Am zweiten Tag des SWR-Sommerfestival heißt es : „Full House“ im Ehrenhof des Neuen Schlosses. Foto: /Andreas Engelhard

Die Schlange am Eingang zieht sich über hundert Meter, die Wartenden sind trotzdem happy: Das Leben fühlt sich wieder gut an, wenn 4300 Menschen bei Sonne gemeinsam die Musik feiern. Pop & Poesie wird zum ersten Hit des SWR-Sommerfestivals.

Mit donnernden Beifall wird Matthias Holtmann auf der Bühne begrüßt. Es ist die Verneigung vor einem Mann, den man „Radiolegende“ nennt. Vor sieben Jahren ist „Matze“ in Rente gegangen, aber bis heute nicht vergessen. Zum leuchtenden Vorbild wird der 72-Jährige, der als die „Stimme des Südens“ galt, weil er trotz Parkinsons-Erkrankung Lebenslust und Lebensmut verkörpert. Wie es ihm geht, fragt Moderator Jochen Stöckle. „Den Menschen in der Ukraine geht es wesentlich schlechter“, lautet die Antwort.

„Die Apotheken halten mich am Leben“, verrät Holtmann. Die Medikamente, die er braucht, würden 2500 Euro im Monat kosten. „Damit halte aber auch ich die Apotheken am Leben.“ Für Gänsehautmomente sorgt „Matze“, als er die Übersetzung des Monty-Python-Songs „Always look on the bright side of life“ vorträgt. Der Mensch habe kein Recht auf Unversehrtheit, sagt er und ruft dazu auf, immer „auf die hellen Seiten des Lebens“ zu schauen. Sein Rat: „Wenn es dir schlecht geht, pfeif dir eins!“

Pop & Poesie lockt 4300 Fans an, bei Tim Bendzko waren es nur 1500

Mit 4300 Zuschauerinnen und Zuschauern im Ehrenhof des Neuen Schlosses sorgen Holtmann und seine Kollegen für den ersten Rekord beim 13. SWR-Sommerfestal, das nach zwei Jahren Pause ohne Corona-Beschränkungen gefeiert wird. Jetzt endlich kommt das Open Air, das vom Land Baden-Württemberg finanziell unterstützt wird, auf Touren. Am ersten Abend waren beim Singer/Songwriter Tim Bendzko nur 1500 Fans gekommen (da war noch unbestuhlt und noch viel mehr Platz), was niemand so recht verstehen konnte. Denn was der 37-Jährige ablieferte, war Superklasse. Man spürte und hörte, wie groß die Freude der Musiker ist, endlich wieder live vor Publikum auftreten zu können, das nicht im Auto sitzt. Und diese Freude sorgt auch beim begeisterten Publikum für Glücksgefühle.

Einer der Höhepunkte: der Kinderchor bei „Another brick in the wall“

Das Bendzko-Konzert lief unter dem SWR 3-Label. Die Redaktion sitzt in Baden-Baden. Ist dies der Grund, dass die SWR-3-Leute in Stuttgart nur ein Drittel von dem, was möglich ist, auf den Schlossplatz locken können? Oder sind die jüngeren Fans mit vielen anderen Partys und Konzerten so sehr beschäftigt, jetzt, da wieder so viel möglich ist? Matthias Holtmann und eine großartige Band unter Leitung von Peter Grabinger hingegen füllen den Ehrenhof. Weil die Schlange am Eingang so lang ist, kann das Konzert erst 15 Minuten später beginnen. Die hervorragende Musik der Pop & Poesie-Band covert Hits der Popgeschichte, die von Schauspielerinnen und Schauspieler auf Deutsch rezitiert werden – manchmal vielleicht etwas zu theatralisch, als könne man damit auch banale Inhalte zum Literaturnobelpreis verhelfen. Die Stimmung und der Groove sind so grandios, dass es das Publikum nicht immer auf den 4300 Sitzplätzen festhält. Ein Höhepunkt: der Kinderchor bei „Another brick in the wall“.

Etwa 35 000 Besucher am Samstag auf der Festivalmeile

Unter den Gästen war SWR-Intendant Kai Gniffke, der sich am Nachmittag auf der Festivalmeile rund um die Jubiläumssäule umgeschaut hat. Das kostenlose Tagesprogramm wirbt für die Vielfalt des Senders. „Es kamen wesentlich mehr Leute als vor der Pandemie“, freut sich Lothar Hasl, der Kommunikationschef des SWR, „wir hatten am Samstag etwa 35 000 Besucher.“ Was ihm besonders gefiel: Während früher seine Kollegen am Stand, der für die Mediathek wirbt, oft hörten, die Kunden wüssten nicht, wie das alles funktioniert, gibt es mittlerweile überwiegend Lob dafür.