber nach zehn Jahren macht das niemand mehr so automatisiert, sondern es erfordert Mühe. Wenn wir das mal akzeptiert haben, können wir tatsächlich handeln.

Und was genau können wir dann tun?

Der renommierte Paarforscher John Gottman hat vier apokalyptische Reiter formuliert, die Beziehungen schnell zum Einsturz bringen, wie etwa beißende Kritik am anderen äußern. Ein Tipp für bessere Partnerschaften wäre also, die apokalyptischen Reiter umzukehren. Ein Beispiel: Wir alle kennen wahrscheinlich die Tendenz, bei Konflikten auf der Lauer zu liegen, um den anderen dabei zu ertappen, wie er wieder irgendeinen Scheiß macht und dann sagt, da hast du mich schon wieder gekränkt, ignoriert, und, und, und. Eine Gegenmaßnahme ist, zu versuchen, den anderen dabei zu erwischen, wie er etwas Gutes tut.

Das klingt einleuchtend. Was noch?

Häufig entstehen Probleme dadurch, dass Paare in einem Teufelskreis landen: Ich warte jetzt, bis du das und das tust, und erst dann benehme ich mich wieder positiv. Aber wenn das beide tun, kommt das Spiel nicht mehr in Gang. In der Logotherapie spricht man deswegen von der finalen Vorleistung. Das bedeutet, nicht darauf zu gucken, ob es der andere gerade richtig macht, sondern sich zu fragen, wie ich mich verhalten und welcher Partner ich sein will. Ein Hintergedanke ist: Wenn ich positiv in Aktion trete, tut der andere das vielleicht auch. Aber in erster Linie mache ich das, um mit mir selbst zufrieden sein zu können.

Haben Sie noch einen Tipp für Paare?

Viele Paare streiten sich um ein „wie war es wirklich?“. Dieser Streit ist komplett müßig. Zwei Partner erleben zwar dieselbe Situation, aber ihre Erlebnisse davon sind so unterschiedlich, dass es überhaupt keinen Sinn macht, sich auf eine Version einigen zu wollen. Je früher man es schafft, davon Abstand zu nehmen und das Ganze nach vorne zu richten – zu sagen: „was ich mir für die Zukunft wünsche, ist Folgendes“ –, desto eher wird man Erfolg haben.

Der Therapeut

Werdegang
Alexander Noyon hat Diplom-Psychologie an der Universität des Saarlandes studiert und zu Konflikten in Partnerschaften promoviert.

Professur
Seit 2007 ist Noyon Professor für Psychologie in der Sozialen Arbeit an der Fakultät für Sozialwesen der Hochschule Mannheim.