Die Nellinger Hornets (gelbes Trikot) hoffen auf eine bundesliga-taugliche Sporthalle. Foto: Robin Rudel - Robin Rudel

Ein Ersatzbau für die Sporthalle 1 mit nur 400 Zuschauerplätzen – für den TV Nellingen (TVN) ist das undenkbar. Vom "Aus für den Spitzenhandball in Ostfildern“ ist da die Rede.

OstfildernEin Ersatzbau für die Sporthalle 1 mit nur 400 Zuschauernplätzen – an diese Option mag man beim TV Nellingen (TVN) gar nicht denken. „Das wäre das Aus für den Spitzenhandball in Ostfildern“, sagt Johannes G. Feifel. Der Geschäftsführer von Pan Geo, Gesellschaft für angewandte Geographie mbH, hat im Auftrag des Vereins eine Studie erarbeitet, die zu einem klaren Ergebnis kommt: Die Hornets, wie die TVN-Handballerinnen genannt werden, bieten neben einer spannenden Samstagabend-Unterhaltung bei ihren Heimspielen auch einen nicht unerheblichen sozioökonomischen Nutzen für die Stadt. Mit einer neuen Halle, die für mindestens 1000 Zuschauer ausgelegt ist, ließe sich der Nutzen noch deutlich steigern.

Zusammen mit der Vereinsführung stellte Feifel die Ergebnisse seiner Studie am Dienstagabend vor. Unter den Gästen waren neun Stadträte aus allen Fraktionen des Gemeinderats. Ein Neubau als Ersatz für die längst nicht mehr wettkampftaugliche Sporthalle 1 ist im Gremium unumstritten. Die entscheidende Frage ist: Wie vielen Zuschauern soll sie Platz bieten? Letztlich ist das eine Kostenfrage. Bislang liegen nur Schätzungen vor. Die kleine Lösung für bis zu 400 Zuschauer ist mit 7,7 Millionen Euro berechnet. Mit 750 Plätzen würde die Halle 11,8 Millionen Euro kosten, mit 1200 Plätzen 14 Millionen Euro. Eine 1000er-Variante wurde bei den Voruntersuchungen nicht berücksichtigt. Im Herbst hatte der Gemeinderat entschieden, konkrete Kosten für alle Optionen berechnen zu lassen. Anfang 2019 sollen sie vorliegen und der Gemeinderat entscheiden.

Grundlage für die Studie von Pan Geo sind Zahlen der Spielsaison 2017/18. Mit einem Schnitt von 454 Zuschauern pro Heimspiel hätten die Hornets mit Abstand die rote Laterne in der Bundesliga. Eine Umfrage unter den Besuchern des Heimspiels gegen Bietigheim am 10. Oktober zeige, dass für diese miserable Zahl insbesondere die heruntergekommene Halle verantwortlich sei. Rund 6400 Zuschauer und 645 Aktive bedeuteten laut Feifel einen realen Kaufkraftzufluss von 141 506 Euro für die Stadt. Damit würden rechnerisch 4,1 Arbeitsplätze finanziert. Zudem bedeute das für die Stadt 4296 Euro Steuereinnahmen. Diese quantitativen Aspekte seien „nicht weltbewegend“, räumte Feifel ein. Viel höher seien die qualitativen Effekte zu bewerten: zum Beispiel die Rolle der Hornets „als Leistungsmotivator, als Kitt für die Gemeinschaft, als Integrationsbeschleuniger oder als Qualitätsnetzwerker und Teambuilder“. Die Spiele der Handballerinnen seien zudem eine Kommunikationsplattform für die Wirtschaft. Nicht zuletzt fungierten sie als Botschafter der Sportstadt und als Werbeträger. Nach Feifels Einschätzung ließe sich mit einer Halle für mindestens 1000 Zuschauer die sogenannte Umwegrentabilität verdreifachen. Der Gutachter begründet diese optimistische Prognose auch mit den Ergebnissen einer Sponsoren-Befragung. 63 Prozent der Geldgeber könnten sich bei besseren Rahmenbedingungen ein verstärktes Engagement vorstellen.

Ob die prognostizierte Zahl von gut 12 000 Heimspiel-Gästen pro Saison nicht zu hoch gegriffen sei? Für Bernd Aichele, den Geschäftsführer der Handball-Bundesliga GmbH, steht außer Frage: „Nur mit Sport funktioniert es heute nicht mehr.“ Die Besucher wünschten sich mehr Attraktionen und Unterhaltung. Wenn man bei den Heimspielen mehr Event-Charakter bieten könnte, kämen deutlich mehr Zuschauer. Aichele verwies darauf, dass heute schon gut 1200 Leute die Spiele per Livestream von Zuhause verfolgten. Eine ganz nüchterne Sicht hat TVN-Vorsitzender Karl-Hans Schmid: „Es kämen allein schon mehr Zuschauer, wenn sie ohne Bedenken auf die Toilette gehen könnten.“ Er spielte damit auf die untragbaren Zustände in WCs der Halle an.

Norbert Simianer, den Vorsitzenden der CDU-Fraktion, haben die Ergebnisse der Studie nicht überzeugt. Dass eine neue Halle gebraucht werde, stehe außer Zweifel. Befürchtungen des TVN, dass es auf die kleinste Lösung hinauslaufe, könne er nicht teilen. Für diese Variante gebe es bestimmt keine Mehrheit. Der Gemeinderat müsse immer das Ganze im Auge haben, warb Simianer um Verständnis für einen Abwägungsprozess. In Ostfildern gebe es einen immensen Investitionsstau. Das müsse man bei der Entscheidung für dieses Millionen-Projekt stets bedenken. „Wir müssen vernünftig haushalten.“

Sonja Abele von den Grünen bestreitet nicht, dass mit einer neuen Halle mehr Zuschauer zu den Spielen der Hornets kommen werden. Aber sie glaubt nicht an die von Feifel aufgezeigten Effekte. „Das zweifle ich total an.“ Theo Hartmann, der Sprecher der Freien Wähler, wiederholte, was schon seine Fraktionskollegin Petra Hönschel-Gehrung jüngst im Gemeinderat gesagt hatte: „Wir brauchen mindestens 1000 Plätze.“ Die Stadt müsse bei der anstehenden Entscheidung, „vorwärts und nicht rückwärts denken“. Vermutlich liege man bei den Kosten zwischen 750 und 1000 Zuschauern gar nicht so weit auseinander. Jürgen Beck-Bazlen (Grüne) hat „Sorge, dass wir in eine Schuldenspirale reinkommen“. Doch müsse man abwarten, welche Zahlen das beauftragte Architekturbüro auf den Tisch legt.

Für eine große Lösung machte sich Michaela Müller, Gesamtelternbeiratsvorsitzende der Ostfilderner Schulen, stark. Für den Ausbau der Nachmittagsbetreuung brauche man viele mehr Räume, die in einer großen Halle,die der TVN fordert, möglich seien. Auch im Otto-Hahn-Gymnasium (OHG) besteht großer Bedarf. „Wir nutzen die Halle noch mehr als die Hornets“, sagte stellvertretender Schulleiter Klaus Schipke. Am OHG gebe es jedes Jahr vier bis fünf Veranstaltungen mit mehr als 900 Schülern und über 100 Lehrern. Als offizielle Olympia-Stützpunkt-Schule brauche man eine moderne und große Sporthalle.