Die Trauer um Ruth Bader Ginsburg ist groß – ihr Tod hat gewaltige politische Dimensionen. Foto: dpa/Katharine Kimball

Nach dem Tod von Ruth Bader Ginsburg ist ein Platz frei im obersten Gericht der USA. Die Republikaner wollen den Sitz im Supreme Court besetzen – obwohl es nur noch wenige Wochen bis zur Wahl sind. Die Demokraten sind empört. Können sie sich wehren?

Washington - Die Bemühungen der US-Republikaner, den freien Posten am Supreme Court nach dem Tod von Justizikone Ruth Bader Ginsburg zu besetzen, werden in dieser Woche wohl anziehen. Präsident Donald Trump wird wahrscheinlich innerhalb weniger Tage eine neue Kandidatin nominieren und republikanische Senatoren den Bestätigungsprozess in die Wege leiten.

Ginsburgs Tod am Freitag, nur wenige Wochen vor der Präsidentschaftswahl am 3. November, versetzt den Senat in eine unbekannte Lage. Trump hat den von den Republikanern dominierten Senat aufgerufen, die Nominierung „ohne Verzögerung“ zu erwägen, jedoch nicht gesagt, ob er die Abstimmung zur Bestätigung noch vor der Wahl durchdrücken wolle.

Für beide Parteien gibt es bedeutsame Risiken und Unsicherheiten. In mehreren Bundesstaaten hat die vorzeitige Stimmabgabe für das Rennen ums Weiße Haus und die Kontrolle über den Kongress begonnen. Ein Blick auf das Bestätigungsverfahren:

Was passiert als nächstes?

Trump will Ginsburgs Posten mit einer Frau besetzen und den Namen in dieser Woche bekannt geben. Wenn der Senat in den kommenden Tagen zusammenkommt, will der republikanische Mehrheitsführer im Senat Mitch McConnell die nächsten Schritte einleiten, mit seinen Parteikolleginnen und -kollegen sprechen und herausfinden, ob es genügend Stimmen gibt, um die Nominierte vor der Wahl zu bestätigen. Wann das sein könnte, hat McConnell nicht mitgeteilt.

Die Demokraten halten die Republikaner für scheinheilig: McConnell hatte mehrere Monate vor der Wahl 2016 abgelehnt, über den Nominierten des damaligen Präsidenten Barack Obama, Richter Merrick Garland, abzustimmen. Die Demokraten wollen sich gegen Trumps und McConnells Bestreben zur Wehr setzen, wie, ist jedoch noch unklar.

Hat Mitch McConnell genügend Stimmen?

Das ist noch nicht sicher. Die Republikaner haben eine Mehrheit von 53 zu 47 Stimmen im Senat. Bisher haben die republikanischen Senatorinnen Susan Collins und Lisa Murkowsi mitgeteilt, ein Bestätigungsverfahren vor der Wahl nicht zu unterstützen.

Das bedeutet, McConnell kann es sich nur leisten, die Stimme eines weiteren Senatoren zu verlieren. Wenn es bei der Abstimmung zu einem 50 zu 50 Gleichstand kommen sollte, hätte Vizepräsident Mike Pence das entscheidende Wort.

Welche Senatoren sollte man im Blick behalten?

Alle Blicke richten sich auf Mitt Romney aus Utah, der als Trump-Kritiker gilt und den Senat als Institution schützen will. Auch den Senatoren Chuck Grassley aus Iowa sollte man im Blick behalten. Er war Vorsitzender des Justizausschusses und sagte im Sommer, wenn er noch immer in der Position wäre, und ein Posten frei würde, „würde ich keine Anhörung dazu abhalten, weil es das ist, was ich den Menschen 2016 versprochen habe“.

Diejenigen, die sich in ihren Staaten einer Wiederwahl stellen, stehen sicherlich unter dem Druck, nicht vor der Wahl oder direkt danach über den Posten abzustimmen, insbesondere wenn ihre Wiederwahl als unsicher gilt. Dazu gehört beispielsweise Cory Gardner aus Colorado.

Mehrere andere wichtige Senatoren der Republikaner, wie Martha McSally in Arizona, Kelly Loeffler in Georgia und Thom Tillis in North Carolina, haben sich bereits hinter Trump gestellt und sich für eine kurzfristig anberaumte Abstimmung ausgesprochen.

Was sagt das Weiße Haus?

Marc Short, der Stabschef von Vizepräsident Mike Pence, sagte in der CNN-Sendung „State of the Union“ am Sonntag, eine Abstimmung vor dem 3. November sei „sicherlich möglich“, da Ginsburg innerhalb von 43 Tagen in ihrem Amt bestätigt worden war und die Wahl in 44 Tagen stattfinde. Der Zeitplan werde jedoch McConnell überlassen.

Auf die Frage, ob Ginsburgs letztem Wunsch gefolgt werde, ihre Nachfolge solle vom Gewinner der kommenden Präsidentschaftswahl nominiert werden, sagte Short, das Weiße Haus und die Nation trauerten um Ginsburg, doch liege die Entscheidung über den Zeitpunkt der Nominierung nicht bei ihr.

