Empfang des Bunkerhotels unter dem Stuttgarter Marktplatz - oder das, was davon übriggeblieben ist. Foto: Esefeld/Lorke

Nur einmal im Jahr öffnet sich der Bauch der City. Das Bunkerhotel sorgt dann für Schlangen auf dem Marktplatz. Erneut fällt die Nacht der Museen im März aus. Als Ersatz zeigen wir besondere Fotos einer verborgenen Höhle. Kann dieser Ort zum Museum werden?

Stuttgart - Etwa 3000 Menschen suchten in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs Schutz unter dem Stuttgarter Marktplatz. Dabei war der dortige Bunker nur für 1000 Personen ausgelegt. Der Schutzbau im Untergrund beim Rathaus hat die Angriffe unbeschädigt überstanden. An diesem Ort waren keine Tote zu beklagen. In den Nachkriegsjahren, als die unterirdischen Räume zum günstigen Hotel geworden sind, hat man bunte Tapeten geklebt über Wände, auf denen Anweisungen standen wie: „Mütter mit Klein-Kindern, Kriegsverletzten, Kranken“.

Was unter der Oberfläche geschieht, im Verborgenen also, fasziniert die Menschen. Immer im März, wenn das Stuttgart-Magazin „Lift“ zur Nacht der Museen bittet, sind die Schlangen lang vor dem Eingang zum ehemaligen Bunkerhotel. In der Pandemie muss dieser beliebte Rundgang nun bereits zum zweiten Mal ausfallen, soll in diesem Jahr aber am 16. Oktober nachgeholt werden. Mit eindrucksvollen Fotos zeigt der Stuttgarter Architekt Jörg Esefeld, was im Bauch der City nach vielen Jahren der Abgeschiedenheit vor sich geht. Ein Biotop ist entstanden, Schimmelpilze in dunkler Vielfalt haben sich immer weiter ausgebreitet, weil die Feuchtigkeit offensichtlich ungehindert eingedrungen ist. Durch Bohrungen ist die Bunkerdecke durchlöchert – ein Resultat etwa von Versorgungsleitungen für den Wochenmarkt.

Unterschiedliche Stadien des Zerfalls

Im Jahr 2006 hat der Architekt und Verleger Jörg Esefeld mit dem Fotografen Werner Lorke das Kunstbuch „Bunker-Biotop“ in der Edition esefeld & traub herausgegeben, von dem es nur noch wenige Exemplare im Handel gibt. Die Aufnahmen wurden mit Schutzanzügen und Atemschutzmasken unter Tage gemacht. Mehrere Tapetenschichten aus der Zeit der Hotelnutzung sind bedeckt von Mikroorganismen und bilden neue Muster. „Weil die heutigen Bewohner die Dekoration buchstäblich zum Fressen gern haben, finden sich die Wandbeläge in den unterschiedlichsten Stadien des Zerfalls“, sagt Esefeld.

Ein „offenes Museum“ könnte von oben besichtigt werden

Das Ladenzentrum war die unterirdische Anlage im Gespräch, auch zum Museum wollte man sie machen, zu einem Gedenkort, der an den Krieg erinnert. Doch strenge Bauauflagen, der Brandschutz und fehlende Fluchtwege verhinderten eine neue Nutzung. Es blieb dabei, das 1945 eröffnete und 1985 für immer geschlossene Bunkerhotel nur einmal im Jahr für die Nacht der Museen zu öffnen. Jörg Esefeld bedauert dies sehr. Sein Vorschlag ist, ein „offenes Museum“ zu bauen, das von oben besichtigt werden kann.

Die dicken Deckenplatten, findet er, könnten durch begehbare Gläser, also stabile Okulare, ersetzt werden. Die Besucherinnen und Besucher bleiben also oben und schauen wie durch ein Schlüsselloch in das ehemalige Hotel unter der Erde. „Auf diese Weise kann man dem ganzen Brandschutz- und Auflagenwust entgehen“, sagt Jörg Esefeld, „die Teileinblicke würden neugierig machen, mehr über die Geschichte dieses Bunkers zu erfahren:“ Mittlerweile wird der Belag des Marktplatzes erneut – es könnte also zu spät sein, um dort einige Glasteile einzubauen.

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Die detailreichen Fotos von Esefeld zeigen ein Biotop, das vor sich hinmodert und herabfallende Tapeten zu neuen geometrischen Ansichten verhilft. Man sieht verschiedene Stadien des Verfalls in zellenähnlichen Hotelzimmern. Und gleichzeitig gewinnt man einen Eindruck, wie Hotelgäste hier logiert haben. Dies alles ist eigentlich zu schade, um nur einmal im Jahr den Menschen zugänglich zu machen. Der morbide Charme des Verfalls hat schon immer fasziniert.

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