Hoher Schnee im Februar 1958 auf dem Schlossplatz. Im Hintergrund ist der Königsbau mit Gerüst zu sehen, dessen Wiederaufbau eineinhalb Jahre später fertig war. Foto: /Weinmann

An Silvester war’s warm wie im Frühsommer. Die harten Winter liegen lange zurück. Unser Stuttgart-Album blickt auf Zeiten zurück, als die Neue Weinsteige eine Skipiste war, Schneeplastiken vorm Neuen Schloss erfreuten und es Packeis auf dem Neckar gab.

Der Klimawandel schreitet immer weiter voran. Im vergangenen Jahr war es in Deutschland so warm wie noch nie zuvor. Der Deutsche Wetterdienst in Offenbach hat eine erste Bilanz vorgelegt: Die Durchschnittstemperatur lag demnach von Januar bis Oktober 2022 bei 11,8 Grad Celsius – seit 1881, seit es regelmäßige Aufzeichnungen gibt, hat es einen so hohen Wert nicht gegeben. Sind die Zeiten der schneeweißen Winter vorbei?

Schneeplastiken in der Stuttgarter City

Da sah’s in den Jahren 1949 und 1950 anders in Stuttgart aus, wie die Fotos beweisen, die Gertrud Lachenauer geschickt hat. Sie schreibt: „Aus dem Fotoalbum meiner Mutter stammen diese zwei Fotos mit den Schneeplastiken auf dem Schlossplatz von 1949 und 1950. Ich kann mich erinnern, damals war ich fünf beziehungsweise sechs Jahre alt. Auf einem Bild ist das zerstörte Neue Schloss erkennbar.“

Mit historischen Fotos wollen wir heute eintauchen in den Winter der Vergangenheit, als dieser noch „streng“ war, wie man damals sagte. Besonders der Winter 1962/63 hatte es in Stuttgart in sich. Es war die Zeit, als der Bodensee zum letzten Mal komplett zufror und auch der Neckar zur pickelharten Eisrinne wurde. Vom 19. Januar 1963 an wurde dann aber professionell das Eis geknackt. Die Stadt kaufte sich für 380 000 Mark einen Eisbrecher und ließ das 240-PS-Schiff zweimal täglich durch das bis zu 30 Zentimeter dicke Eis pflügen.

Noch dicker war das Eis von 1928/29. Bis zu 55 Zentimeter wurden gemessen, im Februar wusste sich die Verwaltung nur mit Sprengungen zu helfen, die Eisbrocken bis zu 35 Meter hoch in die Luft schleuderten. „Das Getöse war in ganz Groß-Stuttgart und sogar bis hinauf nach Degerloch zu hören“, schrieb die Zeitung. Unter den Neckarbrücken türmte sich das Packeis.

Es war ein Freitag, als die Menschen in Stuttgart gegen weiße Naturgewalten kämpften. Im Februar 1958 hat es in einer einzigen Nacht einen halben Meter Schnee auf die Stadt herabgeworfen. „Wir konnten nicht mal mehr die Haustür öffnen“, schreibt Lothar Escher im Facebook-Forum unseres Stuttgart-Albums. Die Schneeberge verschluckten geparkte Autos. Freischippen jedoch lohnte nicht. Denn auf den Straßen ging nichts mehr. Wie aus unserem Zeitungsarchiv hervorgeht, bekamen Oberschüler damals schulfrei, während sich die Volksschüler mit Schippen und Schaufeln zu ertüchtigen hatten. Die Schlagzeile auf der Titelseite lautete am 7. Februar 1958: „Schneemassen ersticken den Verkehr Süddeutschlands“. Das Dach der Liederhalle, das einzustürzen drohte, musste von der schweren Last befreit werden. Soldaten kamen zum Schippen.

Ski und Rodel gut – so hieß es früher öfter in der Stadt

Die Neue Weinsteige von Degerloch runter in den Talkessel wurde gar zur Skipiste. Eine Woche später übrigens hat das Wetter sich völlig gedreht: Am 14. Februar 1958 sind auf dem Schlossplatz 18 Grad Frühlingswärme gemessen worden. Das war’s mit der weißen Pracht.

Auch zehn Jahre später gab es in Stuttgart so viel Schnee wie sonst nur in Wintersportgebieten in den Alpen. Von Thomas Mack haben wir eine beeindruckende Aufnahme vom Winter 1968/1969 bekommen, die zwei Polizisten in weißen Schneemänteln mit viel Schneeweiß im Herzen der Stadt zeigt. Es fuhr damals noch die „Schtrampe auf dr Königstroß“. Und ein kleiner Torbogen vor dem Kleinen Schlossplatz erinnert an das Kronprinzenpalais, das nach heftigem Streit an dieser Stelle dem Straßenverkehr weichen musste.

Ski und Rodel gut – so hieß es früher öfter in der Landeshauptstadt. Beliebt waren die Schlittenhänge unter dem Bismarckturm, dem Schloss Solitude und an der Doggenburg. Skifahrer zog es auf die Filder – zum im Jahr 1965 gebauten Skilift auf dem Piz Mus, auf dem „Hau“ von Musberg. Hier haben viele Großstädter das Skifahren gelernt.

Skihütte auf dem Hau in Musberg soll an schöne Zeiten erinnern

Bald wird an diesem schönen Ort gefeiert. Die Freiwillige Feuerwehr Musberg will aus Anlass ihres 100. Geburtstags an einem Wochenende im Januar oder Februar 2023, je nach Wetterlage, eine Hütte auf dem „Hau“, wie einst üblich, aufbauen und an schöne Zeiten erinnern. „Wer mit historischen Skiern auftaucht, bekommt einen Preis“, sagt Herbert Stäbler, „der Erlös wird gespendet.“

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