Viljas Taufe im Jahr 1953. Foto: Wilhelm

Seit 1952 leben die sensiblen Dickhäuter in der Wilhelma. Für Elefanten wird nun eine neue Welt gebaut – ein Gehege, das weltweit Maßstäbe setzt. Unser Stuttgarter Album erinnert an Publikumslieblinge mit Rüssel.

Stuttgart - Mächtiger Körper, riesige Ohren und langer Rüssel – dafür werden Elefanten geliebt, aber auch, weil die XXL-Geschöpfe sensible und intelligente Wesen sind. Ihre Existenz ist aber bedroht. Weltweit gibt es nur noch 20 000 Tiere in freier Wildbahn. Zwei Dickhäuter sind in der Wilhelma den Pflegern und dem Publikum ganz besonders ans Herz gewachsen: Zella (sie ist vermutlich 54 Jahre alt) und Pama (vermutlich 55 Jahre alt) sind eine Touristenattraktion. Damit den beiden letzten Elefantenkühen von Stuttgart nichts passiert, schauen die Wilhelma-Leute noch viel sorgfältiger als ohnehin schon nach ihnen. Elefanten sind Herdentiere. Würde eines der beiden sterben, müsste das andere in einen anderen Zoo umziehen. „Wir wollen beiden ihr Altenteil in der Wilhelma am angestammten Ort gönnen“, sagt Pressesprecher Harald Knitter, „aber wenn eine der beiden stirbt, wollen wir die andere in die Altersresidenz für Elefanten in Karlsruhe geben.“

Bis Juli 2010 waren Elefanten zu viert unweit des Neckars. Dann starben innerhalb von zwölf Monaten Vilja – mit 61 Jahren als älteste Elefantenkuh in Europa – und Molly mit 45 Jahren. Vilja ist die Urahnin der Wilhelma: 1952 kam sie mit zwei Kolleginnen nach Stuttgart. Molly aus Indien war stets darauf aus, mit List bei der Fütterung eine Extraportion zu ergattern. Als Streichel- und Reittier hatte sie eine großen Fanclub. Molly konnte mit dem Rüssel Schrauben lösen und deckte Schwachstellen etwa bei Toren auf.

Vilja war Teil der Ausstellung „Indische Dschungeltiere“

Dass Elefanten in Stuttgart heimisch wurden, ist dem legendären Wilhelma-Chef Albert Schöchle zu verdanken, der sich selbst „Schlitzohr“ nannte. So heißen die Memoiren, die er vor 40 Jahren geschrieben hat und in denen er schildert, wie er mit Raffinesse und Tricks Stuttgart zum Zoo verholfen hat.

Mit einer Aquarienausstellung fing 1949 im botanischen Garten alles an. Um die Wilhelma nach den Kriegszerstörungen attraktiv zu machen, organisierte der im Allgäu geborene Gärtner Sonderschauen  Von den  lebenden Exponaten mochte er sich nicht trennen.   Die  Tiere blieben einfach da – auch   Vilja. Sie war Teil der Ausstellung  „Indische Dschungeltiere“. Generationen von Stuttgartern liebten sie. Wer weiß, vielleicht wird das neue Elefantenhaus mal nach dem Publikumsstar benannt? In der Wilhelma entsteht gerade die neue Anlage – die Pläne dafür gelten als weltweit einzigartig.

Die Anlage wird so groß, dass eine Herde Nachwuchs bekommen kann

Dem  Zoodirektor  Thomas Kölpin ist das Wohlergehen seiner Elefanten wichtig. Die Wilhelma setzt neue Maßstäbe in der Elefantenhaltung.  Für 14 Dickhäuter soll die Anlage gebaut werden, in der sie sich begegnen und separieren können, ganz wie es ihnen gefällt. In den Anfangsjahren standen die Elefanten im Bereich der Remise, dort, wo heute das Insektarium ist.  Ein artgerechtes Gehege mit Dickhäuter-Haus wurde 1968 eröffnet und die Außenanlage 2012 umgestaltet. Dort waren bis zu vier Elefantenkühe untergebracht. Nach heutigem Standard bietet die Anlage aber zu wenig Platz.

 Mit dem Bau der Elefantenwelt wird die Pflege der Tiere zukunftweisend verändert, indem die Pflegerinnen und Pfleger nicht mehr mit den Tieren in die Gehege hineingehen, so dass die Elefanten in einem natürlichen Sozialgefüge leben können. Die Anlage wird mit anderthalb Hektar so groß, dass auch eine kleine Herde Platz hat und Nachwuchs bekommen kann, was ebenfalls für das Zusammenleben wichtig ist.

Das Kleingeld gaben die Elefanten an die Wärter weiter

Der Elefant ist das Wappentier der Wilhelma. Früher sind die Wärter mit den Elefanten morgens durchs Gelände geritten. In den 80ern konnte man auf der Pragstraße aus dem 13er früh morgens zuschauen, wie die durch den Zoo spaziert sind, als die Wilhelma noch geschlossen war. Dem Facebook-Forum unseres Stuttgart-Albums hat Günther Ahner sein „erstes Elefantenfoto überhaupt“ anvertraut. Er schreibt dazu: „Ich erinnere mich  daran, dass man die Elefanten füttern durfte, und sie konnten sehr genau unterscheiden, ob man ihnen Erdnüsse oder Groschen gab. Die Erdnüsse oder Bananen fraßen sie, und mit dem Kleingeld gingen sie zum Wärter, steckten es ihm in die Tasche und bekamen eine verdaubare Belohnung von ihm.“ Ebenso erinnert er sich, wie er mit einer Tragtasche und Schirm vor den Elefanten stand. „Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie mein Vesper nebst Knirps mit dem Rüssel entwendet wurde“, schreibt er, „der Wärter holte zum Glück alles wieder schnell aus dem Maul und gab es mir zurück. Brotzeit und Schirm waren nach dieser Aktion allerdings unbrauchbar.“

„Die wilden Tieren haben aus der Wilhelma zu verschwinden“

Zurück zu den Anfängen der Wilhelma, als diese neben der Botanik die Tierwelt  entdeckte: Wichtige Herren in den Ministerien fanden’s nicht lustig, dass  „Schlitzohr“ Schöchle Elefant und Co. nach Sonderausstellungen in Stuttgart behielt.  „Die wilden Tiere haben aus der Wilhelma zu verschwinden“, teilte man ihm mit. Der Kritisierte griff zu einer weiteren List. Eine der Löwendamen hatte Nachwuchs bekommen. Der Zoo-Chef lud den neuen Finanzminister zur Löwentaufe ein. Offensichtlich wusste dieser nicht, was in seinem Haus diskutiert wurde, dass man dort die Wilhelma, inzwischen ein Halbzoo, zum reinen botanischen Garten zurückführen wollte. Beim Anblick der putzigen Löwenbabys wünschte der Minister öffentlichkeitswirksam, „dass diese Löwenkinder die Stammmütter eines kräftigen Löwengeschlechts in der Wilhelma sein werden“.

So ist es gekommen. Später durfte ein Finanzminister sogar auf einem Elefanten reiten. 2015 war’s, als die Mitarbeiter von Nils Schmid dem Chef zum Geburtstag einen Ausflug auf den Elefantenrücken schenkten.

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