Das Ehrenamt stand im Mittelpunkt beim Festakt „Stuttgarter/Stuttgarterin des Jahres“ in den Räumen der Volksbank Stuttgart – und die Menschen, die darin Herausragendes leisten. Eindrücke eines bewegenden Abends.
„Die Ehrenamtlichen bewirken Großes im Kleinen und geben der Stadtgesellschaft mit ihrem Einsatz ein menschliches Gesicht“, so würdigte Oberbürgermeister Frank Nopper die Arbeit aller, die sich in ihrer Freizeit für andere Menschen sowie für den Natur-und Tierschutz engagieren. Deshalb bekamen die Gewinner des Ehrenamtspreises und alle dafür Nominierten samt ihrer Paten einen großen Bahnhof in den Räumen der Volksbank in Bad Cannstatt. Die Stuttgarter Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten richteten gemeinsam mit der Volksbank Stuttgart den Preis „Stuttgarter/in des Jahres“ aus. Die Bank stiftete das Preisgeld, dieses Jahr insgesamt 15 000 Euro, und war Gastgeberin für den Festakt. „Die Vielfalt des Ehrenamtes in Stuttgart ist überwältigend. Und es gibt keine Verlierer. Jede Idee ist wertvoll“, betonte Hausherr Andreas Haas, Mitglied des Vorstands der Volksbank Stuttgart, bei seiner Begrüßung der rund 90 geladenen Gäste in der Volksbank-Zentrale in der Daimlerstraße.
Viele machten mit beim Online-Voting
Das bis dahin nicht veröffentlichte Ergebnis des Online-Votings von Anfang Februar wurde bei dem Festakt von Moderator Jan Sellner (Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten) gelüftet. 9254 Stimmen wurden abgegeben, und dieses Ergebnis zeigt, wie groß das das Interesse am Engagement der Ehrenamtlichen ist. 23,2 Prozent gaben ihre Stimme Georgios Metaxarakis, den Leiter der Kinderfußball-Akademie des MTV. Fußball ist hier viel mehr als gegen den Ball treten. Es ist gelebte Integration, Inklusion und Toleranz. Laudator Kerim Arpad, der Geschäftsführer des Deutsch-Türkischen Forums, berichtete, dass er selbst als kleiner Junge beim Fußballspielen Georgios Metaxarakis kennengelernt hatte. „Er hat die Kinderfußball-Akademie zu einer der größten Jugendtalentakademien in Deutschland gemacht.“
Preis für den Lebensmittelretter
Gegen die Verschwendung von Lebensmitteln hat Harry Pfau ein Konzept entwickelt. In Harrys Bude vor der Marienkirche unter der Paulinenbrücke holen sich seit Sommer 2020 täglich 200 bis 300 Menschen mit kleinem Geldbeutel kostenlos Gemüse, Obst, Brot und Milchprodukte ab – Waren, die der Handel in die Tonne werfen würde. Es werden ständig mehr Menschen, die zu Harrys Bude kommen, weil alles teurer wurde. 20,9 Prozent gaben ihre Stimme Harry Pfau für sein Projekt. Erst kürzlich hatte Ernährungsminister Cem Özdemir Harrys Bude besucht. „Das Fröhliche an Harrys Bude liegt im wesentlichen an Harrys Person. Er steht immer da und strahlt“, hob Jurymitglied Sara Dahme, Kunstvermittlerin und Betreiberin des Kulturkiosk am Züblin-Parkhaus in ihrer Laudatio hervor.
17,3 Prozent stimmten für Ralf Oberfell, der das Johanniter-Kriseninterventionsteam leitet. Er und sein Team sind zur Stelle, wenn Angehörigen die furchtbare Nachricht vom Tod eines Familienmitglieds überbracht wird und die Hinterbliebenen Hilfe und Unterstützung benötigen – und sei es auch nur, dass ihnen jemand zuhört. „Ehrenamt ist so ein schnuckeliges Wort, aber hier bedeutet es Stress in den Einsätzen und knallharte, psychische Belastung“, würdigte Christoph Reisinger, Chefredakteur der Stuttgarter Nachrichten, die schwere und belastende Aufgabe, die Oberfell und sein Team übernommen haben.
