Kay Kromeier ist Partner in der Galerie Schlichtenmaier Foto: Schlichtenmaier

Die Folgen der Corona-Pandemie erschüttern den Kunstmarkt. Mit welchen Konsequenzen? Kay Kromeier, Partner in der Stuttgarter Galerie Schlichtenmaier, überrascht mit „einem riesigen Lob für den Auktionsmarkt“.

Der Kunstmarkt ist in einem massiven Umbruch. Eine Lesart heißt: Die Folgen der Corona-Pandemie beschleunigen die Konzentration und pulverisieren die Szenerie der Privatgalerien, wie wir sie bisher kennen. Grund genug, bei Expertinnen und Experten nachzufragen – heute bei Kay Kromeier, Partner in der in Stuttgart und in Grafenau ansässigen Galerie Schlichtenmaier. -

Herr Kromeier, die Corona-Pandemie wirbelt auch den Kunstmarkt durcheinander. Mit welchen Folgen?

Die Veränderungen sind erheblich. Durch den Umstand, dass wir im Moment nicht öffnen, nichts live zeigen können und auch die Sammler und Kunden sich nur vorsichtig physisch im Raum bewegen ist die ganze Idee/Betriebsform einer Ausstellungsgalerie momentan auf eine radikale Probe gestellt.

Die Auktionshäuser haben ihre Taktzahl erheblich erhöht. Was macht diese plötzlich massiv erhöhte Nachfrage mit dem Markt?

Jeder sucht und findet ja im Moment neue Wege, um Markt und Aufmerksamkeit zu generieren. Und zunächst darf ich den Kolleginnen und Kollegen vom Auktionsmarkt ein riesiges Kompliment machen.

Warum das?

Bereits frühzeitig haben sie es geschafft, ihr Publikum an die spezifischen Eigenheiten der medialen Kanäle zum Kunsterwerb zu gewöhnen – zunächst per Telefon und mittlerweile sogar auch in reinen online-Formaten. Dass das große Angebot bei einigen „gesetzten“ Namen zu überraschenden Bewegungen nach unten geführt hat, steht auf einem anderen Blatt und ist für alle Marktteilnehmer eine große Herausforderung. Das hängt ja bei Auktionen immer auch an vielfältigen Parametern, die nicht nur mit der Kunst, sondern auch viel mit den Umständen und Situationen zu tun haben.

Und wie können die Privatgalerien reagieren?

Die stationären Programmgalerien können und müssen zu Ihrem Konzept der konzentrierten Auswahl und Selektion einzigartiger Qualitäten stehen, für die sie dann auch ein entsprechendes Preisniveau am Markt definieren können. Dass sich Käufer und vor allem Verkäufer von Kunst seit einiger Zeit so konzentriert dem Auktionsmarkt zuwenden, ist ein Trend, dem die Galerien etwas entgegen setzen müssen und auch können.

Und das wäre?

Die Galerien machen die großen Schwankungen weder nach oben („Sensationspreise“, die dann in aller Munde sind) noch nach unten mit. Von daher sind wir die Garanten einer kontinuierlichen Werthaltigkeit der Kunst. Nicht zuletzt dadurch, dass wir in ständigem intensiven Kontakt und Austausch zwischen Künstlerinnen und Künstlern, Käuferinnen und Käufern – und, das ist ganz wichtig, Verkäuferinnen und Verkäufern von Kunst stehen, definieren und stabilisieren wir den Kunstmarkt.

Sie sehen sich als eine Art goldene Mitte?

Wie gesagt: Von der Akzeptanz der „magischen Kanäle“ profitieren auch die Galerien, deren Präsentationen per Website, Instagram oder Facebook durchaus ganz ernst genommen werden – sowohl als Mittel zur Information als auch zum Kauf. Ganz klar: nichts auf dieser Welt ersetzt das eigene Erlebnis eines Kunstwerks an Ort und Stelle. Aber die Galerien können vom Aufmerksamkeitserfolg der Auktionshäuser lernen und prüfen, welche der digitalen Strategien auch im Primärmarkt und für den stationären Kunsthandel erfolgreich sind.