Reicht die Zeit überhaupt noch, den freien Sitz zu füllen?

Ja, aber das bedürfte einer hohen Geschwindigkeit. Die Nominierungen für den Supreme Court brauchen in der Regel etwa 70 Tage, um durch den Senat zu gehen, die letzte für Brett Kavanaugh dauerte noch länger. Einige Nominierungen, wie die für Ginsburg, gingen schneller durch den Senat. Es gibt keine Reglungen, wie lange der Prozess dauern sollte, nachdem die Nominierung bekannt gegeben wurde.

Könnten die Republikaner den Sitz auch noch nach der Wahl füllen?

Ja. Die Republikaner könnten über die Nominierte in der Sitzung abstimmen, die nach der Wahl stattfindet, bevor der nächste Kongress am 3. Januar übernimmt. Es wird davon ausgegangen, dass die Republikaner in dieser Zeit weiterhin die Kontrolle über den Senat haben werden.

Der Senat hätte bis zum 20. Januar Zeit, die Nominierung zu bestätigen. An diesem Tag wird der Gewinner der Präsidentschaftswahl ins Amt eingeführt. Sollte Trump wiedergewählt und seine Nominierte für den Posten nicht bestätigt werden, könnte er sie erneut nominieren, sobald seine zweite Amtszeit beginnt.

Was sagen die Demokraten?

Die Demokraten appellieren an die Moral ihrer republikanischen Kolleginnen und Kollegen, Ginsburg erst zu ersetzen, wenn der nächste Präsident ins Amt eingeführt wurde. Die Senatoren sollten dem Präzedenzfall folgen, den sie selbst 2016 gesetzt haben.

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden sagte am Sonntag, der Senat sollte warten, bis es einen neuen Präsidenten gebe. „Wenn Donald Trump die Wahl gewinnt, sollte der Senat seiner Auswahl folgen und die Kandidatin erwägen“, sagte Biden. „Aber wenn ich die Wahl gewinne, sollte Präsident Trumps Nominierte zurückgezogen werden. Und als neuer Präsident sollte ich derjenige sein, der Richterin Ginsburgs Nachfolge nominiert.“ Die Demokraten im Senat haben Mittel, die Nominierung hinauszuzögern, können sie aber nicht selbst blockieren.

Wie viele Stimmen brauchen die Republikaner?

Eine absolute Mehrheit. Die Republikaner dominieren den Senat mit 53 bis 47 Stimmen. Das bedeutet, dass sie bis zu drei Stimmen verlieren und noch immer eine Richterin bestätigen können, wenn Pence die Entscheidung trifft.

Für die Bestätigung einer Nominierung für einen Posten im Supreme Court waren früher 60 Stimmen nötig, wenn ein Senator sich dagegen aussprach. McConnell hatte diese Regelung jedoch 2017 geändert, um die Bestätigung mit 51 Stimmen zu erlauben. Hintergrund war, dass die Demokraten gedroht hatten, die Bestätigung von Trumps erstem Nominierten Neil Gorsuch zu verzögern.

Wie ist der Ablauf der Besetzung?

Es obliegt dem Justizausschuss des Senats, einen Nominierten oder eine Nominierte zu überprüfen und Bestätigungsanhörungen abzuhalten. Wenn das Komitee die Nominierung bestätigt, wird im Senat final darüber abgestimmt. In diesem Prozess kann es mehrere zeitaufwendige Schritte geben, wie Treffen mit Senatoren.

Der Vorsitzende des Komitees, Lindsey Graham aus South Carolina, der selbst vor der Wiederwahl steht, sagte, er werde Trump unterstützen. Sein Komitee könnte an der Nominierung beginnen zu arbeiten, sobald diese bekannt ist, und Anhörungen im Oktober durchführen.

Hat Mitch McConnell sich 2016 nicht ganz anders verhalten?

Hat er. McConnell erstaunte Washington in den Stunden nach dem Tod von Richter Antonin Scalia im Februar 2016, als er mitteilte, der Senat würde nicht über Obamas potenziellen Nominierten abstimmen, weil die Wähler durch die Wahl des nächsten Präsidenten ein Mitspracherecht haben sollten.

Die Strategie ging für seine Partei hervorragend auf. Obama nominierte Garland, um den vakanten Posten zu besetzen, es gab jedoch keine Anhörung oder Abstimmung über ihn. Kurz nach seiner Amtseinführung nominierte Trump Gorsuch für Scalias Posten. Vier Jahre später will McConnell über Trumps Nominierten abstimmen, obwohl es bis zur Wahl bloß Wochen, nicht Monate, sind.

Was hat sich seit damals geändert?

Laut McConnell sei die Situation anders, weil der Senat und die Präsidentschaft von der gleichen Partei gehalten werden, was damals unter Obama 2016 nicht der Fall gewesen sei. Die Demokraten halten diese Argumentation für lachhaft. Die Demokraten und politische Aktivisten verloren keine Zeit, und suchten Statements von anderen republikanischen Senatoren aus dem Jahr 2016 heraus, in denen es hieß, der Senat müsse mit der Nominierung bis nach der Wahl warten.