Der Weihnachtsmarkt ist in voller Schönheit in die Stuttgarter City zurückgekehrt. Foto: dpa/Christoph Schmidt

Stuttgarts City brummt und blinkt: Vor der stillen Nacht locken Getöse, Gewühl und Glühwein. Was sind die Trends beim Weihnachtsmarkt? Wie läuft’s bei Riesenrad und Rollschuhbahn? Wo wird gefeiert? Ein Streifzug.

Eine Weinedition mit dem schönen Namen Kesselliebe passt wunderbar zum Stuttgart-Stolz, der immer stärker wird. Im Kessel verändert sich allerhand. International gesinnte Schwaben widersetzen sich dem Klischee der freudlosen Bruddler, trumpfen auf mit Selbstbewusstsein und Spaß.

Der Jungwinzer Christoph Kern hat sich nach seiner Kesselliebe erneut einen starken Namen ausgedacht: Edelheiss. So nennt er sein Heißgetränk aus regionalen Trauben, das im Jahr eins nach der Pandemiepause Weihnachtsmarkt-Premiere feiert. Weniger Zucker ist drin als gewohnt, sagt der Kellermeister. Stattdessen setzt er auf Limetten, Ingwer und Zitronengras, um die übliche Wintergewürzmischung mit Leichtigkeit und junger Frische aufzubrechen.

„In meiner Jugend hab’ ich zu viel schlechten Glühwein getrunken“

Merry Glühwein! Über einen Trend freut sich Christoph Kern: Beim saisonalen Nationalgetränk darf’s ein bissle mehr Qualität sein. Weindorf-Chefin Bärbel Mohrmann, die auf dem Weihnachtsmarkt viele bekannte Gesichter von ihrem Herbstdorf trifft, begrüßt diese Entwicklung. „In meiner Jugend hab’ ich zu viel Glühwein von schlechter Qualität getrunken“, erinnert sie sich.

Ein Glühwein, swei Glühweih, rei Lühwei. Könnte sein, dass er besser wird, je mehr man davon trinkt. In Stuttgart kostet er im Schnitt vier, in München fünf Euro. Wirtin Sonja Merz folgt dem Rosé-Trend vom Sommer mit Rosé-Glühwein im Winter. Der kommt bei ihr so gut an wie Pommes mit Chili und Käse.

„Du hast die schönste Wärmestube der Stadt“, lobt Unternehmer Heinz Zimmermann, der kürzlich seinen 85. Geburtstag gefeiert hat. Ihr Kaminzimmer ist begehrt. Mal sitzt OB Frank Nopper mit Frau Gudrun Nopper drin, mal der Ladies Club um Petra Maria Huber. Menschen, die sich auf dem Volksfest in Zeltlogen in Lederhose und Dirndl treffen, pendeln individuell warm eingepackt zwischen Sonja Merz, Conny Weitmann und Gabriele Schäfer von der Tauberquelle.

Der Weihnachtsmarkt ist auch ein Partymarkt, ein Flirt-Ort und geselliger Treff. Dass er nicht zum kleinen Wasen wird, dafür sorgen die Händler der Non-Food-Stände. Sie wollen die Tradition des festlichen Krämermarktes hochhalten und wehren sich gegen die Wünsche der Wirte, abends länger aufzulassen. Wer kauft um 22 Uhr noch Socken? Die frühere Stadträtin und Raumausstatterin Esther Fingerle freut sich, Teil der Tradition zu sein. Sie hat einen Stand mit Mützen, Schals und Handschuhen von einem Beschicker übernommen, der wie viele andere Kollegen aufgehört hat. „Die Stimmung ist toll“, schwärmt sie, „man spürt, wie sich alle freuen, dass mehr Normalität zurückkehrt.“

Viele Besucher wundern sich über die Freifläche auf dem Weihnachtsmarkt

Ganz neu in diesem Jahr: der Mut zur Lücke. Über die ungewohnte Freifläche zwischen den Buden unweit des Rathauses wird gelästert. An den elektrischen Leitungen des neuen Marktplatzes soll’s liegen, dass viele ungenutzte Quadratmeter mittendrin entstanden sind. Etliche Beschicker verstehen nicht, warum in.Stuttgart als Veranstalter diesen Bereich nicht kreativ gestaltet.

Beliebtes Handyfotomotiv sind das Riesenrad und die neue Rollschuhbahn. Stefan Kinzler, der mit Henny Stamer den Wintertraum an der Planie auf energiesparende Weise erstmals seit 1999 eisfrei betreibt, sagt, dass die neue Version „voll einschlägt“. Im Retro-Charme der Rollerdiscos wird gefeiert – und an den Ständen brummt’s dazu.

An den sensationellen Erfolg vom Vorjahr kann Bruch nicht anknüpfen

Oscar Bruch, der Betreiber des Riesenrads, kann zwar nicht anknüpfen an den sensationellen Erfolg vom Vorjahr, als sonst fast alles verboten war, ist aber dennoch so sehr zufrieden mit der zweiten Saison im Ehrenhof des Neuen Schlosses, dass er nächstes Jahr wieder kommen will. „Man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen“, sagt er, weshalb er auf den Vergleich mit dem Ausnahmewinter von 2021 nicht eingehen will. Sein Riesenrad verbrauche nicht mehr Energie als die Brauerei am Schlossplatz, versichert er: „Durch die Bewegung der Kabinen wird Rückstrom produziert, wie beim Dynamo am Fahrrad entsteht Energie.“

Worauf der Schausteller ein bisschen stolz ist: Obwohl die Strompreise gestiegen sind, hat er die Preise (acht Euro Erwachsene, sechs Euro Kinder) nicht erhöht. Bruch freut sich, dass viele Gäste von weit außerhalb von Stuttgart kommen, um die Stadt aus der Drohnenperspektive zu erleben.

Mittlerweile ist’s 21 Uhr. Feierabend auf dem Weihnachtsmarkt (nur freitags und samstags geht’s bis 22 Uhr). Bei Sonja Merz wollen Gäste vergeblich noch einen Glühwein bestellen. Sie darf nicht verlängern und hört nun: „Ihr habt’s wohl nicht mehr nötig.“

Auf dem Karlsplatz geht der Ausschank bis Mitternacht

Wenige Meter weiter ist noch lange nicht Schluss. Auf dem Karlsplatz steht genau dieselbe Almhütte, die Sonja Merz in der Pandemie für den Schlossgarten gemietet hat. Die Winterhütte heißt jetzt Alm Deluxe. Die Wirte der Event Deluxe GmbH schenken bis 24 Uhr aus. Kuschlig warm ist’s drin. Man trinkt Fassbier statt Glühwein. Die Wirte des Weihnachtsmarktes werfen der Stadt Ungleichbehandlung vor. Warum dürfe man auf dem Karlsplatz viel länger fröhlich sein?

Lasst uns froh und munter sein! In der City gilt diese Festdevise wieder – samt sentimentaler Momente. Gerade in harten Zeiten ist’s wichtig: Es weihnachtet so schön!