Das Handwerk präsentiert sich auf dem Schlossplatz. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski/Leif Piechowski

Rund 1000 Azubis fehlen in der Region Stuttgart. Am Samstag, Tag des Handwerks, präsentiert sich das Handwerk daher am Schlossplatz mit Informationen und einem Denkmal, das zum Umdenken bei der Berufswahl anregen soll.

Will sich das Handwerk mit dem überlebensgroßen Kerl in der klassischen Zimmermannskluft, der am Samstag auf dem Schlossplatz die Aufmerksamkeit auf sich zog, ein Denkmal setzen? Natürlich nicht. Vielmehr nutzten die Kreishandwerkerschaft Stuttgart und die Handwerkskammer Region Stuttgart den Tag des Handwerks, um mit einem Informationsstand und der Werbefigur den Begriff Denk-Mal wörtlich zu interpretieren: Als Imperativ und Aufforderung, die Bedeutung und Vielfalt des Handwerks wahrzunehmen, über die Vorzüge und Chancen eines Handwerksberufes nachzudenken und bei der Entscheidung umzudenken. Denn der Nachwuchsmangel macht massive Sorgen.

„Im Bereich der Handwerkskammer Region Stuttgart sind immer noch fast 1000 Ausbildungsplätze nicht besetzt“, nennt Alexander Kotz, Kreishandwerksmeister und Vizepräsident der Handwerkskammer, eine erschreckende Zahl. Und appelliert ein-dringlich: „Es müssen mehr junge Leute ins Handwerk gehen, wenn nicht die Nahversorgung und Lebensqualität gefährdet sein sollen. Dafür muss ein Umdenken stattfinden, weg von der Überzeugung, dass nur akademische Berufe ein gesellschaftliches Prestige haben.“

Lebensmittelbetriebe am meisten vom Nachwuchsmangel betroffen

Am meisten betroffen vom Nachwuchsmangel seien, wie schon mehrfach berichtet, die Lebensmittelbetriebe, weil diese Berufe für viele Jugendliche nicht mehr attraktiv sind. Schon jetzt geben immer mehr Bäcker, Metzger, Konditoren auf, kapitulieren vor den bisher unvorstellbaren und nicht mehr zu erwirtschaftenden Energiepreisen und finden auch keine Nachfolger. Aus den Berufsschulen für das Lebensmittelhandwerk höre er, so Kotz, dass ohne die geflüchteten Jugendlichen keine Bäckerklasse mehr gebildet werden könne. „Für diese Menschen aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan haben Lebensmittel noch einen anderen Stellenwert, dafür scheuen sie auch nicht ungünstige Arbeitszeiten“, vermutet Kotz.

Rund 200 000 Handwerkerinnen und Handwerker in 30 000 Betrieben versorgen die Menschen in der Region Stuttgart täglich mit verschiedensten Leistungen. In seinem eigenen Sanitär- und Heizungsbaubetrieb bildet Kotz sieben Lehrlinge aus, fünf davon haben sich gerade für diese Gewerke und diesen Arbeitgeber entschieden, der als besonderen Anreiz sogar ein kleines Fitnessstudio eingerichtet hat. Vor allem aber, betont der Kreishandwerksmeister, böten diese Berufe hervorragende Zukunftsaussichten, die durch die momentanen Energieprobleme noch gestiegen sind: „Der Markt ist da, Stichwort Wärmepumpen, Sanierung der Heizung, Solaranlagen.“

Auch im Baugewerbe fehlt Nachwuchs

Auch im Baugewerbe fehlt der Nachwuchs bei Dachdeckern, Stuckateuren, Elektrikern, Stahlbetonbauern und Zimmerern. Mit weitreichenden Folgen: „Stuttgart hat sich vorgenommen, bis 2035 klimaneutral zu werden“, ruft Kotz in Erinnerung. „Dafür brauchen wir mehr Handwerker, denn bis-her liegt die Quote der energetischen Sanierung von Gebäuden erst bei jährlich 1,5 statt den nötigen 4 Prozent.

Die lebhafte Resonanz vieler junger Leute auf die Informationen des Handwerks stimmte Kotz zuversichtlich, der überlebensgroße Zimmermann mit dem Holzkopf hat seine Schuldigkeit als Werber getan. Hergestellt hat ihn Florian Gauder, der ei-nen Betrieb für Hoch-, Tief- und Holzbau führt, während der Corona-Zeit „monatlich je einen Swimmingpool gebaut hat, „weil hier viel Geld ist“, bis ins Jahr 2023 ausgebucht ist und auch keine Probleme mit Azubis hat. Gauder hat nach dem Abitur Maurer, Zimmermann und Bautechniker gelernt. Besser könnte ein Vorbild für die Entscheidung fürs Handwerk kaum sein.