Breit gefächert ist die Palette der Methoden in der Denkendorfer Festhalle. Auch Mineralien sollen Heilkräfte haben. Foto: Karin Ait Atmane

Die Naturheilkunde hat unzählige Facetten. Leben und leben lassen ist ihr Grundsatz, der sich auch in der Coronazeit bewährt hat, wie jetzt in Denkendorf zu sehen war.

Heilung durch Wasser – so heißt das Motto des Tags der Naturheilkunde in der Festhalle Denkendorf, eine Übernahme des Jahresmottos 2022 des Deutschen Naturheilbundes. „Hydrotherapie“ ist heute noch eine der tragenden Säulen der Naturheilkunde und hat auch in der Schulmedizin durchaus ihren Platz. Kein kontroverses Thema also, anders als manche Frage, die in der Coronazeit aufkam. Aber auch das habe im Verein nicht zu Verwerfungen geführt, beteuern die Vorstandsmitglieder des Naturheilvereins Esslingen und Umgebung. Natürlich gebe es unter ihnen verschiedene „Lager“: Geimpfte und Impfgegner, Menschen, die das Maskentragen akzeptierten und andere, die es ablehnten. Aber das habe man im Umgang miteinander ganz gut ausklammern können, sagt die Vorsitzende Elke Wörfel, es habe die Stimmung insgesamt kaum belastet. „Jedem muss seine Meinung bleiben“, betont auch Vorstandsmitglied Petra Hirt. Man habe gar nicht den Drang gehabt, alles bis zum Ende auszudiskutieren.

„Wir sind da als Naturheilverein sehr tolerant“, sagt Christian Kurz als langjähriges aktives Mitglied. Wahrscheinlich ginge das gar nicht anders, allein schon die Palette der Methoden am Aktionstag in Denkendorf ist immens – unwahrscheinlich, dass sich da jeder mit allem identifizieren kann. Homöopathie, manuelle Behandlung, Klangschalen, Mineralien, Räucherstoffe, Kerzen, „bewegte Möbel“, Trampoline und andere Sportgeräte, Ernährung – von der Akupunktur bis zum Zitronenwickel ist alles dabei. Bei Bernward Schrode am Stand von stein+mehr geht es tatsächlich um Wasser, in erster Linie zum Trinken. Mit einfachen Vorrichtungen wie einem Filter und einem „Wirbler“ zum Aufschrauben auf den Wasserhahn soll das Leitungswasser wieder Eigenschaften wie reines Quellwasser bekommen, weicher und „energiereicher“ sein. Mit Messungen nachweisen lässt sich das nicht, was Schrode gelassen sieht: Anstatt sich an Studien und Zahlen zu orientieren, sollten die Menschen eher in sich hineinhören, sagt er und verteilt sein „Urquell“-Wasser zum Probieren.

Gelassenheit herrscht auch angesichts des Vorstoßes von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, Homöopathie aus den Kassenleistungen zu streichen. Das ist kein Aufreger hier in Denkendorf – ohnehin zahlt kaum etwas, was beim Aktionstag in der Festhalle angeboten wird, die Kasse. Und Elke Wörfel dürfte nicht die einzige sein, bei der diese Diskussion gar nicht angekommen ist. Sie habe sich abgewöhnt, die Tagesnachrichten zu verfolgen, sagt sie.

Wasser als Heilmittel ist eine wesentliche Grundlage der Naturheilkunde. Die Wurzeln dafür sieht der Deutsche Naturheilverband bei Vinzenz Prießnitz, einem einfachen Bauern, der bereits vor 200 Jahren, 1822, sein Elternhaus in Gräfenberg – heute Jesenik in Tschechien – umbaute, um Kranke mit Wasseranwendungen behandeln zu können. Das bot den Aufhänger fürs diesjährige Motto. Sebastian Kneipp, dessen Name weitaus bekannter ist, entwickelte erst rund drei Jahrzehnte später seine Wasserheilmethode. Prießnitz setzte auf den Kältereiz von Quellwasser, durch den sich der Körper aufheize und besser durchblutet werde. Das erklärte Ursula Gieringer vom Deutschen Naturheilbund in ihrem Vortrag. An anderer Stelle ging es um die vielfältigen Möglichkeiten von Fußbädern und Wickeln, feucht oder trocken, kalt oder warm.

Aber auch Wassersport ist Wasseranwendung: „In dem Moment, wo man auf dem Brett steht, auf dem Wasser, hat man den Tag vergessen“, sagte Jule, die zusammen mit Jan als „wannaSUP“ in Esslingen zum „Stehpaddeln“ auf dem Neckar und seinen Kanälen einlädt. Naturerlebnis, Wasser und Bewegung hätten zusammen eine große Wirkung. Bewegung zum Ausprobieren gab’s am Aktionstag zum Beispiel auf den fünf Trampolinen, die beim Eingang standen und meistens belegt waren. Oder bei Heidrun Stobinski, bei der man mit dem Holzschwert Tog-Chöd-Übungen machen konnte. Der Schwerttanz aus dem tibetischen Buddhismus erfordert volle Konzentration und helfe so, rauszukommen aus dem Hamsterrad und der Verkopftheit, „wieder in den Körper und ins Spüren“ zu kommen, so die Heilpraktikerin.

Mit dem jungen Biohof Schöllkopf aus Denkendorf war auch die Säule „Ernährung“ der Naturheilkunde abgebildet, währen Christian Kurz mit seinen selbstgezogenen Kräutern die Heilung durch Pflanzen vertrat. Er stand im Grünen, umgeben von Ingwer, Kurkuma, Artemisia und mehr in Töpfen.

Sechs Säulen der Naturheilkunde

Historie
 Der Naturheilverein Esslingen und Umgebung besteht seit 1979. Er informiert bei Vorträgen, Ausflügen und anderen Veranstaltungen zu den sechs Säulen der Naturheilkunde: gesunde Ernährung, Pflanzenheilkunde, Wasseranwendungen, Balance, Bewegung und Umweltbewusstsein.

Name
Der Deutsche Naturheilbund ist der Dachverband der deutschen Naturheilvereine und besteht seit 1889. Ihm sind 50 selbstständige Naturheilvereine mit rund 10 000 Mitgliedern angeschlossen.