Die Nachricht vom Ende des Premium-Modegeschäfts Uli Knecht bei der Stiftskirche nach 53 Jahren bewegt die Stadt. Von Barth bis Haufler, von der Lerche bis Maute-Benger – viele Traditionsgeschäfte werden bis heute vermisst. Wir erinnern an große Namen.
Eine Tradition hat immer etwas mit Erinnerung zu tun. Wenn ein Geschäft schließt, das man ein Traditionshaus nennt, fühlt es sich oft an, als würde man ein Stück seiner Vergangenheit verlieren. Deshalb geht es vielen Menschen nahe, wenn ein bekannter Markenname aus dem Stadtbild verschwindet.
Die Liste der Traditionsgeschäfte, die in Stuttgart aufgeben mussten, ist lang. Entweder war ihre Zeit vorbei, die Konkurrenz zu groß, der Online-Handel zu stark oder eine internationale Kette hat dem über Generationen geführten Familienbetrieb keine Chance mehr gelassen. Für den stationären Handel wird es immer schwerer.
„Im Grunde spricht alles gegen den stationären Handel“
„Tatsache ist, dass immer weniger Leute in die Stadt zum Einkaufen kommen“, sagt der Premium-Händler Uli Knecht, der im Januar 2025 aufhört, „und Tatsache ist, dass die Leute immer mehr sparen müssen.“ Außerdem verweist er auf hohe Mieten und fehlende Parkplätze. Sein Fazit: „Im Grunde spricht alles gegen den stationären Handel.“
Wo gerade das Haus des Tourismus unweit des Stuttgarter Rathauses entsteht, befand sich der Herrenausstatter Breitling. Nach 71 Jahren hat er Ende 2020 aufgegeben. Auf Fotos aus den 1960er Jahren sieht man, dass gar nicht Breitling die Pole-Position auf dem Marktplatz eingenommen hat. Davor befand sich ein weiteres Modegeschäft – nämlich Spiecker. Beim Umbau des Marktplatzes im Jahr 1974 wurde das vordere Gebäude abgerissen, damit der Marktplatzbrunnen vom Wilhelmsplatz zurückkehren konnte und die Freifläche vor dem Rathaus größer wurde. Auch Breitling konnte sich vergrößern, Spiecker zog in das Haus von Hugendubel einige Schritte weiter.
„Die Jungen kaufen im Internet“
Der Marktplatz ist ein Ort des Wandels. Direkt gegenüber von Breitling hat Haufler Anfang 2015 nach 120 Jahren für immer geschlossen. „Die Generation 40 plus und die alteingesessenen Stuttgarter bedauern unseren Weggang sehr“, sagte damals die Geschäftsführerin Christiane Haufler-Becker, „aber die Jungen brauchen uns nicht mehr. Die kaufen im Internet ein.“
Das Ladensterben ist kein neues Phänomen. In der City mussten in den vergangenen Jahrzehnten etliche Fachgeschäfte unter dem Druck des harten Wettbewerbs aufhören. Eine Legende trat 1995 ab: Das 1878 gegründete Musikhaus Radio Barth musste Insolvenz anmelden. Ende 2003 schloss Juwelier Kurtz sein Geschäft, das seit 1886 vor allem für Eheringe bekannt war.
Noch mehr klangvolle Namen sind verschwunden: Maute-Benger, Messer Müller, Goertz, die Yeanshalle an der Tübinger Straße, WMF, Seidenstraße Wohnkulturen, Radio Knörzer, Knagge und Peitz, Hugendubel, May & Edlich, Sport Endress, Lederwaren Waldbauer, Hirrlinger, Foto Weizsäcker, Schuh Schöpp, Zahn und Nopper (aus dieser Familie stammt OB Frank Nopper), Nanz, Weise’s Hofbuchhandlung, Hanke & Kurtz, Hetzel-Reisen, Elektro-Ziegler, Modehaus Fischer und viele mehr.
Das Radio- und Fotohaus Lerche hat 2003 für immer geschlossen
Die erste Lerche wurde 1959 eröffnet. Auch die Lerche singt nicht mehr. Die Lerche hat Generationen von Stuttgartern geprägt. Viele haben dort große Teile ihres Taschengeldes abgeliefert. Es gab sogar drei Lerchen auf der Königstraße. Das Internet stürzte die Musikindustrie von einer Revolution zur nächsten, was am Ende auch die Lerche verstummen ließ. 2003 musste das einstmals größte Radio- und Fotohaus Süddeutschlands für immer schließen. Der Preiskampf gegen die Branchenriesen und Media-Märkte war endgültig verloren. 1959 hatte Albert Armin Lerche – zuvor war er Geschäftsführer des EM-Filmtheaters – den Plattenladen eröffnet. Schon wenige Jahre später wurde aus der Lerche eine Institution mit drei Standorten an der Königstraße.
Auf die Unterstützung der Verbraucher kommt es an
Es war die Zeit, als der Einzelhandel auf der teuersten Meile der Stadt noch familiengeführt Gewinne abwarf. Heute machen die Ketten das Geschäft unter sich aus – mit uniformierten Läden. Würde jemand vom Himmel in eine Fußgängerzone fallen, er wüsste nicht, in welcher Stadt er wäre. Dabei geben individuelle Geschäfte einer Stadt Charakter. Ein bisschen ist es wie im Asterix-Heft, wo sich ein kleines gallisches Dorf gegen die Invasion der starken Römer wehrt. Ohne Unterstützung der Verbraucher haben die Kleinen keine Chance. Deshalb entscheiden letztlich die Konsumenten darüber, ob Traditionsgeschäfte überleben.