An den Bahnsteigen, wie hier am Hauptbahnhof, warteten manche vergeblich. Foto: Lichtgut/Julian Rettig, Max Kovalenko

Keine Busse, keine Stadtbahnen – am Freitag hat das Fahrpersonal den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) gestreikt. Doch die meisten Pendler waren gut vorbereitet.

Zwei Frauen stehen auf dem ansonsten gespenstisch leeren Bahnsteig der U-Bahn-Haltestelle Hauptbahnhof und schauen entgeistert auf ihre Mobiltelefone: „Wir haben nicht gewusst, dass es einen Streik gibt“, sagt eine der beiden in gebrochenem Deutsch. Sie suchen verzweifelt auf ihrer SSB-App nach einer funktionierenden Bus- oder Bahnverbindung. Die beiden Frauen kamen am Freitagmorgen, wie jeden Tag, mit der S-Bahn aus Backnang nach Stuttgart, um von hier weiter zu ihrem Arbeitsplatz nach Gerlingen zu gelangen.

Es sind nicht viele, aber einige Berufstätige hat der Warnstreik der Beschäftigten der SSB am Freitag doch kalt erwischt. Die beiden Frauen stehen schon kurz davor, wieder nach Hause zu fahren. Dann finden sie doch noch eine Lösung: Mit der S-Bahn erreichen sie Ditzingen. Von dort geht es weiter mit einem Bus des ÖPNV im Landkreis Ludwigsburg, wo an diesem Tag nicht gestreikt wird. Aufatmen.

Auch die S-Bahnen sind nicht überfüllt

Ansonsten scheint am Freitagmorgen rund um den Arnulf-Klett-Platz trotz des Verdi-Streiks überraschend wenig Aufregung unter den Pendlern zu herrschen. Im Gegenteil: Weil die Stadtbahnen und Busse nicht verkehren und viele Berufstätige ganz offensichtlich gut vorbereitet auf den Ausfall des ÖPNV sind, ist es am Stuttgarter Hauptverkehrsknotenpunkt gespenstisch ruhig. Viele haben sich am Freitag offensichtlich für einen Homeoffice-Tag entschieden, haben freigemacht oder ihr Transportproblem mit dem Auto oder dem Fahrrad gelöst.

Auch die nicht bestreikten S-Bahnen sind am frühen Freitagmorgen nicht überfüllt. Kein Gedränge, kein Schieben auf den Bahnsteigen im Hauptbahnhof. Selbst die Taxifahrer auf dem Arnulf-Klett-Platz zeigen sich überrascht, dass der Warnstreik nicht mehr Kunden in die wartenden Taxis spült. „Hier ist nicht viel los“, erzählt ein Fahrer. Probleme machte dem Mann nur der Straßenverkehr am frühen Morgen, als er versuchte, mit seinem Auto vom Hallschlag die Innenstadt zu erreichen. „Es gab viel, viel Stau“, so der Taxichauffeur. Besser als am Taxistand am Hauptbahnhof laufe an diesem Morgen das Geschäft bei den Kollegen in den Außenbezirken, erklärt er. „Viele wollen von draußen in die Stadt hineinfahren.“

Für Schüler heißt es: Fahrrad oder Fahrgemeinschaft

Bei Familien mit Schulkindern begannen die Vorbereitungen auf den Streiktag im ÖPNV schon am Donnerstagabend mit der Überlegung, wie die Kinder am nächsten Morgen zur Schule kommen. Schulkinder, die sonst den Bus nehmen, mussten aufs Rad umsteigen oder gleich ganz aufs Elterntaxi. So war denn auch bei vielen Schulen am Freitag nicht nur der morgendliche Bringverkehr dichter als an normalen Tagen. Auch die Radabstellplätze vor den Schulen waren deutlich voller als sonst. Manche Schulen wie die Waldschule in Degerloch hatten vorgesorgt und vorab eigens die Eltern informiert, damit diese Fahrgemeinschaften bilden konnten. Die Waldschule hatte außerdem bereits um 7 Uhr ihre Türen geöffnet, um damit den Verkehr vor der Schule zu entzerren.

Zu den Vereinzelten, die am Busbahnhof auf dem Arnulf-Klett-Platz gestrandet sind, gehört am Freitag auch eine 60-jährige Remseckerin. Die ältere Frau muss einen Arzttermin im Diakonissenkrankenhaus wahrnehmen, auf den sie, wie sie sagt, schon ein Jahr lang warte. „Ich verstehe nicht, wieso nicht wenigstens zum Beispiel jeder dritte Bus fährt“, sagt sie. Für den Streik des ÖPNV zeigt sie wenig Verständnis.

Kein Thema bei den Berufspendlern war am Freitagvormittag die Tatsache, dass der Streik in Stuttgart mit einer Großkundgebung von Fridays for Future am Nachmittag zusammenfällt. So auch bei Kilian Schmidt, der täglich aus Waiblingen nach Stuttgart einpendelt. „Die Busse und Straßenbahnen fahren so oder so nicht“, sagt der 42-Jährige. Auf die Demonstration komme es unter diesen Voraussetzungen dann auch nicht mehr an.