Der Inhaber der legendären Stuttgarter Boutique kündigt den Umzug in ein neues Domizil an. Die Adresse ist noch ein Geheimnis, aber die Eröffnung ist für den 8. Oktober geplant.
„Bleiben Sie gespannt, bald gibt es Neuigkeiten.“ Horst Wanschura macht neugierig. Genau das bezweckt der Designer und Inhaber der gleichnamigen Boutique für Avantgarde-Mode mit seinen wohl dosierten Nachrichten, die Umzug und neues Domizil verheißen. In einer Zeit, in der die Modebranche mit großen Problemen kämpft, Unternehmen wie Gerry Weber, Hallhuber oder der Schuh-Götz aufgegeben haben und auch in Stuttgart Namen wie Maute Benger oder Uli Knecht verschwinden, startet Wanschura nochmal neu.
„Die Kronprinzstraße hat keine Laufkundschaft mehr“
Wirtschaftliche Notwendigkeiten stehen auch hinter dieser Entscheidung: „Die Kronprinzstraße hat keine Laufkundschaft mehr“, musste er feststellen. Vor allem seit dem Auszug des Möbelgeschäftes Habitat. Die Pandemie tat ein Übriges: „Jeder hat Federn gelassen, und keiner hat sich wirklich davon erholt“, weiß der Geschäftsmann. Wer überlebt habe, müsse kämpfen. Oder, wie er, für bessere Bedingungen sorgen: Stimmt die Lage nicht mehr, wird sie geändert.
Vor 28 Jahren, am 8. Oktober 1997, hat Horst Wanschura sein Geschäft in der Kronprinzstraße eröffnet. „Ein Hammer-Event“, schwärmt er vom Opening. 900 Gäste seien gekommen, auch aus Paris und Mailand, und alle top in Schale. Heißt: In Kreationen der hier vertretenen Designer. Der junge Stuttgarter hatte sich da schon einen Namen gemacht, in der Modewelt ebenso wie bei einer Klientel, die das Außergewöhnliche wollte – und zu zahlen bereit war.
Gaultier und Comme des Garçons – „das war mein Stil“
Im Modehaus Beate Mössinger, das von Louis Vuitton über Prada bis Bottega Veneta und Gucci Namen der Haute Couture vertrat, hatte er Einzelhandelskaufmann gelernt, die Mössinger-Boutique in Baden-Baden geführt, die Stuttgarter Dependance von Jil Sander und die Boutique von Angela Grashoff als weitere Stationen absolviert, dann wollte er seine eigenen Vorstellungen verwirklichen und eröffnete 1985 die erste Boutique. Auch auf der Kronprinzstraße, auf der anderen Straßenseite, gerade mal 100 Quadratmeter groß, mit Gaultier aus Paris, Comme des Garçons aus Japan und Dietmar Sterling aus New York im Angebot. „Das war genau mein Stil“, sagt Wanschura. Und immer mehr Damen machten seinen Stil zu ihrem. Weil die Männer auch „so coole Sachen wollten“, nahm er Herrenmode ins Sortiment. „Dann bin ich aus allen Nähten geplatzt und hierher auf 350 Quadratmeter gezogen.“
Was ist sein Stil? Wanschura, ergraut aber unverändert jugendlich smart, trägt ihn wie eine zweite Haut: „Man muss leben, was man trägt.“ An diesem Trag ist es ein Stretch-Leder-Anzug von Isaac Sellam, dazu Ringelshirt und Stiefel von Rick Owens: „Mein Lieblingsoutfit.“ Ein Wohlfühl-Dress, denn der Fortschritt in der Entwicklung von Stoffen und Materialien bringe unglaublichen Tragekomfort. Was er bei Designer wie Issey Miyake, Yohij Yamamoto, Rundholz, Ottolinger oder Eckhaus Latta ordert, ist der perfektionierte Minimalismus: Außergewöhnlich, auch mal exzentrisch und schräg, nie Chichi, viel Schwarz, zu dem Rot den Kontrapunkt setzt. Miyake liefert mit dem typischen Plissee Farben und Muster, dem Sommer wird mit Weiß gehuldigt. Am schönsten in einem Kleid von Rundholz, gebauscht und aufgeplustert. Tragbar wie alles. Mit der Attitüde des Selbstverständlichen.
Wanschura, eher leise und zurückhaltend, bekennt sich dazu, den Stil seiner Klientel prägen zu wollen, „trotzdem sehen alle individuell aus“. Das seien keineswegs nur Leute aus der Kreativszene, in führenden Positionen oder aus der Halbhöhenlage, sondern Menschen aus allen Berufen, die das Besondere wollen: 880 Stammkunden aus ganz Deutschland. Denn er hat ein untrügliches Gespür dafür, was zu wem passt, will nie überreden, nur überzeugen, und schon gar nicht verkleiden: „Meine Aufgabe ist es, die Kundin“ – zuvorderst also die Damen – „zum Strahlen zu bringen. Wenn ich mir gefalle, strahle ich und besitze Ausstrahlung.“ Das Geheimnis des Erfolgs. Und das sei nicht nur teuer zu erkaufen, wehrt sich Wanschura gegen den Ruf des Elitären. Auch im Sommerkleid der spanischen Designerin Lurdes Bergada für wenig mehr als 200 Euro tanzt frau attraktiv aus der Reihe.
Horst Wanschura war immer schon nachhaltig unterwegs
Ganz in seinem Sinne ist das aktuelle Thema Vintage, hochwertige Mode aus den letzten Jahrzehnten. „Ich habe immer nachhaltig eingekauft, erstklassig in Material und Verarbeitung, manche Kundinnen haben meine Sachen seit 40 Jahren im Schrank.“ Mode, die nicht aus der Mode kommt und neu kombiniert wieder hochaktuell ist. Macht er selbst auch. Sein Credo: „Für mich ist jeder Tag schön, wenn ich mich in meinem Outfit wohl fühle, ich brauche meine Hülle, sie trägt mich durch die Zeit.“ Auch durch schwierige Zeiten, und jetzt in die Zukunft: „Ich werde genau am 8. Oktober das neue Geschäft eröffnen“, kündigt Wanschura an. Die Adresse ist noch geheim. Nur so viel: Im gleichen Quartier. In neuem Look. Es bleibt spannend.