Raumgreifend in Paris: Elina Switolina Foto: imago//JB Autissier

Die Tennisspielerin Elina Switolina schreibt bei den French Open in Paris ein Mamamärchen. Es ist zudem eine Wohlfühlgeschichte in einem Turnier der Kontroversen.

Als Elina Switolina Anfang April, rund ein halbes Jahr nach der Geburt ihrer Tochter Skai, zum WTA-Turnier im amerikanischen Charleston antrat, gab es das erwartbare Ergebnis. Mama Switolina verlor ihr Auftaktmatch gegen die Kasachin Julia Putintsewa. Es folgten Challenger-Wettbewerbe im schweizerischen Chiasso und in Oieras in Portugal, auch mit überschaubarem Erfolg für die beste ukrainische Tennisspielerin der vergangenen Jahre. Ende April, beim Masters in Madrid, ging die ehemalige Weltranglistendritte noch als Nummer 1088 der Bestenwertung an den Start, in Runde eins war erneut Endstation. „Ich hatte mich auf ein langes, schweres Comeback eingerichtet. Niemand hatte auf mich gewartet, niemand schenkt dir ja etwas“, sagt Switolina (28).

„Wie ein einziger Traum“

Und nun? Ist Switolina nichts weniger als die große Wohlfühlgeschichte der Offenen Französischen Meisterschaften 2023. „Das Mamamärchen“ titelte Frankreichs Sportbibel „L’Equipe“ bereits zum Sensationslauf der couragierten Rückkehrerin, der am Sonntagabend vorerst im Viertelfinaleinzug gegen die Geheimfavoritin Daria Kasatkina aus Russland gipfelte.

„Ich bin jetzt schon überglücklich. Das ist wie ein einziger Traum, diese ganzen Siege“, sagt Switolina. Beim ohnehin von politischen Kontroversen und Scharmützeln jenseits der Courts überschatteten Grand-Slam-Spektakel wartet jetzt die nächste brisante Partie – zwischen der Ukrainerin Switolina und der Belarussin Aryna Sabalenka, der Nummer zwei der Weltrangliste.

Die war nicht nur wegen ihrer Siege auf den Ascheplätzen in den Fokus gerückt, sondern auch wegen der zweimaligen Absage der offiziellen Pressekonferenz. Nachdem Sabalenka in der ersten Turnierwoche von einer ukrainischen Journalistin zu ihrer Haltung zum Angriffskrieg gegen die Ukraine, aber auch zu ihrer mutmaßlichen Nähe zum belarussischen Diktator Lukaschenko angegangen worden war, fielen weitere Frage-und-Antwort-Termine kurzerhand aus. Sabalenka fühle sich „nicht sicher“ im offenen Journalistengespräch, teilten die French-Open-Organisatoren mit und veranstalteten eine Pressekonferenz mit „ausgewählten“ Medienvertretern.

Die französischen Fans haben sie längst adoptiert

Die mit Publikumsliebling Gael Monfils verheiratete Switolina ist derweil zum prägenden Gesicht dieses Turniers geworden, längst adoptiert von den französischen Tennisfans. „Ich spüre große Zuneigung und Liebe hier“, sagt Switolina, deren rasante Rückkehr in die Weltspitze bereits vor Roland-Garros-Beginn einen ersten Höhepunkt in Straßburg fand. Dort gewann sie das gut besetzte Vorbereitungsturnier souverän, feierte den ersten Titel als Mutter und spendete anschließend ihr 34 000-Dollar-Preisgeld an die „U-24-Initiative“, die in der ukrainischen Heimat traumatisierte oder schwer verletzte Kinder sowie in Not geratene Mütter unterstützt.

Wann immer sie auf einen Tenniscourt gehe, spiele sie „nicht allein für mich, sondern auch für mein Land“, sagt Switolina, die aus der Schwarzmeermetropole Odessa stammt. „Es ist gut, dass ich eine Bühne und damit eine Stimme habe, um mein Volk zu unterstützen.“

Als bei den French Open wieder einmal eine Diskussion über den verweigerten Handschlag von ukrainischen Spielerinnen gegenüber Russinnen oder Belarussinnen aufkam, bezog Switolina klar Stellung: „Wie soll es auf Männer und Frauen an der Front wirken, wenn ich hier einfach lächelnd so tun würde, als sei nichts geschehen.“ Das Thema sei ohnehin banal, für sie sei viel wichtiger, den Kindern und Familien daheim zu helfen. „Mir bricht es das Herz, wenn ich sehe, was die Bombenangriffe anrichten, wie schwer die Menschen verletzt werden.“ Deshalb, so Switolina, sei es auch nicht zu viel von Spielerinnen aus Russland oder Belarus verlangt, „sich klarer gegen den Krieg zu äußern oder sein Ende zu fordern“.

Bewunderung für Tatjana Maria

Als Mutter stellte Switolina ihr bestes French-Open-Ergebnis schon ein, das Erreichen der Runde der letzten acht. Inspiration habe sie in der schwierigen Zeit des Comebacks nicht zuletzt bei ihrer deutschen Kollegin Tatiana Maria gefunden, die als zweifache Mama 2022 sogar ins Wimbledon-Halbfinale vorgerückt war. „Ich habe sie bewundert für diese Leistung“, sagt Switolina, die WTA-Weltmeisterin des Jahres 2019. Nun ist sie selbst drauf und dran, den Spuren der Schwäbin zu folgen.