Wirtschaftsstaatsekretär Patrick Rapp (links) bei einem Rundgang durch die Produktion bei Tesat-Spacecom in Backnang Foto: /Gottfried Stoppel

Auch wenn Tesat-Spacecom als Technologieführer bei der optischen Laserkommunikation gilt, leidet die Firma unter Preisverfall. Höhere Stückzahlen sollen die Lösung sein – weshalb sich die Mitarbeiter umstellen müssen.

Wenn es um die erforderliche Hygiene beim Bau von Satellitentechnik geht, können andere Branchen einpacken. Selbst ein auf Hochglanz gewienerter Operationssaal in einem Krankenhaus ist die reinste Dreckschleuder im Vergleich zu den Vorgaben, die bei der Iso-6-Norm für die Produktion gelten. Weil schon ein Staubkorn auf der Linse die Datenübertragung per Laser ins Nirwana beamen kann, reicht es bei der Tesat Spacecom in Backnang längst nicht aus, wenn nach Feierabend die Putzkolonne kurz über die Monitore wischt.

Produziert wird Hightech für die Raumfahrt in Arbeitsbereichen, die nicht nur zugangsgeregelt und hermetisch abgeschottet sind, sondern auch ganzjährig die gleiche Temperatur und Luftfeuchtigkeit haben müssen. Über ein gigantisches Filtersystem wird einmal pro Stunde auch die komplette Raumluft ausgetauscht. „Künftig sind 18 000 unserer 63 000 Quadratmeter Produktionsfläche im Reinraum-Standard“, sagt Thomas Reinartz, Chef des zum Airbus-Konzern gehörenden Herstellers.

Ein Laserterminal muss Frost, Hitze und Erschütterungen überstehen

Was das für die technische Infrastruktur bedeutet, lässt sich aktuell beim Erweiterungsbau auf dem Tesat-Standort an der Backnanger Gerberstraße beobachten. Um die optischen Komponenten für den Einsatz im All auch in Reinraumtechnik produzieren zu können, hat Bauleiter Ulrich Bauer den zwischen zwei bestehende Blocks gequetschten Neubau mit fünf Meter hohen Decken geplant. Das dient der Unterbringung von Filtern und Lüftungsanlagen. Gut ein Drittel vom neu geschaffenen Platz geht für die hinter doppelten Böden und Decken versteckten Rohre drauf, die gereinigte Luft wird unten abgesaugt und oben wieder in den Raum eingeblasen.

Außerdem sind neben Stromkabeln und Wasserleitungen noch Rohre für Druckluft, Stickstoff und Argon verlegt, die für die Tests der Bauteile benötigt werden. Bevor ein Kommunikationssatellit an den Kunden ausgeliefert wird, wird er nicht nur gerüttelt und geschüttelt, er muss auch eine Temperaturdifferenz von 20 Grad unter dem Gefrierpunkt bis 80 Grad Hitze und einen Aufenthalt im Vakuum überstehen. Sind die Produkte erst einmal in die Erdumlaufbahn gefeuert, können sie schließlich nicht mehr nachträglich repariert werden. Was beim Einsatz im All nicht tadellos funktioniert, taugt nur noch als Weltraumschrott.

In den Erweiterungsbau investiert Tesat gut 24 Millionen Euro

Gut 24 Millionen Euro investiert Tesat-Spacecom in den vor einem Jahr begonnenen Erweiterungsbau mit drei Geschossen. Noch im März soll an der Gerberstraße das Richtfest für den Rohbau gefeiert werden, kurz nach dem Jahreswechsel 2024 die Produktion starten. Weshalb das Unternehmen so aufs Tempo drückt, ist kein Geheimnis: Um bei der rasanten Entwicklung des Markts für Satellitenkommunikation nicht unter die Räder zu kommen, muss die Backnanger Weltfirma in der Produktion ihre Stückzahl deutlich erhöhen. Im Moment werden pro Woche im Normalfall vier Laserterminals fürs Weltall fertig. Die Stückzahl soll sich laut der Firmensprecherin Victoria-Louisa Kirstein auf wöchentlich 30 bis 40 Exemplare erhöhen, wenn es durch das neue Gebäude auch mehr Platz für die Produktion gibt.

