Der Stuttgarter Marktplatz mit den Traditionsgeschäften Haufler und Spielwaren Hermann Kurtz im Jahr 1938. Foto: /Sammlung Wibke Wieczorek

Ist der sanierte Marktplatz zu kahl, nicht grün genug? Oder wird er mit beige-gelblichem Granit und Wasserfontänen doch noch zum Schmuckstück? Die Diskussion über einen zentralen Ort ist neu entflammt. Wir blicken zurück.

Markisen prägten das Stadtbild an ganz zentraler Stelle von Stuttgart. An kaum einem Geschäft fehlte der helle Sonnenschutz, wie alte Aufnahmen vom Marktplatz beweisen. Ein Foto von 1938 zeigt außerdem: Haufler und Spielwaren von Hermann Kurtz waren schon damals am Rathausvorplatz angesiedelt, der gepflastert war und auf den Autos fahren durften. Bäume gab es vor über 80 Jahren keine.

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich viele historische Ereignisse (große Feste, aber auch Hinrichtungen) an jenem Ort abgespielt, den man schon mal „die gute Stube der Stadt“ nennt. Eine „gute Stube“ war der Marktplatz zuletzt gewiss nicht. Für 11,6 Millionen Euro wird er seit Sommer 2020 komplett umgestaltet. Neue Sitzflächen und Wasserfontänen sind entstanden. Die Diskussion, wie schön oder doch zu grau der Platz ist, ist neu entbrannt. Wo sollten die Pflanzentröge aufgestellt werden? Kann man nicht doch noch Bäume einpflanzen, auch wenn aufgrund des Bunkerhotels das notwendige Erdreich dafür fehlt?

Der Marktplatz war ein Parkplatz

Bis 1974 war der Marktplatz ein Parkplatz. Erst mit der Umgestaltung zur Fußgängerzone hat man Platanen eingepflanzt um den Brunnen herum, der nach seiner Versetzung zum Wilhelmsplatz wieder zurückgekehrt war. Zu dieser Zeit sind Sitzplätze geschaffen worden. Über Jahrhunderte herrschte leere Ödnis an diesem Ort. 1290 ist der Marktplatz als bürgerliches Zentrum von Stuttgart erstmals urkundlich erwähnt, das mehrere Rathäuser gesehen hat: 1456 ist das erste Rathaus erbaut und Ende des 16. Jahrhunderts zu einem Renaissance-Gebäude umgestaltet worden. Im Jahr 1900 war man der Ansicht, dass es nicht mehr reichte. Es wurde abgerissen. 1905 entstand ein neues Rathaus, das im Krieg weitgehend zerstört worden ist.

Angesichts der Kriegsruinen war der damalige OB Arnulf Klett absolut dagegen, dass man die historischen Gebäude am Marktplatz rekonstruiert und originalgetreu wiederaufbaut. Schon damals gab es dafür heftige Kritik. Die Architekten der Nachkriegszeit haben sich allerdings an den ehemaligen Grundrissen orientiert. In den horizontalen Elementen der neu gebauten Fassaden sowie in der Farbwahl sollte sich das Kleinteilige der früheren Häuserordnung widerspiegeln.

„Stuttgart hat ein Stück Paris“

Wiederherstellen oder etwas Neues wagen? Diese Frage stellte sich auch für das ebenfalls schwer beschädigte Rathaus. Die Debatte ist in unserer Zeitung hitzig geführt worden, wie ein Blick in unser Archiv beweist. Die Mehrheit des Gemeinderats stimmt für das „neue Bauen“ ab. Nach Plänen der Stuttgarter Architekten Paul Schmohl und Paul Stohrer entstand das Rathaus von 1953 bis 1956 nur zum Teil neu – quasi als Hybrid: Der Flügel zum Marktplatz hin sollte die neue Sachlichkeit ausdrücken, die rückwärtigen Flügel wurden in Stand gesetzt und aufgestockt.

Gastronomisch tot war der Platz über viele, viele Jahr hinweg. Im Jahr 2004 sind dann plötzlich rote Sonnenliegen vom Café Scholz aufgetaucht. „Stuttgart hat ein Stück Paris“, schwärmte damals in einer Umfrage unserer Zeitung eine Besucherin und zählte die Pluspunkte auf: „Man kann sich hier entspannen, etwas trinken und sogar das Glockenspiel im Rathausturm hören. Ein super Wohlfühlort ist entstanden.“ Ein weiterer Besucher ergänzte: „Das Scholz ist nicht mit anderen Cafés zu vergleichen. Man fühlt sich hier wie im Süden. Wie in einer großen Stadt in Frankreich. Man kann einen Kaffee trinken und Zeitung lesen – das Glück ist perfekt!“

Sobald der historische Marktbrunnen auf das Höhenniveau des Platzes angehoben und restauriert ist, wird es im Frühjahr 2023 wohl gleich vier Gastroflächen im Freien auf dem Marktplatz geben. Dolce Vita in einem lange vernachlässigten Quartier! Hilft der Umbau und die Umgestaltung, dass der als langweilig verschmähte Ort pulsiert und seine geschichtliche Bedeutung zurückerlangt? Wir hoffen es sehr!

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