Rund 400 Zuhörerinnen und Zuhörer verfolgten die von EZ-Chefredakteur Johannes M. Fischer (rechts) moderierte Talkrunde im Kundencenter der Kreissparkasse. Foto: Roberto Bulgrin

Experten sehen trotz der Engpässe bei der Versorgungssicherheit keinen Grund zur Panik und prognostizieren, dass die Preise weiterhin hoch bleiben.

Kommen wir gut über den Winter? Angesichts der aktuellen Krisen treibt diese Frage viele Menschen um. Ja, die Energie wird reichen, damit wir nicht frieren und die Lichter nicht ausgehen. Vielleicht sind zeitweilige Einschränkungen notwendig. Aber es besteht kein Grund zur Panik. Das war die wohltuende Botschaft von Torsten Höck. Bei „Im Gespräch“, der traditionellen Veranstaltungsreihe der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen und der Eßlinger Zeitung, verbreitete der Geschäftsführer des Verbandes für Energie- und Wasserwirtschaft Baden-Württemberg (VfEW) vor rund 400 Zuhörerinnen und Zuhörern Zuversicht.

Das war aber nur eine Seite des Abends. Denn die von EZ-Chefredakteur Johannes M. Fischer moderierte Talkrunde offenbarte, dass wir in vielerlei Hinsicht vor einer Zeitenwende stehen, wie es KSK-Vorstandsvorsitzender Burkhard Wittmacher in seiner Einleitung formulierte. Auf der mit fünf hochkarätigen Gesprächspartnern besetzten Bühne war man sich einig, dass es gewaltiger Anstrengungen bedarf, die Energiekrise zu bewältigen.

Paradoxe Situation

Seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine ist nichts mehr wie es war. Und Frieden ist nicht in Sicht. „Wir müssen damit rechnen, dass sich der Krieg weit ins nächste Jahr hineinzieht“, sagte Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Im Augenblick habe man die paradoxe Situation, dass erst die Ukraine möglichst stark hochgerüstet werden muss, bevor man mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin auf Augenhöhe verhandeln könne. Schmid räumte politische Fehler ein: „Wir haben uns zu lange darauf verlassen, dass Putin rational handeln würde.“

LNG-Terminals als Hoffnungsträger

Genauso fatal war es, sich ganz vom russischen Gas abhängig zu machen. Mittlerweile wurden etliche neue Verträge mit anderen Ländern geschlossen. Doch reicht das bei weitem noch nicht für eine Versorgungssicherheit aus. „Unsere Hoffnung liegt nun vor allem auf der Gaslieferung über LNG-Terminals“, erklärte Jörg Zou, der Geschäftsführer der Stadtwerke Esslingen (SWE). Nach seinen Worten ist die Gassicherheit bis April gewährleistet. Die SWE kauften langfristig ein und könnten aktuell mit die günstigsten Preise anbieten. Laut Zou ist kurzfristig nicht mit sinkenden Preisen zu rechnen. „Auf die Haushalte werden in den nächsten zwei bis drei Jahren weiter Gaskosten von rund 2500 Euro zukommen.“

Viele Unternehmer sind durch die extrem gestiegenen Energiepreise in ihrer Existenz bedroht. Was das für die gesamte Gesellschaft bedeutet, machte Alexander Kögel deutlich. „Unser Wohlhaben ist begründet durch leistungsfähige Unternehmen.“ Die Energie sei schon immer ein kostenintensiver Faktor gewesen. Und jetzt tue der Preisschock besonders weh, vor allem in der Textilbranche, erklärte der Inhaber des gleichnamigen Modehauses in Esslingen und Vize-Präsident der IHK-Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen. Über mangelnde Hilfen vom Staat können man in den jetzigen Krisenzeiten nicht klagen, so der Firmenchef. „Wir kriegen wirklich viel.“ Doch sollte die Unterstützung unkomplizierter, schneller und rechtssicherer kommen.

Härtefallfonds für Unternehmen

Ihm sei klar, dass es mit den Hilfen noch nicht so gut läuft, räumte Nils Schmid ein und bat um Nachsicht: „Wir haben da keine Erfahrungswerte.“ Doch gebe es einen Härtefallfonds. „Wir werden Unternehmen, denen das Wasser bis zum Hals steht, nicht hängen lassen“, versprach der SPD-Bundestagsabgeordnete.

Wasserversorgung genauso kritisch

Ob dieses toxische Gemisch verschiedener Krisen nicht auch etwas Positives habe, weil es Umwelt- und Klimaschutz befördere? Diese Frage von Moderator Fischer veranlasste Florian Hoffmann, den Geschäftsführer der Klimaschutzagentur des Landkreises Esslingen, zu einer kritischen Bilanz: „Wir sind in den letzten 20, 30 Jahren nicht aus unserer Komfortzone herausgekommen.“ Er meinte damit vor allem den Ausbau der regenerativen Energien, der deutlich mehr Tempo brauche. Auch müsse man bei der Gestaltung des öffentlichen Raums auf die deutlich gewachsenen Hitzeperioden reagieren. Beispielsweise in der neuen Weststadt und im Greut in Esslingen sei man da schon auf einem guten Weg, meinte SWE-Chef Zou. Generell müsse man die Energie dort herstellen, wo sie gebracht wird. Die Wasserversorgung dürfe ebenso wenig aus dem Blick verlieren, mahnte Torsten Höck. Um da Engpässe zu vermeiden, müssten die Strukturen verbessert werden. Derzeit arbeite man an einem Masterplan für eine zukunftsfeste Wasserversorgung im Land.

Fragen der Energie veränderten die gesamte Geopolitik, ist sich Nils Schmid sicher. Sonne, Wind und Wasser seien überall. Genauso könne grüner Wasserstoff überall produziert werden. Für die deutsche Politik sieht der SPD-Mann positive Folgen: „Wir werden uns Partner wählen, die die gleichen Werte wie wir haben.“

Fehlende Stromtrassen sind ein großes Problem

Gasversorgung
 Das Einsparziel von 20 Prozent sei noch nicht erreicht, sagt Torsten Höck, Geschäftsführer des Verbands für Energie- und Wasserwirtschaft Baden-Württemberg. Doch stehe man mit den zu 100 Prozent gefüllten Gasspeichern gut da, um auch eine starke Kälteperiode wie im Februar 2019 zu bewältigen.

Stromversorgung
 Allein mit dem selbst produziertem Strom komme Deutschland bei einem kalten Winter nicht über die Runden, sagt Höck. Doch wäre das „kein Weltuntergang“. Einen Blackout hält er für sehr unwahrscheinlich.

Netzsituation
 Es gibt zu wenig Leitungen, mit denen der Strom vom Norden in den Süden transportiert wird. Das hält Höck für „das größte strukturelle Problem, das wir haben“.