Das Angebot im Tafelladen in Bernhausen ist zurzeit nicht üppig. So ist das Gemüseregal oft schon auffallend leer. Foto: Lichtgut/Leif-Hendrik Piechowski

Mehr Bedürftige, aber deutlich weniger Waren: In den Tafelläden auf den Fildern ist die Lage prekär. Der Kreisdiakonieverband hofft daher auf private Sachspenden.

Vier Köpfchen Pak Choi, ein paar Bündel Radieschen, Möhren und Lauch in halb leeren Kisten. Eine halbe Stunde nach der Öffnung des Tafelladens in Filderstadt-Bernhausen ist das Gemüseregal schon auffallend leer. Nachschub ist heute nicht mehr zu erwarten. Auch im Sortierraum, wo Waren für den Verkauf hergerichtet werden, herrscht bis auf einzelne Äpfel in einer Box gähnende Leere. Es ist eine Situation, die sich seit Kurzem zuspitzt bei der Fildertafel.

Kaum genug Lebensmitteln für die, die sie brauchen

Es mangelt an Lebensmitteln. „Wir haben nicht mehr genug für die, die kommen. Wir haben kaum noch was, das wir rausstellen können“, betont Tanja Herbrik. Sie ist beim Kreisdiakonieverband Esslingen, dem Träger, die Leiterin des Fachbereichs Armut und Beschäftigung und damit auch für die Fildertafel zuständig.

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Unter dem Namen Fildertafel sind drei Tafelläden zusammengefasst. Der größte sitzt in Bernhausen, zwei kleinere gibt es in Echterdingen und Nellingen. Hier gibt es Lebensmittel und auch Hygieneartikel zu stark reduzierten Preisen für die, bei denen das Geld besonders knapp ist. Eine Brezel oder einen Becher Joghurt für zehn Cent, ein Brot für 30 Cent. „Wer hier einkauft, hat eine Prüfung hinter sich. Da wurden die Hosen runtergelassen“, stellt Eberhard Haußmann, der Geschäftsführer des Kreisdiakonieverbands, klar. Um in einem der drei Fildertafelläden einkaufen zu dürfen, braucht es einen Berechtigungsausweis pro Haushalt. Laut Tanja Herbrik sind aktuell bis zu 1000 im Umlauf; um die zehn Prozent mehr als noch vor dem Start der Pandemie.

Wegen Corona kommen mehr Menschen zum Einkaufen

Die Zunahme der Bedürftigen ist ein Grund für die aktuelle Misere. Wegen Corona kommen mehr Menschen zum Einkaufen – durch Kurzarbeit, Jobverlust oder andere Nöte. Die hohen Energiepreise belasten die Menschen zusätzlich. Bis zu 150 Personen kauften täglich allein in Bernhausen ein. In den anderen beiden Niederlassungen seien es jeweils noch mal bis zu 30 pro Tag. Und die Zahl der Tafelkunden wird weiter steigen. Schon jetzt kommen die ersten ukrainischen Geflüchteten in die Läden. „Das nehmen wir sehr wohl wahr“, sagt Tanja Herbrik. Die Stadt Filderstadt gebe Gutscheine für die Fildertafel aus, bis zu 15 Menschen bringe das pro Tag in die Verkaufsstelle in Bernhausen. „Wir erwarten noch mehr, definitiv“, sagt sie.

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Gleichzeitig kommt aber aktuell deutlich weniger an Warenspenden an. Die Gründe sind laut Tanja Herbrik vielschichtig. Saisonbedingt gebe es aktuell weniger Obst und Gemüse. Überhaupt hätten Produzenten und Händler mit den Jahren ihr Warenwirtschaftssystem optimiert, so dass grundsätzlich weniger Unverkauftes übrig bleibe. Und, das ist aktuell das Hauptproblem, von dem Wenigen geht derzeit vieles in die Ukraine. „Seit dem Krieg sind die Lieferungen vom Bundes- und Landesverband eingebrochen“, sagt Tanja Herbrik. Konsequenz: etwa ein Drittel weniger Lebensmittel als im Vorjahr, die das Filder-Team den Kunden anbieten könne. „Tafeln dürfen nichts zukaufen“, stellt Eberhard Haußmann klar, sie dürften lediglich Gespendetes ausgeben.

Es gibt bereits argwöhnische Blicke

Die Lage ist dramatisch – bei der Tafel und in der Ukraine. „Ich möchte deutlich dafür werben, das nicht gegeneinander auszuspielen“, betont Tanja Herbrik. Die Kriegsopfer benötigten dringend Hilfe, gleichwohl sei sie wegen der Einbrüche bei der Fildertafel besorgt. Schon jetzt gebe es Stammkunden, die wegen der chronisch leeren Regale argwöhnisch in Richtung der Neuankömmlinge blickten, die aktuell unbürokratisch nach Vorzeigen des ukrainischen Passes im Laden einkaufen dürften. Eine ähnliche Konkurrenzsituation habe es auch 2015 und 2016 während der letzten großen Flüchtlingswelle gegeben. „Da gab es im Kreis der Bedürftigen nicht nur Freude“, berichtet Eberhard Haußmann. Tanja Herbrik befürchtet eine neue Neiddebatte.

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Die Tafeln sind landauf, landab unter Druck, wegen deutlich gestiegener Energiekosten und einem Verlust an Ehrenamtlichen, wegen mehr Kundschaft bei einem sinkenden Warenangebot. Bei der Fildertafel hofft man nun auf Hilfe aus der Bevölkerung – und auf Sachspenden von Bürgern, Vereinen und Unternehmen. „Es fehlt vor allem an Trockenwaren und Hygieneartikeln“, erklärt Eberhard Haußmann. „Alles, was da ist, hilft uns“, sagt Tanja Herbrik. Spenden könnten zu den Öffnungszeiten in Bernhausen, wo das Fildertafel-Lager ist, abgegeben werden.