Die Dixieland Hall in der Marienstraße Foto: Kraufmann / Hörner

Eine Heimat haben sie nicht mehr. Doch die Mitglieder der Jazz Society geben nicht auf. Auch nach dem erzwungenen Auszug aus der Dixieland Hall kümmern sie sich weiter um den Jazz. Am Wochenende feiern sie ihr 50-Jahr-Jubiläum mit vielen Konzerten.

Keine Angst vor Jazz, der Name war Programm. So hieß die Sendung, die Dieter Zimmerle beim SRD-Radio moderierte. 1947 war das bereits, er knüpfte damit an die große Tradition der Stuttgarter Jazzclubs aus den Goldenen Zwanzigern an. Die Stadt lag noch in Trümmern, da wurde in den ersten Kellern wieder musiziert.

Man kann sich das heute kaum noch vorstellen, aber der Jazz war mal die Musik der Jugend, gespielt im Untergrund. Antje Ulmer erinnert sich noch gut daran, wie sie 1964 in ein dem Abriss geweihtes Schlösschen an der Olgastraße einzog. Viele Wohnungen standen bereits leer, im Gewölbekeller ließ sich aber prima Musik machen. Spontane und wilde Jazz-Konzerte zogen die Leute von der Straße an.

Erst Pommes, dann Jazz

Überfüllt und verraucht, so ging es auch im Scotch zu, einem Jazzclub an der Bolzstraße. Der Abgang in den Keller eines Ruinenhauses war direkt neben Stuttgarts erster Pommesbude, weiß sie zu erzählen. Die betrieb übrigens Udo Höroldt. Der später in der Calwer Straße den Udo Snack eröffnen und Hamburger verkaufen wird. Doch unsere Geschichte dreht sich ja um einen anderen amerikanischen Import. Oft war Antje Ulmer im Scotch, Marianne Manocchio durfte damals noch nicht hinein, sie war zu jung.

Überall in Stuttgart ploppten solche Orte auf, manche hielten länger durch, anderen war nur eine kurze Lebensdauer beschieden. Sie schlossen schneller wieder als sie die Gage ausbezahlen konnten. Musiker und Enthusiasten träumten von einer eigenen Heimat für den Jazz, sie schlossen sich zur Jazz Society zusammen, zogen schließlich im Keller des Hotels Ketterer an der Marienstraße ein und hoben die Dixieland Hall aus der Taufe.

Viele Berühmtheiten traten auf

Die Jazz Society holte viele berühmte Jazzer nach Stuttgart, etwa Dave Brubeck, Bill Evans, Peanuts Hucko, Axel Zwingenberger, Chris Barber, Emil Mangelsdorff, Oskar Klein oder Birelli Lagrene. Doch der Verein kam in die Jahre, die Mitglieder auch, die Interessen gingen auseinander. Die einen wollten weiter die traditionellen Spielformen des Jazz pflegen und unterstützen, wie in der Satzung festgelegt, die anderen wollten sich öffnen und vor allem musizieren. Letzte gründeten die Jazz Initiative und blieben weiter in der bröckelnden Dixieland Hall.

Keine Heimat mehr

Die Jazz Society zog aus, veranstaltete Konzerte im K. 4, einem Keller der Uni Stuttgart, im Restaurant von Wirt Alexander Laub im Cannstatter Bahnhof, schließlich in der Intercity Jazzlounge im Hauptbahnhof und im Tempus im Haus der Geschichte. Dann ging es 2011 zurück in die Dixieland Hall, die man sich fortan mit der Jazz Initiative teilte. Doch das Haus wurde verkauft, lange ging es hin und her, mittlerweile es teilt das Schicksal von vielen anderen Orten in Stuttgart. Verkauft und der Gier überlassen, mal schauen, wie sich noch mehr herausholen lasse. Zuletzt zahlte man sage und schreibe 70 000 Euro Miete im Jahr, was nur dank einiger wohlhabender Jazzer ging, die viel Geld in ihre Leidenschaft steckten. Doch 2020 gingen sie endgültig raus, „Ungeziefer, Verwerfungen im Boden, sanierungsbedürftige Heizung“, beklagen Ulmer und Manocchio. Zudem fielen für jedes Konzert schon mal 600 Euro Betriebskosten an. Für die Mitglieder ist das bitter, vermissen sie doch ihre Heimat, einen Ort, „wo man immer jemanden getroffen hat“. Der fehlt, und gerne würden sie wieder fest irgendwo unterkommen. Doch momentan wandern sie durch die Stadt.

Wo wird gefeiert?

Immer wieder hatte man auch anderswo veranstaltet, etwa Blues am Flora und Fauna, einen Frühschoppen im Biergarten auf der Karlshöhe, in der Kiste, bespielt nun das Riverhouse und Riverview Weinberghaus im Keefertal. Dort wird am Wochenende auch das Jubiläum gefeiert. Verschiedene Bands treten auf. Mittlerweile sind viele der Mitglieder in Ehren ergraut, 70 sind sie noch, sagt Ulmer. Der Nachwuchs spielt wieder Jazz, sagen sie, doch engagieren im Verein, das will sich auch keiner mehr. Doch wer weiß, vielleicht kommt der ein oder andere beim Jubiläums-Wochenende doch auf den Geschmack – und verliert die Angst vor Jazz.

Das Jubiläum

Konzerte
Im Riverview Weinberghaus im Keefertal treten am Samstag, 30.4., von 13.30 Uhr verschiedene Bands auf. Am Sonntag wird von 11.30 Uhr bis 17 Uhr musiziert. Weitere Konzerte gibt es in der Kulturkneipe Intus in Botnang, in der Kiste, im Biergarten auf der Karlshöhe und im Festzelt bei den Berger Sprudlern.