So sah die Kaufhalle (später: Sportarena) im Jahr 1959 aus. Heute klafft hier an der Ecke König-/ Schulstraße ein Loch.   Foto: Sammlung

Nach der Festnahme des Investors René Benko fragen sich viele, was aus dem Bauloch wird, das er an der Ecke König- / Schulstraße hinterlassen hat. Unser Stuttgart-Album blickt zurück auf das, was sich hier befand – auf eine alte Pracht.

Was ist aus der alten Pracht geworden? An der Schulstraße, die einst bundesweit eine Vorreiterrolle gespielt hat, stehen Läden leer. Am oberen Teil der Gasse an der Königstraße klafft obendrein ein großes Bauloch, das sich nach dem Abriss der Sportarena vor zwei Jahren auftut. Die Signa Group des österreichischen Investors René Benko, der in Untersuchungshaft sitzt, hatte den Neubau auf diesem Areal unter dem Namen „Zwei hoch fünf“ vermarkten wollen. Daraus, so weiß man jetzt, wird nichts. Was inzwischen feststeht: Die Dibag AG übernimmt die Brache des Pleitiers und will unter dem neuen Projektnamen Patio ein „elegantes Büro- und Geschäftsgebäude“ mit 7000 Quadratmetern zum Mieten schaffen. Der neue Entwurf stammt von den Steidle Architekten in München, die bereits mit der Signa zusammengearbeitet haben.

Verborgenes kam zum Vorschein

Blicken wir auf die Historie dieses Quartiers zurück: Nach 65 Jahren war 2023 das Gebäude, in dem sich zuletzt die Sportarena befand und davor die Kaufhalle, abgerissen worden. Damit kam Verborgenes zum Vorschein. An der nun freigelegten Fassade an der Schulstraße sieht man jetzt die Firmennamen Siegle und Allgeyer. Bei Siegle handelte es sich um eine Drogerie, bei Allgeyer um einen Feinkostladen.

Im Internetportal unseres Geschichtsprojekts Stuttgart-Albums schreibt Willi Kerler: „Die Drogerie Siegle war noch in den 1970ern und Anfang der 1990er in Leonberg auf dem Marktplatz vertreten und wurde dann von Godel geschluckt.“ Gisela Salzer-Bothe teilt mit: „Nach meinen Erinnerungen hatte Allgeyer an der Schulstraße ein Lädle, in dem Nüsse, getrocknetes Obst, Müsliriegel verkauft wurden. Und wo ich getrocknete Bananen kaufte, die ich mit Begeisterung schlotzte.“ Und der Gastrosoph Bernd Heidelbauer erinnert sich: „Der Trockenfrüchteladen Allgeyer fusionierte in den 1960ern mit Feinkost Böhm.“

Die Schule, nach der die Straße benannt ist, gibt es schon lange nicht mehr. Auch die alte Pracht der Fachwerkhäuser, die aus dem 15. und 16. Jahrhundert stammten, ist Vergangenheit, zerstört von den Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Schulstraße verbindet die Königstraße mit dem Marktplatz. Sie überbrückt einen Höhenunterschied, der auf den früheren Stadtwall zurückzuführen ist, der im Mittelalter das alte Stuttgart umschlossen hat. Neben dem Wall stand die Stadtmauer.

Seit 1953 ist die Schulstraße autofrei

In der Stadtgeschichte spielt die Schulstraße, heute eine 130 Meter lange Gasse, keine unerhebliche Rolle. Bundesweit hat man ihr in den 1950er Jahren als Fußgängerzone eine Vorbildfunktion zuerkannt. Die Schulstraße war Wegbereiter für die Verbannung von Autoblech aus der City. Dass die Stuttgarter bei abgasfreien Zonen die Nase vorne hatten, wie es immer wieder kolportiert wird, ist freilich nicht ganz korrekt.

Die Schulstraße in den 1950ern. /Foto: Archiv

Gisela Salzer-Bothe, die Kommentatorin unseres Stuttgart-Albums, teilt noch weitere Erinnerungen: „Die Firmeninhaber der Schulstraße kannten sich gut, das Klima war bestens – etwa mit Metzgerei Haarer, Schmuck Benk, dem Apotheker, dem Nordsee-Chef, dem einarmigen Portier vom Tritschler, Friseur Hörmann, Zigarren Schweiker.“ Michael Rauser fragt: „Wer kennt noch die sprechenden Automaten für Süßigkeiten in der Schulstraße?“ Er weiß noch, dass es Ende der 1950er hier viele Automaten gab: „Kaugummi, Filme, Bücher, Zeitungen, Blumen, Damenstrümpfe, Süßigkeiten – alles mechanisch und ohne Stromanschluss.“

„Union“ stand auf dem Kaufhausdach

Auf alten Fotos sieht man: Auf dem Dach des mehrgeschossigen Gebäudes, das sich am Ende der autofreien Gasse befindet, ragte das Wort „Union“ in weißen Lettern in die Höhe. Nein, es handelte sich dabei nicht um die Parteizentrale von Adenauers Union, es war ein Kauftempel der Wirtschaftswunderzeit in Stuttgart. Bis 1963 behielt das Warenhaus den Namen Union, ehe es nach dem Namen des jüdischen Gründers Hermann Tietz zu Hertie geworden ist. Aus Hertie wurde Karstadt, aus Karstadt Primark – die Schulstraße aber ist die ewige Konstante.

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