Stupsnase, Knopfaugen, hoher Schmusefaktor: Wilbär verzückte die Massen in der Wilhelma in Stuttgart. Wir erinnern an die Kindheit eines Publikumslieblings.
Nach Knut, dem knuddeligen Superstar von Berlin, kam Wilbär, der ebenso süße Schnuckel von Stuttgart. Deutsche Eisbärenbabys eroberten in den nuller Jahren weltweit die Herzen. Schließlich gab es noch Flocke in Nürnberg. Schneeweiße Tierkinder bescherten den Zoos Besucherrekorde, sodass die Umsätze und Einnahmen nach oben schnellten.
Tierschützer forderten damals angesichts der süßen Fotos den sofortigen Zuchtstopp bei den Familien Eisbär und Co. in Gefangenschaft. Verhaltensstörungen und hohe Sterblichkeit seien die Folge. Denn von allen Landsäugetieren beanspruchten diese schönen und stolzen Tiere den größten Lebensraum in der Natur.
Knut ist bereits mit fünf Jahren gestorben
Der 2006 in Berlin von Hand aufgezogene Knut, der als Erster zum bärenstarken Medienphänomen wurde, starb 2011 mit gerade mal fünf Jahren an einer Hirnerkrankung. Sein ebenso berühmter Pfleger Thomas Dörflein starb 2008. Flocke, 2007 in Nürnberg geboren, lebt heute noch. Wilbär, am 10. Dezember 2007 in der Wilhelma geboren, starb jetzt mit knapp 17 Jahren in Eindhoven in Holland – die Trauer bei Wilbärs vielen Fans ist groß. Ganze Familienalben sind voller Fotos mit ihm.
Die geglückte Geburt in Gefangenschaft wurde vom damaligen Stuttgarter Zoodirektor Dieter Jauch monatelang geheim gehalten. Das Baby sollte in aller Ruhe von Mutter Corinna aufgezogen werden. Als im April 2008 der nach dem früheren Zoochef Wilbert Neugebauer benannte Wilbär seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte, kamen am Wochenende 20 000 Besucherinnen und Besucher. Allein am Sonntag waren es 15 000 – so viele wie noch nie an einem sonnigen Sonn- oder Feiertag. Die Wartezeiten betrugen bis zu drei Stunden, dann konnte das verzückte Publikum sehen, wie das Bärenkind mit Mutter Corinna Schwimmübungen im Wasser und tapsige Schritte draußen machte.
Auf Wilbärs Speisekarte, so können wir im Zeitungsarchiv nachlesen, standen täglich zwei Kilogramm Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch. Der Kleine konnte sich „mit diesem ausgewogenen Ernährungsplan über den Sommer hinweg eine ordentliche Schicht Hüftspeck zulegen“, schrieb der Wilhelma-Reporter. Bei einer Schulterhöhe von 70 Zentimetern brachte Wilbär im August 2008 bereits stattliche 50 Kilogramm auf die Waage. Ein ausgewachsener männlicher Eisbär wiegt etwa das Zehnfache.
Die gute Nachricht war, dass der einstige Kuschelbär prächtig gedieh, was aber auch zum „natürlichen Verlust an Drolligkeit“ führte, wie unsere Zeitung berichtete. Die Besucherströme gingen zurück. Die damalige Wilhelma-Sprecherin Isabel Koch erklärte: „Es geht zwar nach wie vor fast jeder bei ihm vorbei, aber die Leute rennen nicht mehr alle gleich als Erstes hin.“
Wilbär gab’s als Plüschtier, auf Tassen und T-Shirts. Die Merchandising-Produkte liefen in der Wilhelma nicht schlecht, aber wohl nicht so gut wie bei Knut in Berlin. Das Glück von Wilbär war den Verantwortlichen der Wilhelma wichtig: Ihr Publikumsliebling sollte sich verlieben! Deshalb sollte der Promi des einzigen Zoologisch-Botanischen Gartens in Deutschland nach Schweden umziehen, wo eine Partnerin, sie hieß Ewa, auf ihn wartete.
Bei seinem ersten Geburtstag wurden diese Umzugspläne bekannt. Zu diesem Zeitpunkt verhielt sich Wilbär wie ein rotzfrecher Flegel, worauf die Raubtierkuratorin Ulrike Rademacher hinwies: „Er ist sehr selbstbewusst, und das ist auch gut so.“ Dieses Selbstbewusstsein werde er an seinem neuen Wohnort in einem schwedischen Bear Park des Örtchens Orsa sicher gut gebrauchen können.
In Schweden wurde Wilbär Papa von Tochter Miki
Der Umzug geschah 2009 heimlich – die Wilhelma wollte Proteste von Tierschützern verhindern. In Schweden wurde Wilbär Papa von Töchterchen Miki. 2022 ist der Bärenpark schrittweise geschlossen worden – erneut stand für den gebürtigen Stuttgarter ein Umzug an, diesmal nach Holland. In Eindhoven ist Wilbär mit knapp 17 Jahren nun viel zu früh gestorben. Das Höchstalter von Eisbären in freier Natur wird auf 25 bis 30 Jahre geschätzt. In Stuttgart ist Wilbär unvergessen. Beim Anblick seiner alten Fotos wird’s vielen wieder ganz warm ums Herz.