Das erfordert für die 1100 Beschäftigten in Backnang eine Komplettumstellung altbewährter Arbeitsabläufe. Von einer stark manuell geprägten Fertigung geht es bei der Tesat-Spacecom in eine stark automatisierte Serienproduktion. „Handarbeit kann es nur noch bei Laserterminals geben, die mit auf den Mars fliegen – für den Standardeinsatz wäre das Produkt sonst zu teuer“, sagt der Satellitentechnik-Manager Reinartz. Wie sehr auch ein Technologieführer mit dem Wandel in der Branche zu kämpfen hat, zeigt ein Blick auf die Bilanzzahlen der Airbus-Tochter. Auch wenn die Backnanger wegen des Ukraine-Kriegs einige Geschäfte in den Wind schreiben mussten, war der Umsatz der Tesat-Spacecom mit gut 260 Millionen Euro durchaus bemerkenswert.

Die Stückzahlen sollen in Backnang deutlich steigen

Beim Ergebnis allerdings blieb laut Thomas Reinartz unter dem Strich eine schwarze Null – zu wenig, um im Markt mit der Satellitentechnik dauerhaft bestehen zu können. „Wir sind zum Wachstum verdammt“, sagt der Manager – und verweist auf den wirtschaftlichen Zwang, die Produktionszahlen deutlich zu steigern. „Früher hatten wir eine Entwicklungszeit von acht Jahren, jetzt räumt uns der Kunde als Vorlauf noch zwölf Monate ein“, bringt es Thomas Reinartz auf den Punkt. Aufgebaut wird bei Tesat Spacecom übrigens eine Produktion in den USA. Nicht, weil es in Florida so schön wäre, sondern weil die Firma befürchtet, bei neuen Aufträgen aus militärstrategischen Gesichtspunkten aus dem Rennen zu sein.

Mit seinen 1100 Beschäftigten ist Tesat der größte Arbeitgeber in Backnang. Fast zwei Drittel des Umsatzvolumens werden mit Aufträgen aus den USA erzielt. Erste Laserterminals für die Kommunikation im Weltall hat die Backnanger Firma vor etwas mehr als 15 Jahren auf den Markt gebracht. Mit der Technologie können große Datenmengen über Entfernungen von bis zu 80 000 Kilometern in Lichtgeschwindigkeit zwischen Satelliten verschickt und empfangen werden – eine Art Glasfasernetz im Weltall. Das soll der millimetergenauen Vermessung von Gletschern ebenso dienen wie dem autonomen Fahren oder über Satellit empfangbarem Internet. „In Zeiten, in denen Untersee-Pipelines angegriffen oder Spionage-Ballons abgeschossen werden, braucht es sichere und resiliente Kommunikationswege. Eine Lösung hierfür ist die optische Laserkommunikation, und da sind wir Technologieführer“, sagt Reinartz.

Wichtiger Raumfahrt-Standort im Rems-Murr-Kreis

Information
 Bei einem Besuch bei Tesat-Spacecom in Backnang hat sich am Mittwoch Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Rapp über den Raumfahrt-Standort in der Region informiert. Er sah Weltraumtechnologie als einen festen Bestandteil des alltäglichen Lebens. „Ob Fernsehen, Navigation, Internet oder Erdbeobachtung – all dies wäre ohne Satellitenkommunikation nicht denkbar“, sagte er. Mit Blick auf die Personalsuche im Zeichen des Fachkräftemangels forderte Rapp, die Begeisterung für Technik in der Schule zu wecken. Bei jungen Menschen sei spürbar, dass es in der Bildungspolitik schon zu lange falsch gesetzte Prioritäten gebe.

Forderung
 Vorgeschaltet war dem Firmenbesuch eine Stippvisite im vor 15 Jahren gegründeten Deutschen Zentrum für Satelliten-Kommunikation. Geschäftsführerin Dilara Betz und OB Maximilian Friedrich betonten, dass sich im Rems-Murr-Kreis ein Kompetenzcluster gebildet habe, das gepflegt werden müsse.