Die Weißtanne auf dem Schlossplatz ist aufgestellt. In diesem Jahr wird der Baum aber nicht ganz so lang und ganz so hell leuchten wie sonst.
Weihnachten ist auf dem Kalender in Sichtweite und vor einem alljährlichen Weihnachtsprojekt graut es manchem jetzt schon: Wie bekomme ich den Weihnachtsbaum bloß in den Christbaumständer? Mal ist der Stamm zu dick, mal sind Äste im Weg, mal will das Ding einfach nicht gerade oder überhaupt stehen. Was schon im heimischen Wohnzimmer zu einer Herausforderung werden kann, ist auf dem Stuttgarter Schlossplatz ungleich komplexer. Der Weihnachtsbaum 2022 vor dem Königsbau ist in diesem Jahr 22 Meter hoch, fünf Tonnen schwer, nicht unbedingt ganz gerade und hat – wie jeder Baum – seine schöneren und auch nicht ganz so schönen Seiten. Wobei die Schönheitskriterien bei Weihnachtsbäumen je nach Betrachterin und Betrachter bekanntlich sehr unterschiedlich ausfallen können, Baumverkäufer können da viele Geschichten erzählen.
Der Baum stammt aus dem Welzheimer Wald und ist 75 Jahre alt
Der Stuttgarter Schlossplatz-Baum ist diesmal eine Weißtanne und stammt aus dem Welzheimer Wald. Dort hat sie ForstBW – eine Anstalt des öffentlichen Rechts und seit 2020 für die Bewirtschaftung des Staatswalds im Land verantwortlich – zum Schlagen freigegeben, die Tanne wäre also so oder so gefällt worden. Der Baum durfte 75 Jahre alt werden, bevor er jetzt als Weihnachtsbaum sozusagen ein letztes Highlight erlebt.
Gefällt wurde er am Vortag, dann ging es nachts per Schwertransport und mit Polizeieskorte die 40 Kilometer nach Stuttgart. Das erlebt auch nicht jeder Baum. Für die Vormittagspassanten auf dem größten Platz der Landeshauptstadt war die Weißtanne ein beliebtes Film- und Fotomotiv, wodurch sie vermutlich zumindest kurzzeitig zum meistgeklickten Baum in den sozialen Netzwerken mutierte, eine Tanne mit Starcharakter sozusagen.
Bevor es dann per Schwerlastkran erst einmal hoch hinauf in die Lüfte ging, war noch ein bisschen Baumkosmetik gefragt – bei der Größe per Motorsäge, nicht mit dem Fuchsschwanz. Unten war der Stamm noch ein, eineinhalb Meter zu lang, ein bisschen weiter oben standen Äste in Normalweihnachtsbaumgröße im Weg. Der Kranführer zeigte viel Fingerspitzengefühl, als er den Baum dann sicher und zentimetergenau in den überdimensionalen Christbaumständer in Form einer hohen und ausgesprochen stabilen Metallhülse hievte. Seitdem steht der größte Stuttgarter Weihnachtsbaum und wartet darauf, geschmückt zu werden.
22 500 LED-Lämpchen: das ist die Hälfte der Leuchtkraft der Vorjahre
Die Schlossplatztanne 2022 wird ein bisschen anders leuchten, als ihre Vorgängerinnen. Zwar wird sie warm- und kaltweiß scheinen und manchmal auch blinken. Aber die beiden Höhenarbeiter, zwei Dekorateurinnen und eine Veranstaltungstechnik-Fachkraft werden ab 7. November weniger als sonst zu tun haben: Es werden nur noch rund 3,5 Kilometer Lichterketten mit 22 500 LED-Lämpchen um die Äste gewickelt, was etwa der Hälfte der Leuchtkraft der Vorjahre entspricht. Das hat die Stadt mit Blick auf die aktuelle Lage und die damit verbundene Energiekrise beschlossen.
Eingeschaltet wird der Weihnachtsschmuck zum ersten Mal am 23. November, wenn auch der Weihnachtsmarkt eröffnet wird. Er wird dann bis ins neue Jahr hinein den Schlossplatz immer wieder stimmungsvoll erhellen, allerdings auch nicht so ausgiebig wie früher. 240 Stunden insgesamt soll der Baum den Platz illuminieren, sein Vorgänger hatte im vergangenen Jahr noch 450 Lichtstunden. Und wenn dann Anfang Januar das letzte LED-Lämpchen erloschen ist und die Äste von den Lichterketten befreit sind, endet der letzte große Auftritt der Weißtanne. Dann geht es für sie ganz cradle-to-cradle-gemäß zurück in den Holz-Kreislauf – zersägt und gehäckselt.