Weil er mit seinem Auto bedrohlich auf einen Mann zugefahren ist, sitzt ein 18-Jähriger aus Öschelbronn wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht.
Der junge Mann auf der Anklagebank des Stuttgarter Landgerichts macht einen sehr guten Eindruck. Seine Brille, sein Sakko und das modisch gemusterte Hemd verleihen ihm ein seriöses Äußeres. Wenn er redet, spricht er mit fester Stimme, die Worte kommen ihm flüssig über die Lippen, auch wenn ihm die Nervosität natürlich anzumerken ist. Doch von einem Moment auf den anderen bricht er in Tränen aus, als ihn der Vorsitzende Richter fragt, wie es ihm in der Untersuchungshaft gegangen ist.
„Schlimmer geht’s nimmer“, sagt er schluchzend und erzählt von Mitgefangenen, die ständig Stress gemacht hätten und ihn schlagen wollten. Er knüllt ein Taschentuch in seiner Hand, als er erklärt, dass er sich mit der Situation vor Gericht überfordert fühlt, sagt dann aber auch tapfer: „Da muss ich jetzt durch.“ Durch was er „durch muss“, ist ein auf drei Tage angesetzter Prozess vor einer Jugendkammer des Landgerichts Stuttgart, vor der er wegen versuchten Mordes und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr angeklagt ist.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Öschelbronner vor, im März dieses Jahres zusammen mit seinem Bruder in seiner Mercedes A-Klasse im Kirschenrain in Gäufelden unterwegs gewesen zu sein – deutlich schneller als in der Tempo-30-Zone erlaubt. Dies habe ein 62-jähriger Mann, der an seinem dort parkenden Wohnmobil gearbeitet habe, gemerkt und sich vor das Auto auf die Straße gestellt.
Laut Anklage stieg daraufhin der 16-jährige Bruder des Angeklagten aus und lieferte sich mit dem Mann eine verbale Auseinandersetzung, an dessen Ende er ihn zu Boden stieß. Anschließend seien beide wieder ins Auto eingestiegen. Dann habe der 18-Jährige an einem Kreisverkehr gewendet und sei – zum Teil auf dem Gehweg – auf den Mann zugefahren, der nur ausweichen konnte, weil er sich hinter seinem Wohnmobil in Sicherheit brachte. „Der Geschädigte dachte, dass der Streit beendet ist, während der Angeklagte tödliche Verletzungen des Mannes in Kauf nahm“, führte der Staatsanwalt aus.
Rachepläne hinterm Lenkrad
Nachdem die durch den Krach alarmierte Ehefrau ebenfalls hinzugekommen war, soll der Angeklagte an einer Kreuzung noch einmal gewendet haben und diesmal auf beide zugefahren sein. „Sein Plan war einzig und allein, sich zu rächen“, sagte der Staatsanwalt. Auch beim zweiten Manöver habe das Ehepaar ausweichen können. Der Mann soll eine Kamera auf das Auto geworfen haben, sodass der Angeklagte Richtung Straßenmitte ausweichen musste und schließlich wegfuhr, da er weitere Schäden an seinem Auto befürchtet habe.
Über seine Verteidigerin Anja Riethmüller räumte der 18-Jährige den äußeren Tatablauf ein. Er sei in dem Auto gesessen, er habe dem Mann jedoch nur Angst machen wollen und ihn weder verletzten noch töten wollen. „Ich war an dem Tag emotional aufgewühlt, weil meine Freundin mit mir am Morgen via Handy-Nachricht nach einem Jahr Schluss gemacht hatte“, erklärte der Angeklagte auf Nachfrage. Um das zu verarbeiten, sei er mit seinem Bruder spontan an den Bodensee gefahren und auf der Rückfahrt nach Hause durch den Kirschenrain gefahren.
Kamera auf Auto geworfen
Ein Polizeibeamter erklärte im Zeugenstand, der 62-Jährige habe durch den Sturz eine Platzwunde im Gesicht erlitten und habe nach dem Sturz nur durch den aufheulenden Motor gemerkt, dass der Angeklagte noch einmal auf ihn zugefahren kam. Er habe beim zweiten Mal eine kleine Go-Pro-Kamera auf das Auto geworfen. Eine Polizistin erklärte, man habe zunächst ein Ermittlungsverfahren gegen „Unbekannt“ eingeleitet. Dem 62-Jährigen sei bei einem Spaziergang einige Tage später das Auto mit der Delle auf der Motorhaube aufgefallen. Die Polizei habe sich dann über den Vater mit dem 18-Jährigen in Verbindung gesetzt, der sich bei den Ermittlungen stets kooperativ verhalten habe.
Der Prozess wird am 14. November fortgesetzt, das Urteil soll am 19. November verkündet werden.