In Deutschland ist die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt gestiegen. (Symbolbild) Foto: dpa/Jonas Walzberg

Die Landeskriminalämter haben im vergangenen Jahr deutlich mehr Gewalttaten in Familien und Partnerschaften registriert als 2022.

Die Zahl der registrierten Opfer häuslicher Gewalt in Deutschland hat im vergangenen Jahr offenbar erheblich zugenommen. Wie Recherchen der „Welt“ (Mittwoch) bei den Innenministerien und Landeskriminalämtern der 16 Bundesländer ergaben, wurden bundesweit mehr als 255.000 Opfer von der Polizei registriert. Das entspricht einem Anstieg von etwa sieben Prozent gegenüber 2022. Als Täter wurden Partner, Ex-Partner und Familienangehörige erfasst. Zwei Drittel der Opfer sind Frauen. Die Dunkelziffer ist den Angaben zufolge hoch, weil sich viele Betroffene nicht trauen, Anzeige zu erstatten.

Am Donnerstag stellen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) mit dem Bundeskriminalamt (BKA) das Lagebild für 2023 vor. Danach sind in allen 16 Bundesländern mehr Opfer von häuslicher Gewalt registriert worden. Unter häusliche Gewalt fallen etwa Mord, Totschlag, Vergewaltigung und Freiheitsberaubung.

Bisher ist Gewaltschutz eine freiwillige Leistung der Kommunen

Größtenteils handelt es sich dem Lagebild zufolge bei verübten Taten aber um Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung und Stalking. Zur häuslichen Gewalt gehören sowohl die „Partnerschaftsgewalt“ (Partner, Ex-Partner, Lebensgemeinschaften) als auch die „innerfamiliäre Gewalt“ (Verwandte). Beim Vergleich der Länder verzeichnet das Land Bremen/Bremerhaven mit 34,6 Prozent (3.791 Opfer) den stärksten Zuwachs. Den geringsten Anstieg bei der häuslichen Gewalt haben Thüringen (plus 1,1 Prozent, 6.551 Opfer), das Saarland (1,4 Prozent, 3.224 Opfer) und Rheinland-Pfalz (plus 1,7 Prozent, 13.810 Opfer).

Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, sagte der Zeitung: „Häusliche Gewalt hat viele Gesichter: Frauen und Männer aus allen gesellschaftlichen Schichten sind Opfer gewalttätiger Partner. Vergewaltigung in der Paarbeziehung ist so alltäglich wie Schläge oder Misshandlung mit Gegenständen.“ Auch hohe Mietkosten und der knappe Wohnungsmarkt trügen dazu bei, häusliche Gewalt zu „verfestigen“.

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik bei der Diakonie, bezeichnete den erneuten Anstieg von häuslicher Gewalt als erschreckend, aber nicht unerwartet. Nötig sei jetzt ein „Gewalthilfegesetz, das allen von Gewalt betroffenen Frauen einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung garantiert“. Denn bisher sei Gewaltschutz eine freiwillige Leistung der Kommunen. „Und andererseits müssen die Opfer von Gewalt teilweise einen Eigenanteil von bis zu 50 Euro pro Tag für den Aufenthalt in einem Frauenhaus zahlen.“