Philipp Grassel vom Schifffahrtsmuseum Bremerhaven hält eine Geschosshülse in seinen Händen. Das Museum widmet sich seit längerem der Erforschung von Kriegshinterlassenschaften wie Wracks und Munition in der Nordsee. Foto: Carmen Jaspersen/dpa

In der Nordsee schlummern massenweise Kampfstoffe aus den Weltkriegen, oft in versenkten Kriegsschiffen. Forscher nehmen nun Proben von einem Wrack bei Helgoland. Sie wollen wissen, welche Gefahr von Alt-Munitionen ausgeht.

Bremerhaven/Helgoland - Auf der Suche nach gefährlichen Alt-Munitionen in der Nordsee sind Wissenschaftler von Bremerhaven aus zu einem Schiffswrack aus dem Ersten Weltkrieg aufgebrochen. Ziel ist der Marinekreuzer „SMS Mainz“, der am 28. August 1914 westlich von Helgoland in einem Seegefecht von britischen Kriegsschiffen versenkt worden war.

Dort sollen Proben genommen werden, um mögliche Gefahren zu analysieren, die von im Wrack liegenden Kampfmitteln ausgehen, wie das Deutsche Schifffahrtsmuseum (DSM) mitteilte. Außerdem sollen Miesmuscheln ausgebracht werden, die in drei Monaten wieder eingesammelt und auf toxikologische Substanzen untersucht werden sollen.

Giftstoffe gelangen in Fische und Muscheln

Die Abfahrt des Forschungsschiffes „Heincke“ war mehrfach wegen starken Windes und turbulenter See verschoben worden. Am Sonntag wird das Schiff in Bremerhaven zurückerwartet. Die zehn Wissenschaftler an Bord wollen unter anderem prüfen, ob krebserregende Stoffe wie TNT und seine Abbauprodukte in dem Untersuchungsgebiet nachweisbar sind.

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Die Stoffe könnten von Fischen und Muscheln aufgenommen werden und so in den Nahrungskreislauf gelangen, wie Studien zu verklappter Munition in der Ostsee belegen. In der Nordsee herrschen wegen Strömung und Tide jedoch andere Bedingungen als in der Ostsee.

1,3 Millionen Munition aus den Weltkriegen

Nach offiziellen Schätzungen liegen allein in der deutschen Nordsee rund 1,3 Millionen Tonnen Munition aus Weltkriegszeiten. Über die Auswirkungen, die die Altlasten auf Fische, Pflanzen und Menschen haben, ist bisher wenig bekannt. Ein europäisches Forschungsteam unter Leitung des Deutschen Schifffahrtsmuseums sucht im Rahmen des 2018 gestarteten „North Sea Wrecks“-Projekts nach Antworten.

Beteiligt sind neben Deutschland auch Belgien, die Niederlande, Norwegen und Dänemark. Wegen der Corona-Pandemie war das Projekt 2020 ins Stocken geraten, geplante Ausfahrten zu weiteren Wracks mussten verschoben werden. Sie sollen im September und 2022 nachgeholt werden.

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Die vorläufigen Projektergebnisse werden ab August der Öffentlichkeit in einer Wanderausstellung präsentiert. Nach dem Start im Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven wird die Schau in allen am Projekt beteiligten Ländern zu sehen sein.