Suchtmediziner Andreas Zsolnai zeigt der Bundesdrogenbeauftragten Daniela Ludwig links und Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann die Räumlichkeiten. Foto: Reiner Pfisterer

Die erweiterte Schwerpunktpraxis für Suchtmedizin in der Kriegsbergstraße ist eingeweiht. Die Erweiterung gilt als wichtiger Schritt für die zukünftige Subventionsversorgung von Suchtpatienten. Doch weiterhin mangelt es an Substitutionsärzten im Land.

Stuttgart - Um die Versorgung Drogenabhängiger zu verbessern, ist die Schwerpunktpraxis für Suchtmedizin in der Kriegsbergstraße deutlich erweitert worden. Die Einweihung der neuen Praxisräume ist dieser Tage gefeiert worden. Bei der Veranstaltung im Haus der angrenzenden Baden-Württemberg-Stiftung war auch die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) zu Gast.

Die Erweiterung gilt als wichtiger Schritt für die Suchtmedizin in Stuttgart und der Region. Die zuvor über die Stadt verteilten Räume sind nun in einem Zentrum vereint. Auf sechs Etagen werden Suchtkranke in jedem Stadium ihrer Erkrankung beraten und versorgt. Allgemeinmedizin, Suchtmedizin, Psychotherapie und Psychiatrie sind unter einem Dach, die psychiatrische Betreuung übernimmt das Klinikum Stuttgart. Auch die Drogenberatung des Vereins Release Stuttgart e.V. ist vor Ort. „Wir sind ein Behandlungsteam, das aus unterschiedlichen Professionen besteht“, sagt Andreas Zsolnai, der Leiter der Schwerpunktpraxis.

Schwerstabhängige werden mit Diamorphin behandelt

Zsolnai behandelt seine Patienten mit allen aktuell zugelassenen Substitutionsmedikamenten. Das Besondere ist die Diamorphinabgabe auf Rezept. Diamorphin ist ein künstlich hergestelltes Heroin. Die Behandlung erhalten nur Schwerstdrogenabhängige, die schon erfolglose Therapien hinter sich haben. Bisher wird diese Behandlungsweise in Baden-Württemberg nur in Stuttgart und Karlsruhe angewandt.

Leider erreiche die Substitutionsbehandlung in Deutschland noch immer weniger als 50 Prozent der Abhängigen. Zsolnai sagt, man müsse sich Gedanken darüber machen, wie man all die anderen erreichen könne. Er hält die Erweiterung seiner Praxis für einen wichtigen Schritt. „Ich glaube schon, dass sich die Lage verbessern wird, allein deshalb, weil wir hier alles unter einem Dach haben“.

Auch die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig lobt die neue Praxis als „Leuchtturm in der Substitutionsversorgung“ und plädiert für eine flächendeckende Anwendung der Substitutionsmedizin in der Bundesrepublik. Die Substitution helfe Menschen mit langer Suchtvergangenheit, in ein weitgehend normales Leben zurückzufinden. „An der Methode zweifelt keiner. Aber die Anwendung ist das Problem“.

Versorgungsproblem durch Ärztemangel

Es gibt im Bereich der Substitutionsbehandlung bundesweit ein Versorgungsproblem. Bereits im nächsten Jahr werden 60 Prozent der Substitutionsärzte in Baden-Württemberg über 65 Jahr alt sein, ohne dass neue Ärzte nachrücken. Christina Rebmann, Referatsleiterin Psychiatrie und Sucht des Ministeriums für Soziales und Integration, betont in diesem Zusammenhang: „Baden-Württemberg hat die Strukturen“, aber auch hier fehlen die Ärzte. Die neue Schwerpunktpraxis bezeichnet sie als einen Gewinn für Stuttgart und für das Land.

Was zudem laut Zsolnai in der Suchtbehandlung immer noch „schmerzlich fehlt, um die Patienten wirklich von der Nadel zu bekommen“, ist die Diamorphintablette. Die Verabreichung von Diamorphin in Tablettenform sei bisher nur in der Schweiz zugelassen, dort sogar schon seit 20 Jahren. „Die Bemühungen, diesen unverständlichen Missstand zu beheben, sind bisher ins Leere gelaufen“.