Die Kulissenschieber inszenieren Bertolt Brechts „Das Leben des Galilei“ in Ostfildern als Wissenschaftsthriller im Spannungsfeld von Freiheit und Macht, Glauben und Wissen. Die Theater-Enthusiasten zeigen, dass der literarische Klassiker höchst aktuell ist.
Ein Jahr lang haben die Kulissenschieber, ein Amateurtheater-Ensemble aus Ostfildern, an der Inszenierung von Bertolt Brechts Theaterstück „Das Leben des Galilei“ gearbeitet. Fasziniert haben die Theater-Enthusiasten dabei entdeckt, dass dieser literarische Klassiker – angesiedelt im 17. Jahrhundert, verfasst 1939 – nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat: „Es zeigt sich immer wieder, dass Themen nach Dekaden, Generationen oder Jahrhunderten wiederkehren“, so Spielleiter Tobias Metz, der die frische Bühnenfassung mit dem zehnköpfigen Ensemble entwickelt hat.
„‚Das Leben des Galilei‘ ist ein Stückweit auch ein Wissenschaftsthriller. Galilei war ein ganz toller Typ“, hält Tobias Metz mit seiner Begeisterung für den Universalgelehrten nicht hinterm Berg. „Das gilt doch auch heute: Die Wissenschaft forscht, nützt empirische Methoden, findet Sachen heraus – und trotzdem wird vieles in Frage gestellt. Glauben wir an die Klimakrise? Wie steht es um ‚alternative Fakten‘? Könnten Wissenschaftler auch bewusst die Unwahrheit veröffentlichen? Aus welchem Grund? Was ist richtig? Was ist falsch?“, erklärt Metz.
Die Thematik des Sehens ist das Leitmotiv
„‚Wir berichten von Galilei …‘ – schon mit diesem ersten Satz zeigt die Gruppe, dass jeder als Person, also mit all dem, wer und was er ist, in seine Rollen einsteigt“, erläutert der Spielleiter. Das überaus spielfreudige Ensemble hat sich für einen Theaterraum ohne Vorhang, ohne Hinter- oder Seitenbühne entschieden: Alle zehn Darsteller sind während der gut zweistündigen Vorstellung immer sichtbar und präsent. Die Zuschauer haben jeden Einzelnen permanent im Blick, wenn er in seine nächste Rolle schlüpft, die Requisiten bereitlegt oder auf seinen Einsatz wartet. Dabei kommentieren die Schauspieler die Situation im Vordergrund immer wieder auch durch kleine Gesten oder mimische Reaktionen.
Fein dosierte Komik dient ebenfalls der für Brecht typischen Verfremdung, wenn etwa Galilei seine Tochter barsch darauf hinweist, dass wissenschaftliches Beobachten und Interpretieren mehr bedeutet als bloß hinzuschauen: „Glotzen ist nicht Sehen.“ Die Thematik des Sehens zieht sich leitmotivisch durch Brechts Theaterstück, das auch danach fragt, ob man den Menschen die Augen öffnen will oder ob man lieber die Augen vor der Wahrheit verschließen möchte. „Da geht es um die Verantwortung, die die Wissenschaft hat. Und da geht es um Bildungschancen: Die Kirche hat den Menschen Bildung und Aufklärung lange bewusst vorenthalten, um sie klein und dumm zu halten“, erklärt Tobias Metz. Im Gegensatz dazu Galileo Galilei: Er veröffentlichte seine Erkenntnisse ausdrücklich in Italienisch, der Sprache der Handwerker, Kaufleute, Bürger und einfachen Leute.
Das Ensemble überzeugt durch Spielfreude
Die aus erfahrenen und neuen Mitspielern bunt gemischte Kulissenschieber-Truppe, deren Mitglieder zwischen knapp 30 bis 70 Jahre alt sind, überzeugt durch große Spielfreude und schöne Einfälle, wenn etwa das Ensemble die Konstellation am Sternenhimmel als lebendes Astrolabium auf der Bühne nachstellt: Wer dreht sich hier um wen? Mit ihrer gelungenen Inszenierung verbeugen sich die Spielerinnen und Spieler auch vor dem Forscher und Denker Galilei, der trotz Veröffentlichungsverbots und Inquisition an seiner unerschütterlichen Überzeugung festhielt, dass die Vernunft siegen wird.
„Das Leben des Galilei“ feiert am Samstag, 1. März, Premiere. Weitere Vorstellungen am 2., 14., 21. und 22. März, jeweils um 19.30 Uhr im Theater an der Halle (Ostfildern-Nellingen, Esslinger Straße 26). Karten über www.theater-esslingen-kulissenschieber.de