So sah es im Schlossgarten vor über 100 Jahren aus. Foto: /StZ-Archiv

Einst hat der Parkwächter abends den Schlossgarten abgeschlossen: Über 600 Jahre alt ist die Parkanlage, die heute von Straßen zerschnitten ist. Unser Stuttgart-Album erinnert auch an eine Ladenzeile der 1960er auf der heutigen S-21-Baustelle.

Stuttgart - Die mächtigen Bäume bilden eine wunderschöne Allee. Vor allem Männer mit Hut sind zu erkennen, die gut gekleidet flanieren. Links sehen wir eine Frau mit Kind, rechts einen Reiter. Vorne in der Mitte steht ein Uniformierter, es ist wohl der Aufseher, der darüber wacht, dass Recht und Ordnung herrscht. „Anlagen-Idylle um die Jahrhundertwende“, steht auf der Rückseite dieser Karte, ,die zu einer Serie von alten Stadtansichten gehört, die 1959 zum 75-Jahre-Jubiläum der Städtische Sparkasse Stuttgart erschienen ist.

Die Aufnahme ist zu einer Zeit entstanden, als noch keine Schillerstraße und kein Ferdinand-Leitner-Steg den Schlossgarten zerschnitten hat. Oberer und Mittlerer Schlossgarten waren damals noch miteinander verbunden.

Im Sommer ist der Schlossgarten um 21 Uhr zugeschlossen worden

Über 600 Jahre alt ist die Parkanlage, die dem einstigen Lauf des heute in Rohren tiefgelegten Nesenbach gefolgt ist und bis zum Neckar führte. Die Größe ist nach und nach reduziert worden, etwa mit dem Theaterbau von Architekt Max Littmann, der mit der Eröffnung 1912 als einzigartig in Europa galt. Wo die Aufnahme von der „Anlagen-Idylle“ entstanden ist? Harald Frank macht dies im Facebook-Forum des Geschichtsprojekts „Stuttgart-Album“ anschaulich. „Im Rücken des Fotografen bot sich dieses Bild“, schreibt er zu der Ansichtskarte von 1910, die den ovalen See zeigt, aus dem der Eckensee geworden ist.

Patrick Kroiss weiß, worauf der Aufseher damals achten musste: „Anfangs schloss der Schlossgarten im Sommer um 21 Uhr, im Winter um 19 Uhr. Hunde durften nicht mitgebracht werden, Kinder durften nur unter Aufsicht in den Park, das Betreten der Rasenflächen war untersagt und Rauchen verboten.“

Keine Angst vor den Untertanen

Die Skulptur von Graf Eberhard im Barte und einem Schäfer, als Eberhardsgruppe bekannt, stand seit 1881 im Mittleren Schlossgarten und musste für Stuttgart 21 wie auch viele Baumriesen weichen. Das etwa 27 Tonnen schwere Denkmal ist vor neun Jahren in den Oberen Schlossgarten umgezogen. Es ist eines der bekanntesten Stuttgarter Denkmäler. Geschaffen wurde es von Paul Müller . Zum 75-Jahr-Jubiläum der Erhebung Württembergs zum Königreich sollte der Bildhauer im Auftrag von König Karl die beiden Figuren schaffen.

Graf Eberhard im Barte, der von 1445 bis 1496 lebte, vereinigte 1482 das geteilte Württemberg und verlegte seine Residenz von Urach nach Stuttgart. 1495 setzte der Graf auf dem Wormser Reichstag bei Kaiser Maximilian I. durch, dass Württemberg Herzogtum wurde.

Die Idee für die Figurengruppe im Schlossgarten geht auf ein Motiv des Gedichts „Der reiche Fürst“ von Justinus Kerner zurück. Dort heißt es: „. . . in den Wäldern noch so groß, ich mein Haupt kann kühnlich legen jedem Untertan in Schoß. . .“ Die Zeilen spielen an auf ein Gespräch deutscher Fürsten auf dem Wormser Reichstag: Diese sollen mit den Schätzen angegeben haben, die ihre Länder zu bieten hatten. Dazu zählten Wein, Silber und Edelsteine. Eberhard I. soll, so die Legende, bescheiden eingeworfen haben, dass er jedem seiner Untertanen, also auch dem Schäfer, blind vertrauen könne und nicht um sein Leben fürchten müsse, wenn er alleine im Wald schliefe.

Zur Bundesgartenschau wurde 1961 der Schillersteg gebaut

Die mehrspurige Schillerstraße trennt heute den Oberen und den Mittleren Schlossgarten, auch die Straßenbahn fuhr damals dort noch oberirdisch. 1961 ist zur Bundesgartenschau der Schillersteg gebaut worden, der den auseinander gerissenen Park zusammenführt. Die Schrägseilbrücke wurde 1997 nach Ferdinand Leitner benannt, dem einstigen Opern- und Generalmusikdirektor in Stuttgart.

In den 1960ern befand sich eine Ladenzeile auf der heutigen S-21-Baustelle. Ingrid Neumann Derderian, eine Kommentatorin des Stuttgart-Albums, erinnert sich: „Am rechten Ende der Ladenzeile gab es eine Schnellgaststätte mit Wurstbraterei. Hier verköstigten wir uns im Jahr 1964 zwischen 18 und 21 Uhr während unserer Dienstpausen der Volkshochschule im Königin-Katharina-Stift.“ Auch Sebastian Erdle erinnert sich daran: „Vom ersten Stock aus hatte man durch die große, halbrunde Panoramachseibe einen guten Blick auf die Kreuzung und das Verkehrsgetümmel.“

Zu dieser Zeit gab es schon lange keinen Parkwächter mehr, der den Schlossgarten abends abgeschlossen hat.

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