Kritik gibt es unter anderem an den Zuschüssen der Stadt Stuttgart beim Kantinenessen und an der Vergabe von Stadionkarten für den VfB an verdiente Mitarbeiter. Foto: Achim Zweygarth

Das Finanzamt moniert die Praxis beim Einsatz von Fremdpersonal, den Umgang mit Essenszuschüssen und die Praxis bei der Vergabe von VfB-Karten an städtische Mitarbeiter. Der Stadt droht nun eine hohe Steuernachzahlung.

Stuttgart - Alle paar Jahre wird das Handeln der Landeshauptstadt vom Finanzamt unter die Lupe genommen. Dieses Mal fiel die Kontrolle intensiv aus – und förderte eine große Zahl von Vorgängen zutage, die moniert wurden. Es geht unter anderem um die Beschäftigung von Scheinselbstständigen. Der Stadt droht offenbar eine Steuernachzahlung im unteren einstelligen Millionenbereich.

Die Prüfer haben in der zweiten Hälfte 2019 Vorgänge der Jahre 2014 bis 2018 gesichtet. Darunter waren rund 5000 Fälle, bei denen die Stadt Fremdkräfte beschäftigt hatte; Hilfskräfte mit den unterschiedlichsten Aufgaben, etwa Ordner bei Veranstaltungen, die teils nur vereinzelt, mitunter aber auch regelmäßig zum Einsatz kamen. In rund 780 Fällen bestand der Verdacht von Scheinselbstständigkeit.

Hier hat die Verwaltung gehandelt: Mit Zustimmung des Gemeinderats hat man 60 Stellen geschaffen, um ein Reservoir zu haben, das es ermöglicht, auch bei Kurzeinsätzen Personal etwa per Werkvertrag oder Minijob regulär anzustellen. Verwaltungsbürgermeister Fabian Mayer (CDU) spricht von einer „kleinen Verwaltungsreform“, die man in der Folge der Steuerprüfung vornehme. So sei der Einsatz von Fremdkräften bisher dezentral in den Ämtern geregelt worden. „Wir haben diese Stellen in einem Pool zentral zusammengefasst, um weiterhin erforderliche Leistungen abzusichern“, erklärt Mayer. „Der Gemeinderat hat unseren Vorschlägen für ein besseres Steuer-Controlling zugestimmt.“

Es geht um Fahrten mit Chauffeur und Vergabe von VfB-Karten

Es sind viele Fragen, die durch die Steuerprüfung aufgeworfen wurden. Und es sind beileibe nicht alle abgearbeitet. Zu den einfacheren Themen zählt der Einsatz von Chauffeuren durch die Bürgermeister bei Fahrten von oder zur Arbeit. Dass die Bürgermeister die Fahrzeuge privat nutzen und entsprechend pauschal versteuern, ist anerkannt. Die Inanspruchnahme eines Fahrers etwa bei der Heimfahrt aber wäre darüber hinaus ein geldwerter Vorteil, der zusätzlich versteuert werden müsste. „Bürgermeister nehmen für Fahrten zwischen Privatwohnung und Rathaus keine Fahrer in Anspruch“, versichert Fabian Mayer. „Aber schon die theoretische Möglichkeit dazu löst laut Finanzamt eine Steuerpflicht aus“, sagt der Verwaltungsbürgermeister. Hier hat die Verwaltung eine Lösung gefunden. Man werde eine Richtlinie erstellen, „die ein Verbot für solche Fahrten ausdrücklich enthält und somit künftig auch den formalen steuerlichen Anforderungen genügt“, so Mayer.

Auch die Vergabe von Karten für VfB-Spiele ist Gegenstand der Prüfung. Immerhin steht der Stadt unter anderem als Gesellschafterin der Stadion GmbH ein Kontingent von 80 Karten für jedes Heimspiel zu. Für die Stadträte, versichert die Kämmerei, habe man schon vor sechs Jahren eine Regelung gefunden, die mit der Oberfinanzdirektion abgestimmt sei. Danach erhalten Mitglieder des Sport- und des Wirtschaftsausschusses, die kommunalpolitisch mit dem VfB zu tun haben, zwei Freikarten so, ab der dritten müssen sie diese in der Steuererklärung angeben. Darauf werden sie hingewiesen. Für alle übrigen Räte gilt die Steuerpflicht schon von der ersten Freikarte an.

Essensmarken – ein kniffliges Thema

Aber es werden auch Karten an Mitarbeiter ausgegeben, als sogenannte Insentives, also als Motivationsanreize. Das Problem aus steuerlicher Sicht aber ist nach Angaben der Stadt jener Anteil des Kartenkontingents, der gar nicht in Anspruch genommen wird, über den aber keine Dokumentation vorliegt, die das Finanzamt aber erwartet.

Das vielleicht kniffligste Thema sind aber die Essensmarken, welche die Stadt an einige Tausend ihrer rund 15 000 Beschäftigten ausgibt, wo diese keinen Zugang zu einer Kantine haben. Die Marken sind 1,50 Euro wert. Von den Steuerprüfern wird dieser Zuschuss aber nur dann nicht beanstandet, wenn das Essen mindestens 4,90 Euro kostet. Aber was ist, wenn ein Mitarbeiter nur ein Fleischkäsweckle oder ein süßes Stückle kauft? Dokumentiert ist das nicht. „Hier brauchen wir ein pragmatisches und rechtssicheres System“, sagt Bürgermeister Mayer. In diesem Fall geht es in dem Steuerstreit um eine mögliche Nachzahlung im Bereich von Hunderttausenden Euro.

Wie hoch die gesamte mögliche Nachzahlung ist, sagt die Stadt nicht. Die Sachverhalte seien nicht abschließend geklärt, erklärt Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU). „Die Stadt und das Finanzamt befinden sich in den üblichen Abstimmungsgesprächen einer Außenprüfung. In einigen Punkten gibt es noch Dissens. Wir sind aber zuversichtlich, dass sich verschiedene Punkte noch klären lassen und eine Einigung erzielt werden kann“, so Fuhrmann. Es wird derzeit eine mögliche Nachzahlung zwischen einer und drei Millionen Euro kolportiert. Im Mai soll ein abschließendes Gespräch von Stadt und Finanzbehörde stattfinden.