Vier Jugendliche aus NRW und Baden-Württemberg sind an Ostern wegen Terrorverdachts verhaftet worden. Angeblich sollten auch in Stuttgart Bomben hochgehen – was ist da dran? Die FDP fordert Aufklärung.
Wo genau in Stuttgart sollen Jugendliche einen islamistischen Anschlag mit Bomben geplant haben? Überrascht und beunruhigt über einen vertraulichen Bericht des nordrhein-westfälischen Innenministeriums hat sich am Freitag im Südwesten die FDP-Landtagsfraktion gezeigt. Julia Goll, innenpolitische Sprecherin der Liberalen, forderte eine Sondersitzung des Innenausschusses des Landtags. Innenminister Thomas Strobl (CDU) soll Informationen zur Verhaftung von vier Jugendlichen im Alter von 15 und 16 Jahren liefern. Pfingstruhe sei jetzt nicht angesagt.
Dass die Verhaftungen in Nordrhein-Westfalen am Osterwochenende wegen Terrorverdachts auch im Südwesten für Aufregung sorgen, liegt daran, dass unter den vier tatverdächtigen Jugendlichen auch ein 16-Jähriger aus Ostfildern (Kreis Esslingen) ist. Gegen ihn ermittelt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ebenfalls wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.
Erstmals wird auch Stuttgart als Ziel erwähnt
Zusätzliche Aufregung gibt es nun, weil die Jugendlichen laut einem vertraulichen Bericht des NRW-Innenministers Herbert Reul (CDU) nicht nur Dortmund, Düsseldorf, Köln oder Iserlohn als möglichen Tatort ins Auge gefasst haben sollen – sondern auch Stuttgart. Dabei ist aber unklar, wie konkret das alles gewesen sein soll. Denn einen wirklichen Anschlagsplan mit Zeit und Ort hat es Sicherheitskreisen zufolge nicht gegeben. Die Jugendlichen hätten sich vielmehr auf einen Anschlag mit Brandsätzen und Messern konzentriert. Hinweise auf ernsthafte Vorbereitungen eines Bombenanschlags – etwa entsprechende Bauteile – wurden bei der Verhaftung allerdings nicht gefunden.
Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft macht zu ihren Erkenntnissen und den angeblichen Plänen des 16-Jährigen aus Ostfildern keine Angaben: „Zum einen aus ermittlungstaktischen Gründen, zum anderen, weil es hier um Jugendstrafrecht geht“, sagt Staatsanwaltssprecher Patrick Fähnle. „Wir können nur sagen, dass sich der Beschuldigte weiterhin in Untersuchungshaft befindet.“
Ministerium: Abstrakte Gefahr unverändert hoch
Auf die Spur der Gruppe war das Bundesamt für Verfassungsschutz gekommen, dem eine 16-Jährige aus Iserlohn aufgefallen war. Die Jugendliche hatte sich Propagandamaterial der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) heruntergeladen und habe nach Syrien ausreisen wollen, heißt es. Über ihre Handydaten kamen die Ermittler auf eine Chatgruppe, die über Anschläge auf christliche Kirchen und Polizeiwachen debattierte. Die Jugendliche soll sich zudem Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff heruntergeladen haben. Zur Gruppe sollen noch ein 15-Jähriger aus Lippstadt und eine 15-Jährige aus Düsseldorf gehören.
Was weiß nun aber das baden-württembergische Innenministerium über die Stuttgarter Spur? „Zum konkreten Verfahren können wir keine Auskünfte geben, das ist Sache von Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf und Staatsanwaltschaft Stuttgart“, sagt Carsten Dehner, Sprecher des Innenministeriums, auf Anfrage unserer Zeitung. Seit einiger Zeit beobachte das Landesamt für Verfassungsschutz, dass sich besonders junge Menschen online vernetzten und wechselseitig radikalisierten. In den vergangenen zwei Jahren seien zahlreiche Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren aufgefallen, die sich in Social-Media-Kanälen mit Jihad-Propaganda, Anschlagsfantasien und Ausreiseplänen beschäftigten – „ein globaler Trend“.
„Alarmierender Trend“ zu islamistischen Chat-Gruppen
„Wir wissen, dass die Gefahr von Anschlägen durch Angehörige der islamistischen Szene unverändert hoch ist“, so Innenminister Thomas Strobl am Freitag. Auf die Forderung einer Sondersitzung ging er zunächst nicht ein. „Die Sicherheitsbehörden sind wachsam, und unsere Wachsamkeit ist begründet.“
Landesweit werden etwa 4000 Personen dem islamistischen Extremismus zugerechnet. Die Zahl der sogenannten Gefährder liege nach Schätzung des baden-württembergischen Innenministeriums „im mittleren zweistelligen Bereich“. Der Trend zu Chat-Gruppen, in denen islamistische Gewalttaten verherrlicht und Anschlagspläne gegen sogenannte „Feinde des Islam“ diskutiert werden, ist aus Sicht der Verfassungsschützer „alarmierend“. Die tatsächliche Größe dieser Netzwerke von Jugendlichen lasse sich aber nicht abschließend einschätzen.