Sonderpreis für zwei junge Frauen
An Joachim Dorfs, Chefredakteur der Stuttgarter Zeitung, und Volksbank-Vorstand Andreas Haas war es, die Laudatio für den Sonderpreis der Jury zu halten, der in diesem Jahr an zwei Frauen geht. Beide kommen ursprünglich aus der Ukraine und haben seit Ausbruch des Krieges im Februar 2022 ihre ganze Energie in die Unterstützung ihrer geflüchteten Landsleute investiert.
Vita Kochurova belud schon am zweiten Tag nach Kriegsbeginn mit der Hilfsorganisation Stelp einen Lastwagen mit Hilfsgütern. Dann bildete sie ein Team, das ankommende Flüchtlinge am Hauptbahnhof in Empfang nahm. Auf ihr Betreiben entstand der Verein Wolja. Hier arbeiten heute auch Geflüchtete mit, um ihren Landsleuten das Ankommen im fremden Land zu erleichtern. Vita Kochurova, die von Beruf Krankenschwester ist, organisierte zudem gemeinsam mit geflüchteten Lehrerinnen den Unterricht für ukrainische Kinder. Aktuell betreut sie bei der Bürgerstiftung ein Projekt für Familien mit behinderten Kindern. „Sie zeigt, dass es falsch ist zu glauben, dass man als Einzelner nichts bewirken kann“, würdigte Andreas Haas ihr spontanes Engagement.
Die Rede, die Afina Albrecht kurz nach dem russischen Überfall auf dem Schlossplatz gehalten hatt, hat einen starken Eindruck hinterlassen. Für die Stadt übernahm sie anschließend die Aufgabe, Hilfen zu koordinieren. Alle Spenden und ehrenamtlichen Unterstützungsangebote mussten in die richtigen Bahnen gelenkt werden: der Einsatz der Ehrenamtlichen in den Unterkünften, am Bahnhof, am Telefon; die ankommenden Sachspenden mussten verteilt werden, die Hotline besetzt sein. Ein riesiger logistischer Aufwand. Mittlerweile koordiniert Afina Albrecht, die Projektleiterin im Software-Bereich ist, das Projekt „Gemeinsam! Gute Orte stärken“ bei der Bürgerstiftung. „Bei Afina Albrecht ist der Begriff Ehrenamt viel zu eng. Rund um die Uhr und über viele Monate hatte sie ihr eigenes Leben auf Pause gestellt“, sagte Joachim Dorfs in seiner Laudatio.
„Gewinner sind wir alle“
Georgios Metaxarakis brachte es in seinem Dank für die Auszeichnung zum Stuttgarter des Jahres auf den Punkt: „Gewinner sind wir alle“ – ausdrücklich auch diejenigen Nominierten, die beim Online-Voting nicht auf den ersten drei Plätzen lagen, gleichwohl aber Großartiges im Ehrenamt bewirken: Marcel Yousef (Verein Silberpfoten), Manfred Schmitz (Leseohren), Detlef Rasch (CSD), Sabine Novak (Hospizarbeit), Rolf Münzmay (Naturfreunde) und Gudrun Hähnel (Verein Kultur für alle).
Alle Nominierten erhielten den kleinen Stuttgarter Ehrenamts-Oscar, gefertigt im Kreativatelier der Stuttgarter Behinderteneinrichtung BHZ. Für die musikalisch stimmungsvolle Atmosphäre sorgten die aus Südafrika stammende Sängerin Thabilé gemeinsam mit ihrem Partner Steve Bimamisa – beide sind selbst ehrenamtlich engagiert und begleiten Schülerprojekte in Baden-Württemberg. Viel Stoff also für Gespräche bei dem von der Volksbank organisierten, anschließenden Empfang. Mit dabei: Herbert Dachs, Geschäftsführer der Medienholding Süd, Volksbank-Vorstand Oliver Grötsch, Bärbel Mohrmann, Geschäftsführerin Pro Stuttgart und viele mehr.