Kapriziös, aber nicht mehr gewalttätig: die Ausraster des Supermodels Naomi Campbell haben sich ins Gedächtnis gebrannt. Ihrer steilen Modelkarriere haben sie keinen Abbruch getan. Foto: Fashionpps/ZUMA Wire/dpa/Fashionpps

Sie ist eine Ikone in der Modelbranche und mit 50 Jahren gut im Geschäft: Naomi Campbell, in der Szene auch „Black Panther“ genannt, ist temperamentvoll und fährt schon mal die Krallen aus.

New York - Die feine englische Art ist nicht gerade das, wofür das Model Naomi Campbellbekannt ist. Auch wenn das Blut der gebürtigen Britin mit den jamaikanisch-chinesischen Wurzeln schon lange nicht mehr so in Wallung gerät wir früher – ihre Ausraster haben sich ins Gedächtnis gebrannt. Vier Mal wurde sie wegen Körperverletzung verurteilt, unter anderem, weil sie 2006 ihr Handy in einem Wutanfall in Richtung ihrer Hausangestellten geschleudert und dieser eine Platzwunde am Kopf verpasst hat. Zur Strafe musste Campbell einen fünftägigen Putzdienst bei der New Yorker Müllabfuhr antreten – bei dem sie angeblich am letzten Tag in Haute Couture erschien.

Es folgten Anti-Agressionstherapien und Drogenselbsthilfegruppen und trotzdem rastete Naomi Campbell immer wieder aus. 2008 verliert sie am Londoner Flughafen Heathrow die Beherrschung, weil ihr Gepäck verschwunden ist. Sie spuckt und tritt um sich und wird schließlich in Handschellen abgeführt. 2010 steht sie unter Verdacht, ihren Chauffeur verprügelt zu haben. Im selben Jahr wurde sie auch noch als Zeugin vor den Sondergerichtshof in Den Haag zitiert, um im Blutdiamantenprozess gegen den ehemaligen liberianischen Präsidenten und Kriegsverbrecher Charles Taylor auszusagen. Er soll ihr Rohdiamanten geschenkt haben. In dem Prozess verhedderte sich Campbell in Widersprüche.

Auftritt in Bob Marleys Musikvideo

Später zeigte sich das Model, das am 22. Mai 50 Jahre alt wird, reumütig. In Talkshows und Interviews begründete sie ihre Aussetzer mit mangelndem Selbstwertgefühl und ihrer schwierigen Kindheit. Campbell wächst hauptsächlich bei ihrer Großmutter im Londoner Stadtteil Lambeth auf. Ihre Mutter Valerie war eine Tänzerin aus Jamaika, ihren chinesischen Vater hat sie nie kennengelernt. Mit sieben Jahren spielt sie im Musikvideo „Is this love?“ von Bob Marley mit. Die Schule bricht Campbell vorzeitig ab, eine Berufsausbildung macht sie nicht. Als 14-Jährige nimmt sie Schauspielunterricht.

Ein Jahr später wird sie in London für die Zeitschrift „Elle“ als Model entdeckt. Den Durchbruch hat Campbell 1988: Als erstes schwarzes Model überhaupt ziert sie den Titel der französischen „Vogue“. „Als ich anfing, wurde ich wegen meiner Hautfarbe für bestimmte Shows nicht gebucht. Ich habe mich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen“, schrieb Campbell in ihrer zweibändigen Autobiografie „Naomi Campbell“, die in limitierter Zahl zum Preis von knapp 2600 Euro erhältlich ist. „Ich verstand, was es bedeutete, schwarz zu sein. Man musste sich extra anstrengen. Man musste doppelt so gut sein.“

Beyoncé huldigt Campbell in einem Lied

In den Neunzigerjahren zählt sie neben Claudia Schiffer, Cindy Crawford, Linda Evangelista, Tatjana Patitz und Christy Turlington zur Riege der Supermodels, die damals Popstar-Status hatten. Sie hatte einen Auftritt in George Michaels legendärem Musikvideo „Freedom“ (1990), wurde bei den British Fashion Awards als „Fashion Icon“ ausgezeichnet (2019) und hat eine ganz spezielle Laufsteg-Performance entwickelt, mit dem sie die Shows der größten Modemarken prägte, unter anderem die von Versace. Die US-Sängerin Beyoncé sang darüber in ihrem Hit „Get Me Bodied“ 2006: „Do the Naomi Campbell walk. Walk across the room like Naomi Campbell.“

Trotz zahlreicher Beziehungen und Affären, unter anderem angeblich zu Stars wie Mike Tyson, Eric Clapton, Robert de Niro, Flavio Briatore und Robbie Willams, ist Naomi Campbell bis heute unverheiratet und kinderlos geblieben. Sie engagiert sich für wohltätige Zwecke und gründete 2005 die gemeinnützige Organisation „Fashion For Relief“, um mit Hilfe von Modeshows Geld für die Opfer des Hurrikans Katrina, des japanischen Tsunamis und der Ebola-Epidemie in ganz Westafrika zu sammeln.

Campbell und Corona

Ihre Wutanfälle hat Naomi Campbell hinter sich gelassen, kapriziös ist sie geblieben. In der Modeszene nennt man sie auch „Black Panther“. In Interviews soll sie sehr bestimmend auftreten, eine Journalistin des „Zeit“-Magazins hat sogar einmal eine Art Kurzanleitung im Umgang mit dem Modell bekommen. Auch Campbells Umgang mit der Corona-Pandemie ist speziell.

Kürzlich postete sie ein Video, auf dem sie sich mit Brille, Mundschutz, Schutzanzug und Burberry-Cape zeigt. „Früher haben die Leute mich wirklich ausgelacht. Jetzt bin ich nicht lächerlich“, erklärte das Modell, das schon vor Corona ihren Flugzeugsitz in der ersten Klasse stets gründlich desinfiziert haben soll.

Die Supermodels der Neunzigerjahre

Im Januar 1990 präsentierte die britische „Vogue“ eine Titelgeschichte, für die der Fotograf Peter Lindbergh die damaligen Topmodels Naomi Campbell, Cindy Crawford, Christy Turlington, Linda Evangelista und Tatjana Patitz gemeinsam in Szene setzte. Sie standen damals noch am Anfang ihrer Karriere. Zeitgleich veröffentlichte der Sänger George Michael das Video zu „Freedom“, in dem eben diese Models auftraten.

Dies läutete die Ära der Supermodels ein. Sie wurden zur Inkarnation des Zeitgeistes und hatten Popstar-Status. Es war das goldene Zeitalter der Model-Industrie. Claudia Schiffer, Nadja Auermann und Kate Moss stießen dazu, bald waren sie überall präsent. Die Modelagentur „Elite Models“ hatte sie alle unter Vertrag und trieb die Preise in nie gekannte Höhen. Aus dieser Zeit stammt das wohl bekannteste Zitat der Model-Geschichte: „Für weniger als 10 000 Dollar am Tag stehen wir gar nicht erst auf“, sagte Linda Evangelista 1990.