Aber verkraftet die Galerieszene nach den verlorenen Debatten um eine verminderte Mehrwertsteuer und das Kulturgutschutzgesetz die Pandemie überhaupt noch? Oder erleben wir eine erhebliche „Marktanpassung“, sprich: ein Galeriensterben?

Gestorben wird nicht! Wir kommen den Umständen entsprechen gut durch die Engstellen dieser Pandemie und ich darf an dieser Stelle unseren Sammlerinnen und Sammlern sowie Interessentinnen und Interessenten sehr herzlich dafür danken, uns die Treue zu halten. Und was etwa. die Initiative Stuttgarter Galerien zeitgenössischer Kunst – kurz: Art Alarm – angeht, so weiß ich alle Kolleginnen und Kollegen unter uns, was mich freut und beruhigt. Und doch ist da noch etwas anderes.

Nämlich?

Zu den genannten Erschwernissen kommen die sich dramatisch verändernden Innenstädte und der Druck auf den stationären Einzelhandel hinzu.

Besondere Herausforderungen provozieren besondere Rollen. So haben die Galerien während der Schließung von Kunsthallen und Museen erhebliche Vermittlungsarbeit geleistet. Ist da auch ein neues Bewusstsein füreinander entstanden?

Ein wichtiger Punkt. Wir haben zum Beispiel 2020 hervorragend mit dem Museum in Bensheim zusammengearbeitet, wo wir im Herbst eine Bernd Berner Ausstellung zeigen konnten, die bei uns im März ins Corona-Wasser gefallen ist.

Und grundsätzlich?

Die Aufmerksamkeit füreinander ist groß. Wenn man sich trotz des unterschiedlichen Charakters der Institutionen helfen kann, tun wir das sehr gerne. Man hat ja viele Möglichkeiten, auch für kleine Gesten – etwa . einen Geburtstagspost für Willi Baumeister auf Instagram oder den Hinweis auf Camill Leberers Auftritt in der SWR-Fernsehsendung „Kunscht“.

Da wird doch Hoffnung für die Privatgalerien auch in Zukunft spürbar ...

„Vor Ort“ zu sein und im Bereich der käuflich erwerbbaren Kunst mit den Sammlerinnen und Sammlern sowie Künstlerinnen zu interagieren, Ausstellungen zu machen, ist für uns nach wie vor Markenkern und von zentraler Bedeutung. „Vor Ort“ heißt denn auch programmatisch unsere momentane Ausstellung in Stuttgart. Das bestätigt gerade auch die Bundesregierung mit dem Förderprogramm „Neustart Kultur“ für innovative Ausstellungsprojekte.

Das wird aber doch kaum reichen.

Unsere weiteren Dienstleistungen wie Sammlungsbetreuung, Beratung, mediale Präsentation und Termine bei der Sammlerschaft rücken durch Corona stärker ins Blickfeld und werden besser wahrgenommen. Kurz: Die Krise ist bei allen Beschränkungen auch ein Katalysator für neue Ideen.

Unter Überschriften wie „Blockchain“ und „Netzwerken“ gibt es aktuell in der nationalen wie der internationalen Kunstszene einen Debatten-Höhenflug. Er formuliert eine Absage an „Kommerz“ und „Hierarchie“. Entzieht das System Kunst so dem Kunstmarkt bewusst oder unbewusst gerade die potenziell Interessierten zwischen 30 und 40?

Na hoffentlich nicht. Gerade als junger Sammler würde ich mich freuen, auf die kenntnisreiche, lange Erfahrung der Fachleute zurückgreifen zu können, anstatt in einem Meer an Möglichkeiten zu versuchen, die richtige Entscheidung auf eigene Faust zu treffen.