SPD-Stadtrat Andreas Koch wirft dem Ordnungsamt vor, Regeln kleinlich auszulegen. Der Bürgermeister für Ordnung Yalcin Bayraktar widerspricht vehement. Ist damit der Fall erledigt?
Erbsenzähleralarm in Esslingen: Vor wenigen Tagen musste sich die Stadt Esslingen wieder einmal den Vorwurf anhören, dass das Ordnungsamt die Regeln kleinlich auslegt. Der Bürgermeister für Ordnung Yalcin Bayraktar konterte am Dienstag. Mit Bezug auf einen Beteiligungsprozess, den er zur Modernisierung der Gestaltungsrichtlinien angestoßen habe, erklärt er: Der Dialog zwischen dem Ordnungsamt und den Einzelhändlern und Gastronomen habe sich „massiv verbessert. Ich bin der Überzeugung, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind.“ Damit ist der Fall allerdings nicht erledigt, wie die Esslinger SPD wissen lässt.
Es geht um eine Tafel und um einen Tisch
Was war geschehen? Wegen einer Schiefertafel und eines Tisches, deren Standort nicht exakt den Vorschriften entsprechen soll, bekam das Restaurant „2AM“ am Marktplatz einen Hinweis vom Ordnungsamt. Wirt Doc Anh Vu wunderte sich: „Das war ein wenig nervig, die Tafel stört doch niemanden. Wir schreiben dort unser Mittagsgericht drauf, weil wir noch keine Karte haben.“ Der SPD-Stadtrat Andreas Koch bekam das kleine Drama mit und schrieb sogleich einen Brief an Ordnungsbürgermeister Yalcin Bayraktar: „Sehr geehrter Herr Bürgermeister, was hier ganz und gar nicht dem Willen des Gemeinderats entspricht, ist die Kleinlichkeit der Regelauslegung. Jedenfalls ist sich der Gemeinderat über die Fraktionsgrenzen hinweg darin einig, dass insbesondere nach Corona unsere örtliche Gastronomie alle nur denkbare Unterstützung braucht. Dazu gehört auch der Verzicht auf kleinliche beziehungsweise unsinnige Regelungen.“
Die Begründung aus dem Ordnungsamt
Yalcin Bayraktar antwortete: Kundenstopper – damit ist die Tafel gemeint – dürften auch nach den neuen Gestaltungsrichtlinien der Stadt nicht verwendet werden. Im intensiven Austausch mit den Händlern und Gastronomen in diversen Arbeitskreisen hätte man sich darauf verständigt. Zudem: „Die Entscheidung wurde vom Gemeinderat einstimmig mitgetragen.“ Bayraktar betont, die Regeln „gelten für alle Händler und Gastronomen – auch für die, die neu hinzukommen.“ Bei jedem Regelverstoß eine Diskussion über das Ordnungsamt und seinen möglichen Gestaltungsspielraum zu führen, sei „nicht förderlich“.
Die Regeln sollen also für alle gelten, aber tun sie das wirklich? Auf dem zurzeit auf dem Marktplatz gefeierten Estival stehen ebenfalls Kundenstopper – und werden geduldet. Auch hierfür gibt es eine Antwort aus dem Ordnungsdezernat: Zeitlich befristet sei dies für Einzelveranstaltungen möglich. Aber auch nur dann, wenn es vorher beantragt und genehmigt worden sei.
Bayraktar weist darauf hin, dass erst vor wenigen Wochen eine deutlich veränderte Gestaltungsrichtlinie erlassen wurde. An konkreten Beispielen erläuterte er am Dienstag, was sich verbessert habe: Bei der Außengestaltung etwa mit Schirmen und Pflanzen haben Gastronomen künftig mehr Freiheiten. So war es vorher verboten, mediterrane Pflanzen aufzustellen. Inzwischen sieht man wie in vielen anderen Städten auch Olivenbäumchen in der Stadt – eine Folge der neuen Satzung. Auch das Organisieren von Veranstaltungen wird zumindest auf dem Papier günstiger und einfacher.
Der SPD-Fraktionschef im Esslinger Gemeinderat, Nicolas Fink, bestätigt, dass Bayraktar einiges verändert habe. Der Beteiligungsprozess habe sowohl faktisch als auch atmosphärisch Verbesserungen gebracht. Gegessen ist das Thema für die Esslinger SPD dennoch nicht. Sie sieht in den Gestaltungsrichtlinien ein wichtiges Instrument zum Schutz der Innenstadt. „Aber nur, wenn es möglichst flexibel und bürgernah gehandhabt wird, kann es mit Akzeptanz rechnen. Deshalb ist für uns die Diskussion um die Richtlinien zu keinem Zeitpunkt abgeschlossen.“